Bonn. Der Bonner Völkerrechtler Stefan Talmon zweifelt an einem Erfolg der nicaraguanischen Klage gegen Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag. "Meiner Meinung nach ist die Klage Nicaraguas aus verfahrensrechtlichen Gründen zum Scheitern verurteilt", sagte er der "Rheinischen Post" (Montagsausgabe) mit Blick auf den Vorwurf der Beihilfe.
Aus Sicht Nicaraguas begünstigt die Bundesrepublik unter anderem durch Rüstungslieferungen an Israel die Begehung eines Genozids. Talmon, der Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht an der Universität Bonn ist, erläuterte: "Beihilfe ist eine Tat, die eine Haupttat voraussetzt. Und die Haupttat, in diesem Fall Völkermord, muss erst einmal festgestellt werden, bevor Beihilfe festgestellt werden kann."
Aktuell steht das Verfahren noch am Anfang, wo das Gericht zunächst über einstweilige Maßnahmen entscheidet. Erst dann folgt das Hauptsacheverfahren. Talmon sagte: "Falls Nicaragua einen Teilerfolg bei den einstweiligen Maßnahmen erringt, dann nur wegen der in diesem Verfahrensstadium extrem niedrigen Beweisanforderungen." Das sieht im Hauptsacheverfahren anders aus.
"In diesem Verfahren liegt die Beweispflicht bei Nicaragua und die Anforderungen bei Völkermord sind extrem hoch: Nicaragua müsste nachweisen, dass Deutschland wusste, dass Israel beabsichtigt, Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen zu begehen, und dass die gelieferten Waffen zu Völkermordhandlungen eingesetzt werden. Es erscheint mir unwahrscheinlich, dass Nicaragua dies gelingen wird."
Zum Vorwurf, dass Deutschland Zahlungen an das Palästinenserhilfswerk UNRWA ausgesetzt hat, sagte er: "Die temporäre Aussetzung von freiwilligen Zahlungen an eine Hilfsorganisation stellen noch keine Teilnahme an einem Völkermord dar."
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