[image=5e1764c7785549ede64ccea4]Der Niedersächsische Justizminister Bernd Busemann hat sich dagegen ausgesprochen, eine besondere berufliche oder sonstige Qualifikation für Betreuerinnen oder Betreuer festzulegen. „Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) geht davon aus, dass grundsätzlich jeder ohne formelle Qualifikation in der Lage ist, eine Betreuung zu führen, also die Angelegenheiten eines anderen zu regeln, der dieses selbst nicht kann“, sagte Busemann heute in Hannover.
Schließlich gehe es um die Frage der individuellen Eignung, die dann auch einzelfallbezogen zu bewerten sei. „Ob eine Person als Betreuerin oder Betreuer geeignet ist, hängt davon ab, für welchen Aufgabenkreis eine Betreuung anzuordnen ist. Die Eignung sollte sich daher an den konkreten Anforderungen der einzelnen Betreuung ausrichten und nicht an abstrakten Kriterien“, bekräftigte Busemann.
Von den jeweiligen Betreuungsbehörden würden in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Betreuungsverein und der Volkshochschule zahlreiche Fortbildungen zur Gesundheitssorge, zur Vermögenssorge sowie zu rechtlichen Themen angeboten. Vielfach schließe sich den Vorträgen eine fachliche Diskussion an. Darüber hinaus böten einige Amtsärztinnen oder Amtsärzte und Psychiaterinnen oder Psychiater der Gesundheitsämter bedarfsorientierte Fortbildungen an. In diversen Arbeitskreisen, Workshops, Stammtischen und ähnlichem finde ein regelmäßiger Austausch über die Fragen und Erfahrungen statt, die sich aus der Betreuungsarbeit ergeben. Es werden jährlich sogenannte „Betreuertage“ organisiert.
„Seit dem Jahr 2000 bis 2010 ist die Zahl der am Jahresende vor niedersächsischen Gerichten anhängigen Betreuungsverfahren um rund 35.000 von 102.747 auf 137.702 gestiegen. 1992 waren es gerade einmal 66.335 Verfahren. Das macht deutlich, dass die demografische Entwicklung uns verstärkt fordert. Der Einsatz von Menschen, die ehrenamtlich oder beruflich die rechtliche Betreuung von Mitbürgern übernehmen, die ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können, hat einen besonderen Wert für unser gesellschaftliches Zusammenleben“, betonte Busemann.
Zu Recht habe die Justizministerkonferenz eine Arbeitsgruppe mit einem Bericht zur Situation der Betreuung beauftragt, dessen Ergebnisse in ein Bundesgesetz münden sollen. „Dabei soll es vor allem darum gehen, dem Vorrang der ehrenamtlichen Betreuung mehr Geltung zu verschaffen“, machte Busemann deutlich. In Niedersachsen seien 2010 mehr als 15.000 Familienangehörige als erstbestellte Betreuerin oder Betreuer tätig gewesen. Im Jahr 2000 waren dies nur knapp über 13.000. Die Zahl der sonstigen Ehrenamtlichen nahm dagegen im gleichen Zeitraum von 2.112 auf 1.645 ab. „Schon deshalb bin ich sehr froh, dass es auf Initiative des Niedersächsischen Justizministeriums gelungen ist, die ehrenamtlichen rechtlichen Betreuerinnen und Betreuer steuerlich den Übungsleitern in Sportvereinen wenigstens gleichzustellen. „Der künftig auf 2.100 Euro jährlich erhöhte Steuerfreibetrag für die ehrenamtlichen Betreuer wirkt auch den steigenden Ausgaben für Berufsbetreuungen entgegen und baut Bürokratie ab. Zugleich haben wir damit ein klares Signal gesetzt, wie wichtig dem Gesetzgeber das bürgerschaftliche Engagement für die Schwachen in unserer Gesellschaft ist“, stellte Busemann fest. Die Zahl der zuerst bestellten Berufsbetreuer stieg von 4.173 im Jahr 2000 auf 6.806 in 2010, davon 932 Rechtsanwälte. Hinzu kämen noch 1.632 Vereinsbetreuer und 28 Behördenbetreuer. Die Gesamtkosten für die rechtliche Betreuung hätten sich von 1992 bis 2010 von 521.109 Euro auf zuletzt 69.658.736 Euro vervielfacht.
In Niedersachsen werden die Aufgaben der Betreuungsbehörden derzeit durch die acht kreisfreien Städte Braunschweig, Salzgitter, Wolfsburg, Delmenhorst, Emden, Oldenburg, Osnabrück, und Wilhelmshaven, die Stadt Göttingen sowie 35 Landkreise und die Region Hannover wahrgenommen. Die durchschnittliche Belastung der kommunalen Haushalte durch die Betreuungsverfahren betrug 181.561 Euro im Jahr 2010 und 165.020 Euro in 2011. Landesweit seien 45 Betreuungsvereine tätig, die 2010 mit 872.425 Euro und 2011 mit 899.994 Euro vom Land gefördert wurden.
Als weitere Betreuungsbehörde werde künftig das Landesamt für Soziales, Familie und Jugend tätig werden können. 24 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die fast alle bereits jetzt ehrenamtlich als Betreuerinnen und Betreuer aktiv seien, könnten nach einem gemeinsamen Gesetzentwurf des Justizministeriums, des Innenministeriums und des Sozialministeriums zur Änderung des Betreuungsgesetzes diese Aufgabe künftig auf einer rechtlich gesicherten Grundlage weiterführen.
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