Braunschweig. Für Dr. Jens Bölscher stehen bald Besichtigungstermine in Pekinger Pflegeeinrichtungen auf der Agenda. Der Geschäftsführer der Braunschweiger WelfenAkademie erhielt gleich mehrere Einladungen während einer Abschlussfeier für elf chinesische Besucher in Niedersachsen.
Bei diesem zweiwöchigen Austauschprogramm besuchten Altenpflege-Experten aus dem Reich der Mitte die Akademie an der Salzdahlumer Straße für eine fachliche Fortbildung. Während dieses Zertifikatskurses besichtigten die Delegierten zudem unterschiedliche Einrichtungen – etwa Pflegeheime und Krankenhäuser – in Hannover und Braunschweig. „Der Markt für Altenpflege in China ist groß. Dort soll ein Fachkräfte-System ähnlich wie in Deutschland entstehen“, sagt Dr. Qunfang Luo, Projektmanagerin an der WelfenAkademie, die den Austausch organisiert hat. Unter den elf Delegierten sind Pädagogen, Ärzte, Krankenschwestern und etwa auch der Geschäftsführer der größten Seniorenpflege-Einrichtung Pekings – „die Goldene Sonne“ – das sich um sage und schreibe eine Million pflegebedürftige Senioren kümmert – größtenteils ambulant.
Ziel der Delegation sei es, die Altenpflege in China zu verbessern und zu systematisieren. Dazu wollen die Delegierten auch Einfluss auf die Politik nehmen, sich etwa für eine Pflegeversicherung stark machen. Das nationale Interesse an dem Thema Pflege in China zeigte sich auch daran, dass die Delegation an der WelfenAkademie von einem Mitarbeiter der staatlichen Presseagentur und einer Magazin-Reporterin begleitet wurde.
Systematische Qualität auch in China
„Deutschland und China haben große Gemeinsamkeiten“, sagte Bölscher. Seine Bildungseinrichtung fungiere bei dieser Kooperation als Brücke – etwa zu den Facheinrichtungen und Institutionen in Deutschland. „Es ist für uns eine Ehre, dass Sie sich die WelfenAkademie als Partner und das deutsche Pflegesystem als Vorbild ausgesucht haben“, sagte der Geschäftsführer den Gästen. Ein Vertreter einer chinesischen Firma möchte zudem künftig deutsche Experten ins bevölkerungsreichste Land der Welt holen, um dort Fachkräfte auszubilden. Dazu wurde ein Kooperationsvertrag mit der WelfenAkademie unterzeichnet. Alle Teilnehmer betonten, dass sie viel während der Exkursion in Deutschland gelernt haben. Als positive Beispiele wurden immer wieder das deutsche Fachkräfte-System und die Pflegeversicherung genannt. Diese systematische Qualität auch in China umzusetzen, sei eins der großen Ziele. Der Markt dafür sei vorhanden. Das bestätigte auch der Geschäftsführer der „Goldenen Sonne“, der gleichzeitig Vorsitzender des chinesischen Altenpflegeverbands ist. Ihm zufolge werden in den nächsten Jahren rund 5 Millionen Pflege-Fachkräfte im Reich der Mitte fehlen. Insgesamt gebe es dort derzeit 200 Millionen Senioren.
Beispiele von innovativer Altenpflege
Das Problem der alternden Gesellschaft bringt in China gewaltige Zahlen hervor. Deutschland hingegen habe einen deutlichen zeitlichen Vorsprung. „China wird alt. Die Gesellschaft ist aber noch nicht darauf vorbereitet“, sagte der Geschäftsführer der größten chinesischen Pflege-Einrichtung. Andererseits gab es interessante Beispiele von innovativer Altenpflege aus den chinesischen Einrichtungen. Eine Teilnehmerin erzählte etwa von ihrem Projekt des reisenden Seniorenheims, bei dem die Bewohner regelmäßig gemeinsam in den Urlaub in anderen chinesischen Regionen aber auch nach Europa fahren. Zudem gebe es zahlreiche Menschen, die sich ehrenamtlich in der Senioren-Betreuung engagieren – viele davon selbst schon im Rentenalter. „Wir können viel voneinander lernen“, bilanzierte Bölscher.