Hamburg. Während der Amokschütze Philipp F. am letzten Donnerstagabend in Hamburg-Alsterdorf auf Mitglieder der Zeugen-Jehova-Gemeinde geschossen hat, sprachen diese Gebete. Das sagte ein Überlebender des Amoklaufs der Wochenzeitung "Die Zeit".
Als die ersten Schüsse fielen, hätte jemand gerufen: "Weg von den Fenstern, weg von den Fenstern." Der 29-Jährige, der anonym bleiben will, berichtet ebenso, dass er sich zusammen mit seiner Frau und einigen anderen Mitgliedern im Heizungsraum versteckte, kurz nachdem Philipp F. sich im Gebäude der Zeugen Jehovas durch ein Fenster Zutritt verschafft hatte. Philipp F. hatte am Donnerstag vergangener Woche mutmaßlich sieben Menschen ermordet, vier Männer, zwei Frauen, und auch ein ungeborenes Mädchen im Bauch einer Schwangeren wird zu den Toten gezählt. Acht weitere Menschen wurden an jenem Abend, an dem der 35-Jährige mit einer halbautomatischen Pistole des Typs P30 von Heckler & Koch 135 Schuss auf die Gemeindemitglieder abfeuerte, schwer verletzt, darunter drei Männer und fünf Frauen.
Auch Philipp F. ist tot, er erschoss sich nach Eintreffen der Polizei selbst. Philipp F. wurde im September 1987 geboren und wuchs in Kempten im Allgäu auf. Seine Familie, einst erzkatholisch, schloss sich offenbar in den Siebzigerjahren den Zeugen Jehovas an und lebte zurückgezogen. "Philipp war ein sensibler, ruhiger, freundlicher Charakter", sagte ein Verwandter, der ebenso anonym bleiben will, der "Zeit".
Er habe Zusammenkünfte der Zeugen Jehovas im Nachbarort besucht, sich aber im Jugendalter nicht, wie üblich, taufen lassen. 2014 zog Phillip F. nach Hamburg und arbeitete in Beratungsfirmen und in der Energiebranche und hatte eine feste Freundin. Laut "Zeit"-Bericht ging die Beziehung im Jahr 2019 in die Brüche, kurz darauf soll Philipp F. seine Arbeitsstelle verloren haben. Von da an begann für den späteren mutmaßlichen Amokläufer eine tiefe Lebenskrise, wie es der Verwandte der "Zeit" schilderte.
In diesem Zeitraum nahm Philipp F. nach neuen Erkenntnissen Kontakt zur Hamburger Gemeinde der Zeugen Jehovas auf, offenbar suchte er Halt. Im Sommer 2020 wurde er dort getauft. Der Verwandte berichtete der "Zeit" ebenso, Philipp F. sei enttäuscht von der Realität in der Hamburger Gemeinde gewesen. Bei einem Wiedersehen im Sommer 2022 habe er den früher ruhigen und sensiblen Philipp F. nicht wiedererkannt.
"Er wirkte paranoid, war voller Zorn", sagte er. Auch mehrere Mitglieder der Zeugen Jehovas hätten damals offenbar das psychische Abgleiten von Philipp F. verfolgt, heißt es aus Polizeikreisen.
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