Berlin. Mehr als die Hälfte aller psychiatrischen Einrichtungen in Deutschland verfehlt die geltenden Mindestvorgaben für die Zahl der therapeutischen Fachkräfte. Das ergibt sich aus neuen Zahlen des zuständigen Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG), über die die Zeitungen des "Redaktionsnetzwerks Deutschland" berichten.
Danach haben im vierten Quartal 2023 von 755 Einrichtungen der Erwachsenenpsychiatrie 387 Standorte die Vorgaben für die Personalstärke nicht erfüllt, das ist ein Anteil von 51 Prozent. Bei den Kinder- und Jugendpsychiatrien verfehlten 165 von 296 Einrichtungen die Vorgaben, das ist ein Anteil von 56 Prozent. Kritik an der Situation kam vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen. "Eine Behandlung mit zu wenig Personal gefährdet die Patientensicherheit und verzögert die Genesung von schwer psychisch erkrankten Menschen", sagte Verbandschefin Doris Pfeiffer dem RND.
Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenhäusern und Kassen hatte beschlossen, dass Kliniken der Psychiatrie, der Kinder- und Jugendpsychiatrie und psychosomatische Abteilungen bei der personellen Besetzung ihrer Stationen konkrete Vorgaben erfüllen müssen. Ziel ist es, eine möglichst gute Patientenversorgung abzusichern. Werden die seit 2020 geltenden Vorgaben nicht erfüllt, sind Sanktionen möglich. Allerdings gelten derzeit noch Übergangsregelungen.
"Ein Grund für die Personalprobleme ist, dass in Deutschland das Potenzial ambulanter Behandlungen am Krankenhaus bei Weitem nicht ausgeschöpft wird", so Pfeiffer. Nach Ansicht der Krankenkassen werden in Deutschland zu viele psychisch Erkrankte vollstationär in einer Klinik behandelt - was besonders personalintensiv ist. Eine Alternative wäre eine ambulante Behandlung in Tageskliniken.
So verweist der Spitzenverband darauf, dass es einen europaweiten Trend zur Ambulantisierung der psychiatrischen Versorgung gebe. Gab es 1993 den Angaben zufolge im europäischen Schnitt 110 psychiatrische Krankenhausbetten auf 100.000 Einwohner, waren es 2021 nur noch 73 Betten. Völlig gegen diesen Trend sei in Deutschland die Zahl der psychiatrischen Betten weiter angestiegen auf zuletzt etwa 130 Betten pro 100.000 Einwohner, so der Spitzenverband.
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