Deutschland. Am vergangenen Wochenende sind am östlichen Sonnenhorizont mehrere besonders aktive Sonnenfleckenregionen erschienen. Zusammengenommen erreichen sie eine Größe, die mit der jener Sonnenfleckenregion vergleichbar ist, die der britische Astronom Richard Carrington am 1. September 1859 beobachtete und die zum stärksten Sonnensturm der letzten Jahrhunderte führte.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) beobachtet die Situation mit besonderer Aufmerksamkeit. Änderungen in der Sonnenaktivität und mögliche Auswirkungen auf das Weltraumwetter werden in Echtzeit analysiert, um Frühwarnungen und nötige Schutzmaßnahmen rechtzeitig zu ermöglichen, berichtet das DLR in einer Pressemitteilung.
Möglicher Ablauf in den kommenden Tagen
Die sogenannten „aktiven Regionen“ sind durch intensive, komplexe Magnetfelder gekennzeichnet und gelten in der Sonnenphysik als Hauptquellen von starken Sonneneruptionen – etwa Flares und koronalen Massenauswürfen. Mit dem Auftauchen der aktiven Regionen AR 4294, 4296 und 4298 und ihrer vergleichbaren Größe zur Carrington-Region steigen die Chancen auf Sonneneruptionen merklich.
Derzeit bewegen sich die Sonnenflecken von der Erde aus betrachtet auf die Mitte der Sonnenscheibe zu. Sollten in den kommenden Tagen starke Eruptionen auftreten, könnten diese – je nach Ausrichtung und Stärke – zumindest teilweise auf die Erde gerichtet sein. Dabei sähe der Ablauf typischerweise so aus: Zuerst kommt es zu einem hellen Sonnenflare mit starker Röntgen- und UV-Strahlung, der vor allem die Ionosphäre beeinflusst. Ein bis zwei Tage später könnte eine Plasmawolke folgen, die das Erdmagnetfeld streifen oder treffen könnte – mit der Gefahr eines geomagnetischen Sturms. Dann könnten bei klarem Himmel auch in Deutschland Polarlichter sichtbar werden.
Auswirkungen auf Technik und Infrastruktur
Ein Beispiel dafür, wie gravierend solche Sonnenstürme sein können, liefert das Carrington-Ereignis von 1859: Beim Nachzeichnen von Sonnenflecken entdeckt der Hobbyastronom Richard Carrington eine gewaltige Eruption auf der Sonne. Etwa 20 Stunden später traf der daraus resultierende geomagnetische Sturm die Erde – bis heute das stärkste wissenschaftlich beobachtete Weltraumwetterereignis. Polarlichter, die normalerweise auf die hohen nördlichen und südlichen Breiten begrenzt sind, wurden weltweit – selbst in Regionen nahe des Äquators – beobachtet. In Mitteleuropa und Nordamerika kam es zu massiven Störungen der damals vorhandenen Telegrafensysteme; in einigen Fällen sorgten induzierte Spannungen sogar für Brände.
Heute ist unsere Infrastruktur deutlich empfindlicher: Satelliten, Navigation (GPS), Kommunikation, Stromnetze und viele weitere Technologien könnten bei einem extrem starken Sturm empfindlich gestört werden.
Zuverlässige Beobachtungen und Vorhersagen
Das umfangreiche Spektrum der am Weltraumwetter beteiligten Vorgänge wird am DLR-Institut für Solar-Terrestrische Physik in Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern erforscht. Hier wird der Bogen gespannt von der Grundlagenforschung an den physikalischen Prozessen bis hin zu den anwendungsorientierten Konzepten zur Reduzierung der Auswirkungen auf anfällige Technologien. Das Ziel: durch zeitnahe, genaue und zuverlässige Beobachtungen und Vorhersagen die nationalen Infrastrukturen zu schützen und betroffene Industrien zu unterstützen.

