Wir waren beim Winzerdinner im Restaurant Terra und erlebten eine kulinarische Traumhochzeit zwischen fränkischem Wein und hiesiger regionaler Küche.
Vorreden sind aus der Mode gekommen. Bei Schriftstellern wie Erich Kästner sind sie noch eine wunderbare Einstimmung auf das, was kommt. Im Internet sind sie dagegen gar nicht »erlaubt«. Die SEO - Optimierung etwa schlüge an dieser Stelle des Beitrages bereits die »Hände über den Kopf« zusammen und verlangte nach den richtigen Schlagwörtern, kurzen Sätzen und Backlinks: Restaurant Terra, Wolfsburg, Autostadt, Winzerabend. Dabei schwirrt mir stattdessen eine kleine Begebenheit durch den Kopf. Vor einigen Jahren hatte ich ein ungewöhnliches geschäftliches Treffen. In Berlin und noch dazu an einem Ort mit klangvollem Namen. Dem Adlon. Man traf sich vor dem Frühstück im Schwimmbad des Hotels, um anschließend gemeinsam zu essen. Das ist nicht gerade die klassische Art, wie man sich einer Institution wie dieser nähert. Aber eine Eindrückliche. Ich übernachtete bei einem Freund, quälte mich durch die morgendlichen U-Bahnen und kam genervt an. Verwundert, weil man Schwimmbäder nicht unbedingt für strategische Gespräche kennt. Und doch wird mir dieser Vormittag nicht aus dem Sinn gehen. Denn obwohl nur Zaungast, wurde man behandelt, als sei man Stammgast. Hotels sind ohnehin Inseln im Meer des Alltäglichen. In ihnen herrschen andere Gesetze. Besondere Hotels lassen uns für einen Augenblick zu Bewohnern des legendären Utopia werden, in dem es alles das gibt, was wir uns sonst wünschen: Fürsorge, Geborgenheit und eine Leichtigkeit, die sich ergibt, wenn man die Last der Notwendigkeit wenigstens kurz abschütteln kann.
Prächtiger Empfang in Wolfsburg
Und mit dem kleinen Absatz soll es nun auch losgehen. Denn diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich nach einer kleinen Odyssee in Wolfsburg an einer Schranke in der Autostadt stehe. Bei der Adresse Restaurant Terra im Ritz Carlton, Parkstraße 1, führt das Navi zunächst direkt vor die Werkstore des Autoherstellers. Wenn man aber die Hinweise außer acht lässt und auf das Stadion zufährt in die Autostadt, dann erscheint das gewohnte grüne Hinweisschild für Hotels. Das »Ritz Carlton« ist natürlich über die Region hinaus Legende. Und für nicht wenige spielt das »Aqua«, in dem Sven Elverfeld so eine Art kulinarischer Ronaldo ist, in einer Liga, die man eher seltener ansteuert. Die Schranke auf dem Weg in den Hotelkomplex ist da fast schon symbolisch. Der nette Empfangsmensch, der den Weg freigibt, hebt dieses Gefühl jedoch gleich wieder auf. Freundliche, unkomplizierte Erklärungen. Man fahre den Weg einfach schnurstracks und werde dann in Empfang genommen. Auch zu Fuß lohnt sich diese kleine Straße mit Blick auf Wasserbassins und einer geschmackvoll angelegten Umrandung. Mit dem Auto wird man am Ende des Weges von livriertem Hotelpersonal begrüßt, das keine Miene über den in die Jahre gekommenen Redaktionspolo verliert. Gast ist Gast. Und die Vorfreude auf das Winzerdinner mit dem fränkischen Weingut Stahl steigt.
Im Restaurant Terra wird regional gekocht
Das findet nicht im Aqua statt. Seit September 2014 ist dem Element des Wassers das Pendant an die Seite gestellt. Das Terra öffnete seine Pforten und bietet seitdem Bodenständiges in gehobener Form an. Und dort gibt es seit einiger Zeit regelmäßig Winzerdinner. Regionale und saisonale Produkte stünden im Mittelpunkt dieses gastronomischen Projektes, erklärt mir Julius Hahn bei der Begrüßung. Hahn ist Pressesprecher des Ritz Carlton und wir nutzen die Zeit vor dem Essen noch, um den gastronomischen Teil des Hotels anzuschauen. Die Atmosphäre im Terra ist so, wie man sich das bei dem Namen vorstellt. Dunkle Töne, Holz überwiegt, ohne, dass das Licht fehlen würde. Dafür sorgt nicht zuletzt ein Panoramafenster, das einen atemberaubenden Blick freigibt. Das Wasser des Kanals funkelt in der Abendsonne. Kleine Inselchen mit frischem Grün geben farblichen Kontrast. Und im Hintergrund erhebt sich mit dem VW-Werk ein Stück Industriegeschichte. Das allein kann und sollte man erst einmal genießen. In der Mitte des Raumes züngelt das dritte Element, Feuer, in seiner gebändigten Form in einem gläsernen Kamin. Und das vierte tut sich mit dem Himmel am Fenster auf. Nach einem kurzen Empfang vor dem Restaurant strömen die Gäste langsam ein. Und es zeigt sich ein guter Querschnitt. Jüngere, Ältere. Meist Paare aber auch Freundeskreise. Alle in der Vorfreude auf das Besondere. Das Dinner gruppiert sich um die Weine des Winzerhofes Stahl. Der arbeitet seit geraumer Zeit mit dem Wolfsburger Ritz Carlton zusammen.
