Wirtschaft am Abgrund: Regionale Konjunktur bricht weiter ein

Seit zwei Jahren hat sich die Geschäftslage der Unternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg kontinuierlich verschlechtert.

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Symbolfoto. | Foto: Pixabay

Region. Die Unternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg blicken mit großen Sorgen in die Zukunft. Unsicherheiten über die wirtschaftliche Entwicklung in der Automobilindustrie, die Verschärfung des Nahost-Konflikts, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit durch hohe Energie-, Rohstoff- und Personalkosten, Fachkräftemangel und zunehmende Bürokratie bei gleichzeitiger Absatzschwäche führen zu einem Einbruch der regionalen Konjunktur. Der IHK-Konjunkturklimaindikator ist im dritten Quartal 2024 um 19 Punkte auf einen Stand von 64 gefallen, wie sich aus dem gemeinsamen Konjunkturbericht der IHK Braunschweig und der IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) ergibt. Damit erreicht der Indikator, der die wirtschaftliche Entwicklung in der Region widerspiegelt, seinen schlechtesten Wert nach dem Ausbruch der Coronapandemie.



Seit nunmehr zwei Jahren hat sich die Geschäftslage der Unternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg kontinuierlich verschlechtert, wie aus der Analyse des Konjunkturverlaufs hervorgeht. Aktuell beurteilen nur noch 13 Prozent der befragten Unternehmen ihre Lage als gut, 7 Prozent weniger als im Vorquartal. Der Anteil an Unternehmen mit schlechter Geschäftslage hat erneut zugenommen – mittlerweile berichtet fast jedes dritte Unternehmen in der Region von schlecht laufenden Geschäften. Von einer zufriedenstellenden Geschäftslage berichten zurzeit noch 56 Prozent der Unternehmen. Auch die Geschäftserwartungen der regionalen Wirtschaft in den kommenden zwölf Monaten fallen pessimistischer aus. So gehen im Herbst nur noch 34 Prozent der Unternehmen von einem gleichbleibenden und 8 Prozent von einem besseren Geschäftsverlauf aus. Mit 58 Prozent rechnet die überwiegende Mehrheit mit einer ungünstigen Entwicklung.

Viele Branchen betroffen


Von dem deutlichen konjunkturellen Abschwung sind alle Wirtschaftsbranchen erfasst – allen voran der Großhandel und die die Wirtschaft in der Region prägende Industrie. Der Konjunkturklimaindikator für den Großhandel ist mit 26 Punkten am stärksten gefallen, auf einen Wert von 43. Der Klimaindikator für die Industrie ist auf einen Tiefstand von 62 eingebrochen – aufgrund gesunkener Auftragsvolumina werden in der heimischen Industrie negative Auswirkungen in der aktuellen Geschäftslage sichtbar. Außerdem bereiten der Transformationsprozess in der Automobilindustrie, eine weiterhin verringerte Nachfrage sowie geopolitische Krisen den Industriebetrieben zunehmend Sorge. Die derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lassen zudem eine weitere Verschlechterung der Konsumstimmung befürchten, sodass der Konjunkturklimaindikator für den Einzelhandel auf 57 Punkte gesunken ist. Eine gesunkene Nachfrage belastet zuletzt auch die Dienstleistungskonjunktur, die einen Indikatorstand von 78 vorzuweisen hat.

„Die gesunkene Auslandsnachfrage und die Konsumschwäche im Inland treffen die Unternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg mit voller Wucht“, kommentiert Michael Zeinert, Hauptgeschäftsführer der IHK Lüneburg-Wolfsburg, die aktuellen Konjunkturergebnisse. „Um die Investitionsbereitschaft zu beflügeln, brauchen wir jetzt endlich eine verlässliche und wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik, damit die Unternehmen international wettbewerbsfähig bleiben. Oberste Priorität haben spürbare Entlastungen bei Energiekosten, Steuern und Bürokratie sowie eine Beschleunigung bei Planungs- und Genehmigungsverfahren“, so Zeinert.

Autoland Niedersachsen auf der Kippe


Die Wichtigkeit der Automobilwirtschaft für Niedersachsen zeigt sich vor allem an der Bedeutung für Arbeitsplätze und Investitionen: Während in Deutschland im Durchschnitt rund 13 Prozent der Beschäftigten des verarbeitenden Gewerbes im Fahrzeugbau tätig sind, sind es in Niedersachsen knapp 22 Prozent. Der Anteil der Automobilindustrie an allen Investitionen der Wirtschaft liegt bundesweit bei knapp 23 Prozent – in Niedersachsen sind es rund 41 Prozent. „Niedersachsen ist Autoland und muss es auch bleiben. Für die Wende hin zu klimaneutralen Antrieben braucht es eine flächendeckende und leistungsfähige Ladeinfrastruktur, marktgängige Fahrzeugmodelle, niedrigere Energiepreise und nicht zuletzt freie Märkte anstatt neuer Handelsbarrieren“, sagt der IHKLW-Chef.

Dr. Florian Löbermann, Hauptgeschäftsführer der IHK Braunschweig, macht deutlich: „Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in Verbindung mit einer Verbesserung der Standortbedingungen für unsere Unternehmen muss vordringliches Ziel der Politik sein. In diesem Rahmen benötigen wir mehr öffentliche Investitionen in die Verkehrs- und Energieinfrastruktur sowie in Forschung und Entwicklung.“ Gleichzeitig müssen die Anstrengungen von EU und Bund beim Bürokratieabbau verstärkt werden. „Mit dem Ende September beschlossenen Vierten Bürokratieentlastungsgesetz ist ein erster Schritt erfolgt, dem weitere folgen müssen. Zu begrüßen sind auch die Vorschläge des früheren EZB-Chefs Mario Draghi zum EU-Bürokratieabbau, nach denen neue Vorschriften systematisch überprüft und auf Vereinfachungspotenzial untersucht werden sollen. Aufgrund der anhaltenden wirtschaftlichen Herausforderungen ist die Umsetzung des angekündigten Abbaus von Berichtspflichten für Unternehmen dringend“, so Dr. Löbermann.


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