Verfassungsschutz warnt: Türkische Rechtsextremisten auch in unserer Region aktiv

Die größte Rechtsextremistische Organisation in Deutschland, die "Ülkücü-Bewegung", hat auch in unserer Region zwei Zentren, in Salzgitter und Braunschweig. Vor den türkischen Nationalisten warnt der Verfassungsschutz bereits länger. Verboten ist sie allerdings noch nicht.

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Für die Grauen Wölfe steht ein Großtürkisches Reich im Mittelpunkt ihres Weltbildes. Auch in unserer Region unterhält die Bewegung zwei Zentren.
Für die Grauen Wölfe steht ein Großtürkisches Reich im Mittelpunkt ihres Weltbildes. Auch in unserer Region unterhält die Bewegung zwei Zentren. | Foto: Pixabay

Region. Auf Twitter warnte der niedersächsische Verfassungsschutz in der vergangenen Woche vor Rechtsextremisten. Dabei ging es diesmal jedoch nicht um Neonazis, sondern um sogenannte Extremisten mit Auslandsbezug, genauer um die Ülkücü-Bewegung, den meisten besser bekannt als "Graue Wölfe". Die Organisation hat laut den Schlapphüten auch in unserer Region gleich zwei Zentren: In Salzgitter und Braunschweig. regionalHeute.de hat der Bewegung, die von einem Großtürkischen Reich träumt, auf den Zahn gefühlt.


700 Sympathisanten habe die Bewegung der Grauen Wölfe in ganz Niedersachsen. Wie viele davon genau im Braunschweiger Land aktiv seien, konnte der Verfassungsschutz auf Anfrage von regionalHeute.de nicht beziffern. Sehr wohl aber habe man gleich zwei Zentren der "Ülkücü-Bewegung" in der Region ausgemacht: In Salzgitter und Braunschweig. Namentlich die Vereine "Türkischer Bildungs- und Kulturverein e.V." aus Salzgitter-Lebenstedt und "Deutsche Türk Föderation - ERGENEKON" aus Braunschweig. Beide Vereine sind mit dem Verband "Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Europa/Avrupa Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu" (ADÜTK) verbunden. Einem Dachverband, den mehrere Geheimdienste als mit den Grauen Wölfen verbunden und damit rechtsextremistisch einstuft.

Aber wer ist eigentlich die Ülkücu-Bewegung? Die Mitte des 20. Jahrhunderts gegründete Bewegung strebt die Gründung einer Großtürkei an, in der alle sogenannten "Turkvölker" zwischen Anatolien und Sibirien vereint werden sollen. Eine Ideologie, die nach dem mythischen Vater aller Turkvölker "Turanismus" genannt wird. Ein riesiger Ethnostaat soll also entstehen, in dem lediglich die Menschen Platz haben sollen, die die "Idealisten"-Bewegung (türk. Ülkücü) als türkisch identifizieren. Armenier, Juden, Griechen und vor allem Kurden sieht die Bewegung als "Schädlinge" an, die es zu bekämpfen gilt. Das Weltbild der Grauen Wölfe dreht sich damit auch um die vermeintliche Überlegenheit des "Türkentums", bei gleichzeitiger Abwertung anderer Ethnien und Kulturen. In Deutschland käme laut Verfassungsschutz eine aggressive Anti-EU-Rhetorik hinzu.

Konflikte auf neutralem Boden


Besonders angetan hat es den Grauen Wölfen aber die linksextremistische Seperatistengruppe PKK. Die kurdische Arbeiterpartei ist ebenfalls in Deutschland präsent und hat Unterstützer in lokalen kurdischen Communities, aber auch unter kurdischstämmigen Deutschen. Während es in der Türkei immer wieder zu Zusammenstößen - teils mit Toten und Verletzten - zwischen Sympathisanten der beiden Gruppen kommt, sind in Deutschland bislang keine Ereignisse dieser Art bekannt. Ein Umstand, der sich jedoch ändern könnte, auch wenn die Grauen Wölfe aktuell besonders darauf bedacht sind, sich an behördliche Maßgaben zu halten, berichtet der Niedersächsische Verfassungsschutz.