Weine und Essen mit Suchtfaktor
Gleich beim Empfang erkennt man den Charakter dieser »Weinmanufaktur«. Christian Stahl gehört zu der Garde junger Winzer, die sich nicht nur auf den Anbau, das Keltern und Vergären und Reifen des Rebensaftes verstehen. Sie vermitteln ein Lebensgefühl und sind dafür auch der beste Vermarkter. Dieser Sekt heißt Brause. Und Christian Stahl präsentiert sich nicht in modischem Outfit, sondern so, als käme er direkt aus dem Weinberg. Authentizität scheint bei ihm allerdings nicht als Marketinggag. Das Ganze wirkt stimmig. Die Begeisterung für seine Produkte echt. Stahl spielt semantisch mit seinem Namen und unkonventionellen Bildern. Gleich beim ersten Gang werden zwei Scheurebe-Weine zum Gurken Tartar serviert, die das deutlich machen. Damaszener Stahl – so heißt der Grundtyp seiner Weine. Und dann wird einmal ein 2014er Jahrgang mit dem Namen »Whiteout« ausgeschenkt und ein 2015er, der »Botenstoff« heißt. Guter Wein kann »süchtig« machen. Zumal, wenn er auf gutes Essen trifft. Mit der leichten Gurke kontrastiert eine würzige Selleriecreme und fein-bittere Radieschen geschmacklich. Von der Textur her kleine Weißbrotcroutons.
Das Terra steht auf eigenen Füßen
Das Terra, das neben dem Aqua ganz selbstständig ist und kein gastronomisches Anhängsel darstellt, führt auf seiner Karte wirklich alles an Zutaten auf, was es gibt. Geheimniskrämerei war gestern. Beim zweiten Gang, dem Saibling mit Radieschenragout, Radiechsen-Chip und Estragonöl sind das etwa noch Rapsöl, Thymian, Rosmarin, Knoblauch, Butter, Salz, Pfeffer, Muskat, Walnussöl und Senf. Während die Zunge den zarten Saibling schmeckt, der unter dem Radieschen-Chip wartet, geht allmählich die Sonne hinter dem Werk unter. Ohne, dass es gleich dunkel werden würde. Begleitend als Wein konkurriert ein erfrischender Weißburgunder mit dem netten Namen »Weißabgleich« mit einem Silvaner vom Sonnenstuhl. Beide Weine sind trocken und trotzdem fruchtig. Der Weißburgunder vielleicht etwas mineralischer. Der Silvaner mit einer besonders feinen Säure. Während man sonst bei Weinproben oder Menüs schnell einen Favoriten hat, fällt das hier schwer. Die Rolle wechselt bei uns am Tisch im Laufe des Gangs und bei mehrmaligen Probieren.
Vom Kalbrücken zum Rhabarber
Bis zur nächsten Runde, wo ein rosa gebratener Kalbsrücken gereicht wird. Saisonal passend dazu Spargel, der auf einem Salzbett im Ofen gegart wurde und ungewöhnlich fein und rund schmeckt. Dass er auf den Punkt gegart ist, verwundert nicht. Eher schon die geschmorte rote Zwiebel und die gegrillte Zitrone. Letztere nimmt, wenn man sie über den Spargel träufelt, die Säure der traditionell gereichten Butter auf. Die zwei Saucen zum Gericht löffelt man gern zu den Anna-Kartoffeln. Und auch hier fällt die Entscheidung wieder schwer. Der Chardonnay ist augenscheinlich der Favorit des Winzers. Aber der Sauvignon blanc, der als Zweimämmerwein firmiert, ist genauso gut. Die Fruchtnoten mag man benennen, wie man will, Pampelmuse vielleicht oder Stachelbeere. Ganz klar ist auch hier die wunderbare mineralische Note, die für die deutschen Weißweine so typisch ist. Bleibt am Ende ein süßer Abgang, der wiederum zur Jahreszeit passt. Zum Rhabarberkompott gibt es noch einen Sekt mit hausgemachten Holunderblütensirup, gleichsam ein fränkischer Hugo, wie Christian Stahl, der launig durch den Abend geführt hat, meint. Rhabarber ist ein kulinarischer Frühlingsbote und mit den Pistazienstreuseln, der Aniscreme und der feinen Vanillesauce, wird er zum Genuss.
Auf Wiedersehen im Alltag
Während Christian Stahl am Ende mit seinen Kindern von Tisch zu Tisch geht und nachschenkt, dämmert es bereits. Die Gäste sind ausgelassen, plaudern. Und nach dem Dinner, verspricht der Winzer, treffe man sich in der Bar. Hotels sind Inseln im Meer des Alltäglichen. Und selbst für einen einzelnen Abend. Die Winzerdinner im Terra sind jedenfalls eine gute Gelegenheit um sich ein paar Stunden Urlaub im Alltag zu gönnen, um dann, geerdet, wieder in den Alltag durchzustarten.