Verkaufsoffene Sonntage: Beteiligte einigen sich auf Kompromiss

Vier Sonntagsöffnungen sollen möglich sein. Der erforderliche Anlass soll flexibler ausgelegt werden können. Letztendlich müssen sich aber die Akteure vor Ort einigen.

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Symbolbild | Foto: regionalHeute.de

Hannover. Vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie für den Einzelhandel hat am heutigen Mittwoch der zweite Runde Tisch „Sonntagsöffnungen" als digitale Konferenz stattgefunden. Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann, Sozialstaatssekretär Heiger Scholz sowie die Vertreter von IHK Niedersachsen (IHKN), Handelsverband Niedersachsen-Bremen, Gewerkschaften, Kirchen, Kommunalen Spitzenverbänden und den Unternehmerverbänden Niedersachsen (UVN) konnten sich hierbei darauf einigen, dass verkaufsoffene Sonntage ein Instrument gegen die Krise des Einzelhandels sein können. So sollen die Geschäfte in Niedersachsen auch in diesem Jahr an insgesamt vier Sonntagen öffnen können. Das berichtet die Niedersächsische Landesregierung in einer Pressemitteilung.


Eine landesweite Vorgabe werde es dabei nicht geben - jede Kommune könne in Abstimmung mit den anderen regionalen und örtlichen Akteuren selbst entscheiden, wann sie ihre verkaufsoffenen Sonntage durchführt. Ausgeschlossen seien hierbei allerdings die Adventssonntage sowie der 27. Dezember und der 1. November (Allerheiligen), der 15. November (Volkstrauertag) und der 22. November (Totensonntag). Den Kommunen seien dabei auch die Abfolge und die Anzahl, solange sie für dieses Jahr insgesamt nicht über vier liegt, freigestellt.

Anlass kann deutlich kleiner ausfallen als bisher


Entsprechend einem Vorschlag des Niedersächsischen Wirtschaftsministeriums und des Sozialministeriums zum heutigen zweiten Runden Tisch können Kommunen Sonntagsöffnungen unter anderem genehmigen, wenn sie sich auf einen besonderen Anlass, wie beispielsweise Messen oder Märkte oder auf das öffentliche Interesse zur Belebung der Gemeinde beziehen. Nach konstruktiver Diskussion einigten sich die Teilnehmer darauf, dass ein Anlass für einen verkaufsoffenen Sonntag gegeben sein sollte, dieser aber deutlich kleiner ausfallen kann als es in der Vergangenheit üblich war. Hintergrund ist, dass besondere Anlässe wie Volksfeste oder Messen, die sonst Anlass für einen verkaufsoffenen Sonntag sein konnten, in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie voraussichtlich nicht mehr stattfinden werden. Kleinere Märkte oder Events, wie beispielsweise räumlich begrenzte Töpfermärkte oder andere nach Maßgabe der Corona-Verordnung des Landes erlaubte Freiluftmärkte, könnten aber, so die Teilnehmer des Runden Tisches, eine Sonntagsöffnung ebenfalls rechtfertigen.

Einige Aussagen der beteiligten Akteure


Sozialstaatssekretär Heiger Scholz: „Wir haben die unterschiedlichen Interessen aller Beteiligten berücksichtigt und einen guten und tragfähigen Kompromiss erlangt. Der Einzelhandel in Niedersachsen kann unter Wahrung des grundgesetzlich garantierten Sonn- und Feiertagsschutzes in diesem Jahr an insgesamt vier Sonntagen öffnen. Dabei müssen die vor Ort beteiligten Akteurinnen und Akteure einen Konsens finden."

Hendrik Schmitt, IHKN-Hauptgeschäftsführer: „Das Land Nordrhein-Westfalen hat in einem Erlass geregelt, dass die Kommunen bis Jahresende vier Sonntagsöffnungen ohne Anlassbezug durchführen können. Was in Nordrhein-Westfalen aufgrund der Corona-Auswirkungen möglich ist, sollte auch in Niedersachsen möglich sein. Der durch Wirtschaftsminister Dr. Althusmann initiierte und ausgehandelte Kompromiss ist ein erster und wichtiger Schritt, um den niedersächsischen Einzelhandel aktiv zu unterstützen. Dafür ist die niedersächsische Wirtschaft dem Minister sehr dankbar."