Besonders die immer wiederkehrenden militärischen Aktionen der Türkei in den kurdischen Gebieten führen zu Spannungen. So erkenne der Geheimdienst besonders im Internet verbale Auseinandersetzungen der beiden Organisationen. Dass es noch nicht zu physischen Angriffen kam, begründet der Verfassungsschutz besonders mit den aktuellen Coronaauflagen. Es sei schwerer Treffen in den Vereinen abzuhalten, das erschwere die Koordination, sowohl bei der PKK, als auch bei der Ülkücü-Bewegung. Demonstrationen, in denen die beiden Gruppen aufeinander treffen könnten, seien aktuell sehr viel schwerer abzuhalten, als in normalen Zeiten. Trotzdem bleibt das Gewaltpotenzial.

Die größte rechtsextremistische Bewegung in Deutschland


Zugleich seien die Graue Wölfe mit ihren bundesweit 18.000 Mitglieder die größte rechtsextreme Organisation in Deutschland. Als solche werbe sie vor allem um Jugendliche und versuche ihr nationalistisches Gedankengut weiter zu kultivieren. Besonders durch die Regierungsbeteiligung der mit der Bewegung verbundenen Partei MHP in der Türkei, reiten die Grauen Wölfe auf einer Welle der Erdogan-Unterstützung in türkischstämmigen Communities.

Über Vereine wie die in Salzgitter und Braunschweig versucht die Bewegung ihren Kampf finanziell und ideologisch auch in Deutschland zu unterstützen. Immerhin geht es den Grauen Wölfen von der Politik an den Pelz, was sie dazu gebracht habe, nach außen hin besonders gesetzestreu zu wirken. Immerhin forderte der Bundestag im vergangenen Jahr ein Verbot der Ülkücu-Bewegung. Trotzdem sieht der Verfassungsschutz die Gefahr, dass die verfassungsgefährdenden Aktivitäten vor allem verdeckt weitergeführt werden. Nach der Friedhofsruhe der Pandemie könnten die digitalen Auseinandersetzungen aber schnell in reale Gewalt umschlagen. Besonders, solange der Kurdistankonflikt in der Türkei ungelöst bleibt.

Ein Verbot ist nicht ganz einfach


Auch wenn der Bundestag zumindest die Prüfung eines Verbots der Grauen Wölfe forderte, scheint dies aktuell auf der Prioritätenliste nicht ganz oben zu stehen. Zuständig für ein generelles Verbot wäre das Bundesinnenministerium, das in dieser Hinsicht aber bislang nicht handelte. Es reiche aber auch nicht aus, sich auf einzelne Handlungen oder Aussagen von Mitglieder zu berufen, um die mit der Ülkücü-Bewegung verbandelten Vereine zu verbieten. Das gesamte Auftreten von Vereinen wie Deutsche Türk Föderation - ERGENEKON oder des türkischen Bildungs- und Kulturvereins aus Salzgitter müssten nach Vereinsreicht eine verfassungsfeindliche Haltung unterstreichen. Das wiederum müsste aus öffentlichem Auftreten und interner Kommunikation hervorgehen.

Zumindest das Niedersächsiche Innenministerium ist aber für ein Verbot, wie aus der Anfrage von regionalHeute.de an den Verfassungsschutz hervorgeht. Die Landesregierung würde Durchführung und Vorbereitung unterstützen. Um das konkret werden zu lassen, muss das Bundesinnenministerium jedoch den Ball spielen, den die Länder und der Bundestag ihm ins Feld gelegt haben. So lange werden die Grauen Wölfe wohl auch in unserer Region weiter aktiv bleiben.

Die Vereine "Deutsche Türk Föderation - ERGENEKON" und "türkischer Bildungs- und Kulturverein e.V." waren für ein Statement nicht zu erreichen.


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