Braunschweig. Eröffnet wurde der Montagabend zunächst von Ducking Punches, eigentlich eine Folk-Punk Band aus dem englischen Norwich, diesmal aber nur von Sänger Dan Allen und seiner Akustik-Gitarre repräsentiert. Höhepunkt seines Sets war sicherlich die Coverversion des The Cure-Klassikers "Friday I’m in love", bei der seine von Rauch und Whiskey geschwängerte Stimme voll zur Entfaltung kam. Das war schon Gänsehaut pur - und es sollte nicht das letzte Mal an diesem Abend sein.
Als das Folk-Duo Andrew Jackson Jihad aus Phoenix, Arizona als zweite Vorband die Bühne enterte, war das Meiers bereits prall gefüllt. Sänger und Gitarrist Sean Bonnette wirkte mit seiner Hornbrille und dem Dreitagebart wie der verloren gegangene Zwillingsbruder von Mark Oliver Everett, oder kurz E, dem Sänger der amerikanischen Kultband Eels. Sie steigerten das Tempo im Gegensatz zu ihrem Vorgänger erheblich und trugen ihre Folksongs mit sozialkritischen Lyrics mit enormer Leidenschaft vor.
Dass die Jungs richtig Spaß auf der Bühne hatten, übertrug sich auch unmittelbar aufs Publikum, besonders als sich für die letzten drei Songs ihres Sets Frank Turner ans Schlagzeug begab. "People II: The Reckoning" blieb bei mir am meisten hängen, da die Grundlage des Songs der Simon & Garfunkel-Hit "Mrs. Robinson" ist. Spitzzüngig prangert Bonnette die verlogene Gesellschaft und die Scheißegal-Haltung der Menschen an: "In fucking fact, Mrs. Robinson/ The world won't care whether you live or die, live or die/ In fucking fact, Mrs. Robinson, They probably hate to see your stupid face, your stupid face". Unter großem Jubel verließ die Band nach knapp einer halben Stunde die Bühne und machte Platz für den Hauptact.
Frank Turner & The Sleeping Souls betraten die Bretter, die die Welt bedeuten, um kurz nach halb zehn zum alten englischen Seemanns-Shanty "Howl on the Bowline". Die vierköpfigen Sleeping Souls und Turner legten dann mit einem energiegeladenen "Photosynthesis" vom 2008er Album Love Ire & Song los, bei dem die Menge sofort an den Lippen des Songwriters hing und jede Zeile textsicher mitsang. Das sollte sich auch durch das gesamte Konzert ziehen, ganz zur Freude der Musiker.
Nach dem Auftakt stellte der 33-Jährige erst mal seine Band vor. Ben Lloyd spielt die Gitarre und greift während des Abends auch das eine oder andere Mal zur Mandoline, ebenso wie Matt Nasir, dessen Hauptinstrument das Keyboard ist. Tarrant Anderson bedient leidenschaftlich den Bass und wirkt auf der Bühne wie ein junger Paul Simonon zu den Anfangszeiten von The Clash. Komplettiert wird die Truppe durch Nigel Powell am Schlagzeug. Weiter ging es dann mit "Plain Sailing Weather" vom aktuellen Werk Tape Deck Heart. Das folgende "Peggy sang the Blues" kündigte Turner mit den Worten an, dass es dabei darum ginge, mit seiner Oma zusammen Whiskey zu trinken. Ein wenig erinnerte die Band in ihrer Energie und Leidenschaft an die glorreichen Zeiten von The Pogues mit ihrem charismatischen Frontalkoholiker Shane MacGowan.
Als der sympathische Brite dann fragte, ob Braunschweig denn in der Nähe von Hannover läge, brach die gesamte Halle in laute ‚Buuhhh!‘-Rufe aus - Wie kann er denn auch nur?! Er hat die Menge aber ganz schnell wieder auf seiner Seite. Interessiert möchte er vom Publikum etwas über unsere Löwenstadt wissen. Das einzige, was wirklich bei ihm ankommt, ist, dass Jägermeister aus der Region kommt. Allerdings habe der Kräuterlikör ihm das Leben ruiniert, meint er augenzwinkernd. Anschließend möchte er uns etwas über seine Heimatstadt erzählen. "Wessex Boy" nimmt uns mit in seine Jugend nach Winchester: "I'm a Wessex boy and when I'm here I'm home". Das Set setzt sich mittlerweile zusammen aus einer abwechslungsreichen Mischung aus Uptempo-Nummern und Balladen, die er ganz alleine mit seiner Gitarre vorträgt.
Dafür wird dann so eben auch mal jemand aus dem Publikum auf die Bühne geholt. Agatha bekam eine kurze Einführung, wie man Mundharmonika spielt, und durfte dies dann unter großem Jubel des Publikums tun. Turner lässt es sich auch nicht nehmen, sich dafür zu entschuldigen, dass er nur einen Deutschen Song spielen kann und stimmt "Freiheit" von Westernhagen an. Es sei ihm verziehen! Er kann aber dann doch noch einen weiteren, nämlich eine Version seines Songs "Eulogy" in einer deutschen Übersetzung. Auch scheut sich Frank Turner nicht vor Peinlichkeiten. Zum letzten Song des regulären Sets holt er erneut jemanden aus dem Publikum zu sich. Während "Recovery" sollte der deutsche Frank aus dem Publikum dann im Refrain den Hampelmann machen, was dieser auch bravourös tat. Nach knapp einer Stunde und zehn Minuten war dann erst mal Schluss.
Die Band ließ das Publikum jedoch nicht lange warten und erschien für vier weitere Zugaben. Den Höhepunkt des Konzertes bildeten die letzten beiden Songs, beide vom Album England Keep my Bones. Bei "I still believe" wurde nochmal kräftig und lauthals mitgesungen, wobei "Four Simple Words" anfangs in bester Vaudeville-Tradition nur mit Piano und Gesang begann und sich dann im Refrain zu einem echten Punkrocksong entwickelte, bei dem nochmal kräftig Pogo getanzt wurde und Frank Turner zum Sprung in die Masse ansetzte, die ihn bereitwillig auffing. Ein grandioser Konzertabend ging schließlich nach gut eineinhalb Stunden vorbei, als aus der Konserve die 40er Jahre Hymne "We’ll meet again" von Vera Lynn ertönte. Hoffentlich macht Frank Turner sein Versprechen wahr und kommt wieder. Bleibt abschließend nur noch zu sagen: Liebe Veranstalter, Promoter, Booker und Clubbetreiber, macht bitte mehr davon!
- Sven Weschnowsky
(Fotos: Stephen Dietl)