Region. In einem offenen Brief wenden sich die 25 größten Sportvereine Niedersachsens an den Landessportbund. Sie beklagen, dass der Verband die Zahlen beschönige und die Sorgen der Großvereine nicht ernst nehme. Dabei trügen gerade sie die Hauptlast unter den Sportvereinen. Jetzt, wo dank der Coronapandemie kaum Neueintritte zu verzeichnen seien, verschlimmere sich die Situation noch weiter. Ihren gesellschaftlichen und sozialen Aufgaben könnten die Vereine immer schwieriger nachkommen. Wir veröffentlichen den Brief ungekürzt und unkommentiert.
Offener Brief an den LSB Niedersachsen
Lieber Präsident Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Umbach, lieber Vorstandsvorsitzender Reinhard Rawe,
nun sind sie also da: Die Mitgliederzahlen der im LSB Niedersachsen geführten Vereine weisen „einen Rückgang von 3,7 Prozent“ im Vergleich zum Vorjahr auf. Das ist in Anbetracht der nun schon mehr als ein Jahr andauernden Corona-Pandemie ein für den LSB insgesamt positives Ergebnis.
Der Aussage „wir können nun vorsichtig optimistisch in die Zukunft blicken“, können wir Großsportvereine aber ganz und gar nicht zustimmen. Das wollen wir gern erläutern: Dafür müssen wir die Zahlen genauer betrachten und vor allem auch hinterfragen. Unser Blick auf die Zahlen sieht wie folgt aus:
Demnach wurden in der Statistik des LSB 9.031 Vereine für die Auswertung herangezogen. Diese verzeichnen einen Rückgang von 3,7 Prozent, was insgesamt 95.129 ausgetretenen Mitgliedern entspricht. Damit hat jeder Verein im vergangenen Jahr durchschnittlich 10,5 Mitglieder verloren. Das ist für die Gesamtzahl der Vereine tatsächlich sehr überschaubar, hat aber überhaupt nichts mit der Situation der Großsportvereine in Niedersachsen zu tun. Hat der LSB die Großsportvereine bei seiner Betrachtung vergessen? Die vierundzwanzig mitgliederstärksten Vereine Niedersachsens haben der Erhebung nach zum Jahresende einen Mitgliederrückgang von ca. 8 Prozent, teilweise bis 23 Prozent zu verzeichnen. Im Schnitt kommen so rund 500 Austritte je Verein, also mehr als 11.700 Austritte bei vierundzwanzig Großsportvereinen, zusammen. Diese Zahl entspricht wiederum etwa zwölf Prozent der Gesamtaustritte.
Noch detaillierter: 0,27 Prozent der Vereine verzeichnen 12 Prozent der Gesamtaustritte! Von knapp 145.000 in 2020 auf jetzt 134.000 in 2021. Das ist dann alles andere als positiv. Die Gesamtschau mit einem Rückgang von nur 3,7 Prozent versperrt den Blick auf die Riesenprobleme der Großsportvereine. In Ihrer Pressemitteilung vom 4. Februar kein Wort zu unseren Problemen. Das ist mehr als ärgerlich und nicht nachvollziehbar, zumal Ihnen die Situation bekannt ist. Seit Monaten befinden sich große Teile unserer hauptamtlichen Mitarbeiter in (erneuter) Kurzarbeit, mit Mehreinnahmen aus zusätzlichen Veranstaltungen ist auch in diesem Jahr nicht zu rechnen, mit Neueintritten sowieso erst einmal nicht. Normalerweise kommen im Januar und Februar mehrere Hundert Neuanmeldungen, in diesem Jahr Fehlanzeige.
Das heißt, die monatlichen Mindereinnahmen aus Beiträgen und anderen Einnahmebereichen wachsen bei unseren Großsportvereinen weiter. Hinzu kommt die fehlende Perspektive für den Wiedereinstieg in den Sportbetrieb. Die zu tragende Last wiegt damit immer schwerer! Um auf Ihre Kernaussage der Pressemitteilung zurückzukommen: Nein, wir können nicht einmal vorsichtig optimistisch in die Zukunft blicken.
Dabei sind es doch allen voran unsere Großvereine, die im Breitensport professionell vorangehen, investieren und Strukturen schaffen, von denen nicht zuletzt auch „die Kleinen“ profitieren. Und das ist gut so! Schließlich haben der Sport und das Vereinsleben eine ungeheure Kraft, sowie eine wichtige Aufgabe zum Gemeinwohl der Menschen – insbesondere in der aktuellen Situation. Gerade die Großsportvereine leisten im Bereich Sport- und Vereinsentwicklung innovative und kreative Arbeit. Vor allem in diesen starken Bereichen wie Kurse, Workshops, vereinseigene Fitness-Studios, Betreiben von Schwimmhallen, etc. fehlen die notwendigen Neueintritte.
Dieser Verantwortung wollen und werden wir auch zukünftig nachkommen. Ohne eine nachhaltige und kraftvolle Unterstützung des Landessportbundes wird es jedoch nicht gehen. Diese fordern wir hiermit nachdrücklich ein. Verschaffen Sie uns, den Großsportvereinen, die ein wesentlicher Motor der Vereinsarbeit sind, mit unseren besonderen Problemen Gehör und geben Sie uns damit die Möglichkeit, tatsächlich vorsichtig optimistisch in die Zukunft zu blicken!
Diesem Schreiben beiliegend finden Sie ein umfangreiches und abgestimmtes Perspektivpapier, unterzeichnet von 24 niedersächsischen Großsportvereinen, die damit ein weiteres Mal ihrer sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen. Eine solche gemeinsame Initiative der niedersächsischen Großsportvereine hat es bisher noch nicht gegeben. Nutzen Sie diese Hinweise und Handlungsempfehlungen gerne in Ihrem Dialog mit den zuständigen Institutionen und internen sowie externen Gremien!
Mit sportlichen Grüßen
Buxtehuder SV v. 1862 e.V.
BTB Oldenburg v. 1892 e.V.
MTV Braunschweig v. 1847 e.V.
MTV Wolfenbüttel v. 1848 e.V.
VfL Wolfsburg e.V.
Blau-Weiss Buchholz e.V.
SC Melle 03 e.V.
Turn- und Wassersportverein. von Göttingen 1861 e.V.
Eintracht Hildesheim v. 1861 e.V.
Todtglüsinger SV v. 1930 e.V.
VfL Lüneburg 1894 e.V.
MTV Treubund Lüneburg v. 1848 e.V.
Osnabrücker Sportclub
TuS Harsefeld v. 1903 e.V.
BTSV Eintracht v. 1895 e.V.
TV Dinklage v. 1904 e.V.
VfB Fallersleben e.V.
Lehrter SV v. 1847 e.V.
Hannover 96 e.V.
ASC Göttingen v. 1846 e.V.
Turn-Klubb zu Hannover
MTV 1862 e.V. Vorsfelde
Oldenburger Turnerbund
TV Jahn Wolfsburg e.V.
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