Waschboxen endlich wieder geöffnet - "Das war alles völliger Schwachsinn"

Ein SB-Waschcenter-Betreiber aus Braunschweig hat wochenlang gegen Niedersachsens hartherzige und unnachvollziehbare Politik gekämpft. Das Gesundheitsministerium weist die Vorwürfe von sich.

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Mit eingebauten, soliden Trennwänden, ohne Kontakt mit Personal und sogar mit Einmalhandschuhen: Trotzdem waren SB-Waschcenter seit Mitte März geschlossen - War das für den Infektionsschutz wirklich notwendig?
Mit eingebauten, soliden Trennwänden, ohne Kontakt mit Personal und sogar mit Einmalhandschuhen: Trotzdem waren SB-Waschcenter seit Mitte März geschlossen - War das für den Infektionsschutz wirklich notwendig? | Foto: MHB Mineralölhandel GmbH

Region. Niedersachsen war das letzte Bundesland, in dem SB-Waschboxen - vornehmlich für Privatkunden - vollständig geschlossen bleiben mussten. "Völliger Schwachsinn", findet Bernadette Schneidmiller, Assistentin der Geschäftsführung der MHB Mineralölhandel GmbH, die 15 Blitz-Blank SB-Waschcenter in der Region betreibt. Seit 00:01 Uhr dürfen Waschboxen endlich wieder öffnen. Das Land Niedersachsen rechtfertigt den langen Shutdown der SB-Waschcenter nun damit, dass sich andere Bundesländer nicht an Absprachen gehalten hätten.


Für viele SB-Waschanlagen-Betreiber kam die Haltung Niedersachsens einer wirtschaftlichen Katastrophe gleich. Aber auch das Gebaren des Gesundheitsministeriums sei ihnen bitter aufgestoßen. Johann Thiele, Unternehmer aus Braunschweig und einer der größten Betreiber von SB-Waschcentern in Niedersachsen, dazu: "Ich fühle mich ganz klar vom Gesundheitsministerium gegängelt. Nur Niedersachsen leistet es sich, die Autowäsche so detailliert zu regulieren", kritisiert vor allem die mangelnde Kommunikation - vom Ministerium sei nie eine brauchbare Rückmeldung auf die Frage gekommen, wo denn das besondere Infektionsrisiko bei den SB-Waschboxen liege. Das Ministerium betonte lediglich die Notwendigkeit der Schließung damit, dass man in Selbstwaschanlagen aus dem Auto aussteigen müsse und Geräte wie Sprüher, Staubsauger und Mattenklopfer gemeinsam genutzt werden.

"Ein Schlag ins Gesicht"


"Jeder Kunde steht bei uns in seiner eigenen, seitlich abgetrennten Box. Wir haben auch Einmalhandschuhe an allen Standorten ausgebracht", erklärt Thiele die Maßnahmen. Schneidmiller ergänzt, dass man vielfältige Vorschläge gemacht habe - ohne jede Reaktion: "Wenn man zum Beispiel jede zweite Waschbox geschlossen hätte, betrüge der Abstand zum Nebenmann schon sechs Meter. Und das mit Trennwänden."

Der "Schlag ins Gesicht" sei dann spätestens am 17. April gekommen, als es dann auf einmal hieß, Einkaufscenter wie das Braunschweiger Schloss oder die Ernst-August-Galerie in Hannover mit je über 30.000 Quadratmetern Einzelhandelsfläche dürften öffnen, die SB-Waschcenter müssten aber weiterhin dicht bleiben. "Dazu besitzt man in Hannover das Einfühlungsvermögen auf Anfragen hierzu eine Standardantwort zu verschicken, in der es heißt, an unseren Anlagen herrsche bei schönem Wetter reges Treiben. Da frage ich mich als Unternehmer mit 150 Mitarbeitern schon, ob wir hier noch in Niedersachsen oder in einer Bananenrepublik unterwegs sind", konstatiert der Unternehmer. Letztendlich habe man sogar geklagt - Dies sei allerdings mit einer ebenfalls wenig aussagekräftigen Begründung abgelehnt worden.

Öffnung für Gewerbekunden nicht umsetzbar


14 der 15 Anlagen der MHB-Mineralölhandel GmbH sind 24 Stunden am Tag geöffnet und laufen im Normalbetrieb ohne jegliches Personal. Vor diesem Hintergrund sei auch das der Betrieb nur für "gewerbliche Nutzfahrzeuge" kaum umsetzbar gewesen. "Das hat genau zwei Tage funktioniert und brachte auch Probleme mit sich. Wenn jemand jetzt seinen Firmenwagen auch privat nutzt, darf der dann da waschen? Wie soll man das kontrollieren?" Laut Schneidmiller ließen regelmäßige Anrufe vom Ordnungsamt und der Polizei nicht auf sich warten, dass man die Anlagen schließen solle oder dass die Behörden sie selbst geschlossen hätten. "Das war alles nicht die feine englische Art", meint Schneidmiller.

Waschboxen öffneten um 00:01


Auch wenn die Ankündigung, am 6. Mai öffnen zu dürfen bereits am 30. April kam, wurde die tatsächliche Erlaubnis erst am gestrigen Dienstag erteilt. "Das war ein enormer Stressfaktor. Wir waren gestern die ganze Nacht unterwegs um die Öffnung gewährleisten zu können. Da unsere Waschanlagen bis auf eine 24 Stunden am Tag geöffnet haben, wollten wir das auch bis um 00:01 Uhr umgesetzt haben. Es gibt viele Kunden, die um diese Uhrzeiten waschen", berichtet Schneidmiller von den Herausforderungen. Einmalhandschuhe werde man - auch wenn sich die Beschaffung ebenfalls schwierig gestalte - zur Verfügung stellen.

Ministerium weist Vorwürfe von sich


Justina Lethen, Sprecherin des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - an welches auch die Anfragen aus der Branche gingen - weist im telefonischen Gespräch zurück, dass man sich nur mit Standardantworten gemeldet hätte, obgleich eben jene Antworten unserer Online-Zeitung vorliegen. Auch schriftlich erfolgt zum Vorwurf der mangelnden Kommunikation keine Stellungnahme.

Lethen betont jedoch, dass Niedersachsen hier den Alleingängen der anderen Bundesländer zum Opfer gefallen sei: "Die Ministerpräsidenten hatten sich eigentlich drauf geeinigt, die SB-Waschanlagen vorerst nicht zu öffnen, wenn die anderen Bundesländer das dann trotzdem tun, dann steht das in der Niedersächsischen Verordnung natürlich nicht drin. Die anderen Bundesländer haben sich nicht an die Pläne eines bundeseinheitlichen Vorgehens gehalten. Ich glaube die Enttäuschung und Verärgerung darüber war auch Ministerpräsident Stephan Weil in der Pressekonferenz (Anm. d. Red.: Vorstellung des Niedersachsen-Plans) deutlich anzumerken."

Auf diese Aussage angesprochen zeigt sich Bernadette Schneidmiller überrascht: "Aus unserer Sicht ist das ein politischer Super-GAU", kommentiert sie und ergänzt: "Wenn Deutschland da einheitlich gefahren wäre, dann wäre das ärgerlich, aber nachvollziehbar gewesen."


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