Besuch aus Belgien: Angehörige von NS-Opfern in Wolfenbüttel

von Jan Borner


Die belgischen Besucher legen einen Kranz an der Stelle nieder, wo früher die  Guillotine stand. Fotos: Jan Borner
Die belgischen Besucher legen einen Kranz an der Stelle nieder, wo früher die Guillotine stand. Fotos: Jan Borner | Foto: Jan Borner



Wolfenbüttel. 52 Namen wurden am gestrigen Montagnachmittag im damaligen Hinrichtungssaal in der Gedenkstätte der JVA verlesen. Es waren die Namen belgischer Gefangener, die während des zweiten Weltkrieges in Wolfenbüttel, in eben diesem Raum hingerichtet wurden. Verlesen wurden die Namen von einer Gruppe belgischer Besucher, unter denen auch Angehörige der in Wolfenbüttel ermordeten Gefangenen waren.

Für die Atmosphäre der Gedenkstätte ist es ein wichtiger und ebenso bedrückender Faktor, dass sie inmitten einer noch immer intakten Justizvollzugsanstalt steht. Nähert man sich den Räumen der Gedenkstätte, so werden auf dem Weg dorthin Türen immer wieder auf und zu geschlossen. Wächter folgen einem auf Schritt und Tritt und ist man einmal drin, so kommt man ohne Hilfe der Angestellten auch nicht mehr raus. Eine bedrückende Erfahrung, die einem dem Thema der Gedenkstätte allerdings umso näher bringt. So ähnlich müssen es auch die Besucher aus Belgien erfahren haben, die am gestrigen Montagnachmittag in der JVA ankamen. Bei der Gruppe handelt es sich um Angehörige von Gefangenen aus Belgien, die während des Zweiten Weltkrieg in Konzentrationslagern und Strafgefängnissen in Deutschland gefangenen gehaltenen wurden. Darunter befand sich auch ein Angehöriger eines belgischen Gefangenen des Strafgefängnisses Wolfenbütten, wo während des zweiten Weltkrieges mindestens 229 Belgier gefangen gehalten und 52 hingerichtet wurden.

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Die Besucher bekamen außerdem einen Einblick in das zurzeit leerstehende Haus 1 der JVA. Foto: Jan Borner



Bei den Besuchern handelte es sich um eine Generation, die noch sehr direkt mit den Folgen des Krieges verbunden ist. Oft waren es die eigenen Väter, die in Deutschland hingerichtet wurden und den Krieg haben die meisten der Gäste noch selbst als Kinder miterlebt. Diese Verbundenheit konnte man spüren, als im ehemaligen Hinrichtungshaus die Ruhe eintrat und nur ein Name nach dem anderen durch den mittlerweile leeren Raum schallte. Da, wo früher die Guillotine stand, wurde nun ein Kranz abgelegt. Ein Kranz, der deutlich macht: "Wir denken noch an euch". Manchmal sind Namen eben doch mehr als Schall und Rauch. Solange jemand da ist, der sie noch hört. Auf die Frage, warum sie sich entschieden habe, mit 84 Jahren die Reise durch Deutschland auf sich zu nehmen, antwortete ein Mitglied der Gruppe mit einer überraschenden Selbstverständlichkeit: "Parce que c'est mon devoir!" - "Weil es meine Pflicht ist".

Direkt im Anschluss an den Besuch der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel fuhr die Gruppe weiter nach Buchhorst in Braunschweig, wo ein Angehöriger eines Mitgliedes der Gruppe erschossen wurde. Danach ging es weiter zur Gedenkstätte in Bergen-Belsen.


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