Warum Weihnachten für viele Menschen im Minus endet

Laut einer aktuellen Umfrage halten es 23,6 Prozent der Erwachsenen in Deutschland für möglich, die Festtage ganz oder teilweise über Schulden zu finanzieren.

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Symbolbild | Foto: pixabay

Region. Im Dezember verliert Geld ein Stück seiner Schwere. Zumindest gefühlt. Die Innenstädte von Braunschweig, Wolfsburg oder Salzgitter sind hell erleuchtet, Paketstationen überfüllt, der nächste Kauf nur einen Klick entfernt. Die Kartenzahlung piept, das Handy vibriert, die Bestellung ist abgeschlossen. Wir zeigen auf, warum Weihnachtsgeschenke für viele erst nach den Feiertagen wirklich teuer werden.



Viele kaufen in diesen Wochen Dinge, die sie sich eigentlich nicht leisten können – oder nicht leisten wollen. Nicht aus Gedankenlosigkeit, sondern aus einem vertrauten inneren Druck heraus: niemanden enttäuschen, dazugehören, Normalität wahren. Für einen Moment soll alles stimmen. Dass der Preis dafür erst später sichtbar wird, gehört zur stillen Logik dieses Monats.

Verhalten kein Randphänomen


Dass dieses Verhalten kein Randphänomen ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen. Laut einer Umfrage des Kreditportals smava halten es 23,6 Prozent der Erwachsenen in Deutschland für möglich, die Festtage ganz oder teilweise über Schulden zu finanzieren – etwa über den Dispokredit, die Kreditkarte oder Ratenzahlungen.

Gleichzeitig wird viel Geld ausgegeben. Laut einer aktuellen Weihnachtsumfrage der FOM Hochschule, in der Menschen in Deutschland zu ihren geplanten Ausgaben befragt wurden, liegen die durchschnittlich eingeplanten Kosten für Weihnachtsgeschenke bei 502 Euro. Für manche ist das gut zu stemmen. Für andere ist es genau die Grenze, an der das Konto ins Wanken gerät – leise, aber spürbar.

„Später“ hat einen festen Termin


„Ich kümmere mich später darum“ – dieser Satz passt perfekt zum Dezember. Zahlungsmodelle wie „Kauf auf Rechnung“ oder „erst in 30 Tagen zahlen“ nehmen dem Moment seine Schärfe. Die Entscheidung fühlt sich leichter an, weil ihre Folgen unsichtbar bleiben. Bezahlt wird nicht jetzt, sondern irgendwann. Nach den Feiertagen. Nach dem Jahreswechsel.

Eine Freundin erzählte mir – so, wie viele es nur im kleinen Kreis tun –, dass sie sich allein durch Weihnachtsgeschenke mit über 500 Euro verschuldet hat und danach monatelang damit zu kämpfen hatte. Keine großen Anschaffungen, kein Luxus. Nur Geschenke für Familie und Freundeskreis. Dinge, die dazugehören sollten. Die eigentliche Belastung kam nicht beim Kauf, sondern danach. Als der Januar begann. Als der Kontoauszug kam. Als klar wurde, dass Weihnachten vorbei war – die Schulden aber geblieben sind.

Solche Erfahrungen sind kein Einzelfall. Auswertungen zeigen, dass jeder Elfte mit einem Konto im Minus ins neue Jahr startet. Wer einmal im Dispokredit steckt, merkt schnell: Es geht nicht nur um Geld. Es geht um Zeit. Um Wochen, manchmal Monate, in denen das Minus bleibt – begleitet von Zinsen, die kleine Beträge wachsen lassen.

Monatelang im Minus


Schulden beginnen selten durch einen großen Fehler. Sie entstehen im Kleinen. Ein Geschenk hier, ein Versandversprechen dort, dazu vielleicht noch Silvester. Im Dezember addiert sich, was einzeln harmlos wirkt. Und genau das macht es so gefährlich: Der Moment, in dem es kippt, ist kaum spürbar.

Kurz vor Weihnachten warnt die Verbraucherzentrale ausdrücklich vor scheinbar bequemen Finanzierungsangeboten. Auch „0-Prozent-Finanzierungen“ seien Kredite – mit Verpflichtungen, Risiken und möglichen Zusatzkosten, die oft erst auffallen, wenn die Zahlung fällig wird. Der Verbraucherzentrale Bundesverband weist zudem darauf hin, dass viele Menschen deutlich länger brauchen, um eine Kontoüberziehung auszugleichen, als sie zunächst annehmen. Nicht wenige bleiben monatelang im Minus.

Hinzu kommt ein Tabu. Über Schulden spricht man ungern. Schon gar nicht über solche, die aus einem Fest der Nähe entstanden sind. Wer finanziell überzieht, fühlt sich schnell persönlich verantwortlich. Dabei ist der Druck längst strukturell: steigende Preise, allgegenwärtige Zahlungsoptionen, eine Konsumkultur, die Großzügigkeit zur Selbstverständlichkeit macht.

Festtage auf Pump


Wenn der Weihnachtsbaum abgeschmückt ist, kehrt für viele keine Erleichterung ein, sondern Unruhe. Kontoauszüge werden geprüft, Rechnungen sortiert, Fristen notiert. Weihnachten endet nicht am 27. Dezember. Für manche beginnt danach eine Phase des Verzichts, der Anspannung, manchmal auch der Scham.

Dass knapp jeder Vierte in Deutschland es zumindest für möglich hält, die Festtage auf Pump zu finanzieren, zeigt: Das Problem liegt nicht bei Einzelnen. Es ist weit verbreitet, leise – und gerade deshalb so wirksam.

Dieser Blick auf Weihnachten ist kein moralischer Appell. Er beschreibt eine Realität, die viele kennen. Vielleicht beginnt Entlastung nicht mit Spartipps, sondern mit Ehrlichkeit. Mit dem Wissen, dass man nicht allein ist – und dass Weihnachten für viele erst dann endet, wenn das Konto wieder stimmt.