Stuttgart. Die Dekarbonisierung der Industrie in Deutschland kommt nur langsam voran. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Beratungsgesellschaft EY, über die die "Welt am Sonntag" berichtet. "In der Industrie insgesamt stehen wir noch stärker am Anfang als man sich das wünschen würde", sagte Simon Fahrenholz, EY-Partner und dort für das Thema Nachhaltigkeit zuständig.
Zwar mangle es den Unternehmen nicht an entsprechenden Zielen. Fast die Hälfte der 200 befragten Betriebe strebt an, in Zukunft die Emissionen auf netto Null zu bringen. Weitere 16 Prozent wollen sogar klimapositiv werden, in den meisten Fällen schon bis 2035. "Allerdings tun sich viele Unternehmen schwer, ihre Ziele in die Tat umzusetzen", heißt es in der Untersuchung.
Zu den Gründen zählen Probleme bei der Finanzierung, die Industrie beklagt aber auch standortspezifische Hindernisse durch bürokratische Vorschriften und teils sehr lange Genehmigungsverfahren. "Wir stehen uns mit der Komplexität unserer Verwaltungsabläufe und Regulierungen oft selbst im Weg", sagte Fahrenholz. Der Klimaenthusiasmus sei daher schon so manchem Unternehmer im Behördendschungel abhandengekommen. Fahrenholz spricht von "Umsetzungsfrustration".
Einfache Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks wurden laut Studie bereits breitflächig umgesetzt, allen voran bei Themen wie Energiebezug oder -verbrauch. Nun müsse im nächsten Schritt in Produktionsabläufe eingegriffen werden. Das aber ist Fahrenholz zufolge deutlich schwieriger, weil Maschinen und Anlagen vielfach noch nicht abgeschrieben seien oder die nötige Technik nicht ausgereift genug sei.
Der Experte rechnet daher mit Zielkorrekturen in den kommenden Jahren. Noch seien die Unternehmen zurückhaltend und würden zu ihren Ankündigungen stehen. "Die öffentlichen Ziele stehen aktuell aber in einem spieltheoretischen Zusammenhang: Sobald sich der erste korrigieren muss, werden schnell viele weitere folgen und ebenfalls zugeben, dass sie ihre Pläne nicht einhalten können", sagte Fahrenholz.
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