"Den Kundenverkehr entzerren"


Dr. Volker Müller, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN): „Ich danke allen Beteiligten für diese konstruktive Lösung! Sie bietet eine gute Basis, um einen Rechtsstreit zu vermeiden. Mit der gefundenen Sonderregelung können wir den Kundenverkehr entzerren und Händler wie Kunden haben eine Chance, verlorene Einnahmen ansatzweise auszugleichen. Für eine langfristige Erholung und Modernisierung der Händler vor Ort, helfen die 10 Millionen Euro des Landes zur Digitalisierung des Einzelhandels."

Detlef Ahting, Landesleiter, ver.di Landesbezirk Niedersachsen-Bremen: „Verkaufsoffene Sonntage werden nur dann möglich sein, wenn es einen angemessenen Anlass gibt und vor Ort mit allen Beteiligten - auch ver.di - eine Verständigung erzielt wurde. Wenn man über einen Anlass nachdenkt, sollte man auch Schaustellern und Künstlern Gelegenheit geben, die durch die Corona-Krise ebenfalls unter großem Druck stehen."

Dirk-Ulrich Mende, Geschäftsführer des Niedersächsischen Städtetags: „Auch wenn die (Ober-)Bürgermeister unserer Städte sich eine noch eindeutigere Regelung gewünscht hätten, stellt das heute vorgestellte gemeinsame Papier des MW und des MS eine Grundlage dar, auf der wir hoffen, in den Gesprächen mit den örtlichen Akteuren von Gewerkschaft, Handel und Kirchen in diesem Jahr noch eine nennenswerte Anzahl von Sonntagsöffnungen unserer Innenstädte im Interesse des Einzelhandels aber auch im Interesse der Aufrechterhaltung lebendiger Zentren zu erreichen."

"Verkaufsoffene Sonntage lösen die Probleme nicht"


Dr. Joachim Schwind, Geschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistages: „Allen Beteiligten ist klar, dass die großen Probleme des stationären Einzelhandels durch das Corona-Geschehen nicht mit verkaufsoffenen Sonntagen gelöst werden können. Der Niedersächsische Landkreistag appelliert aber an alle Beteiligen, angesichts der besonderen Umstände durch das Corona-Geschehen die nach dem Gesetz grundsätzlich möglichen Sonntagsöffnungen flexibel im örtlichen Interesse zu betrachten und keine rechtlichen Grundsatzstreitereien vom Zaun zu brechen."

Oberlandeskirchenrätin Dr. Kerstin Gäfgen-Track, Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen: „In diesem Jahr hat es bisher meist noch keine verkaufsoffenen Sonntage gegeben. Als evangelische Kirche tragen wir in dieser angespannten wirtschaftlichen Situation einen Kompromiss mit, der in diesem Jahr noch vier Sonntagsöffnungen - ausgenommen Allerheiligen und die Adventssonntage - ermöglicht. Das fällt uns nicht leicht. Aber wir können nachvollziehen, dass jetzt nichts unversucht gelassen werden soll, um Arbeitsplätze zu sichern."

Rüdiger Wala, Vertreter für die Landesallianz für den freien Sonntag: „Als Landesallianz halten wir an dem Grundsatz fest: Sonntagsöffnungen bedürfen eines besonderen Sachgrundes, ohne den der Schutz des Sonntages unterlaufen wird. Wir können uns aber gut vorstellen, dass es regional freiwillige Vereinbarungen anlässlich von beispielsweise Kunst- und Kulturveranstaltungen gibt. Voraussetzung dafür ist eine einvernehmliche Verständigung aller Beteiligten vor Ort. Das dient der gesellschaftlichen Akzeptanz und ist ein befristet bis zum Jahresende 2020 gangbarer Weg."

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