Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert eine Agenda 2020, mit der die notwendigen Reformen und die Neuausrichtung unserer Gesellschaft eingeleitet werden. "Wie bei der Energiewende brauchen wir ein komplettes Umsteuern, um den Weg aus dem Schuldenstaat zu finden und notwendige Investitionen in moderne Infrastrukturen tätigen zu können", sagte DStGB-Hauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg heute.
Die Reformen müssen dazu beitragen, dass der Sozialstaat dauerhaft finanzierbar bleibt und zukunftsfest wird. Dr. Landsberg forderte die Bundesregierung auf, noch in dieser Legislaturperiode eine unabhängige Sachverständigenkommission zur Reform der sozialen Leistungen einzusetzen.
"Nach der Verabschiedung des Fiskalpaktes, der Bund, Länder und Gemeinden dazu zwingt, ab 2014 diese neue Superschuldenbremse einzuhalten, dürfen wir nicht zur Tagesordnung übergehen. Wir brauchen eine grundlegende Reform des Sozialstaates, weil in einer alternden Gesellschaft nicht immer weniger Junge für immer mehr Ältere auch noch bessere Sozialleistungen erwirtschaften können", sagte Dr. Landsberg.
Deutschland hat hier die Chance, Vorbild für die anderen Europäischen Staaten zu werden. Wir sind zwar europäischer Stabilitätsanker, obwohl auch Deutschland mit über 2 Billionen Euro verschuldet ist, aber unser Sozialstaat ist noch nicht zukunftsfest. Jetzt muss die Zusage der Bundesregierung angegangen werden, die Eingliederungshilfe für Behinderte (13,9 Mrd. Euro pro Jahr) zu reformieren, in ein Bundesleistungsgesetz zu überführen und damit die Kommunen von dieser gesamtstaatlichen Verantwortung zu entlasten.
Das allein reicht aber nicht. Allein die Verschiebung der Kosten zwischen den föderalen Ebenen macht den Sozialstaat nicht zukunftsfest. Der große Strauß sozialer Leistungen muss neu geordnet, auf die wirklich Bedürftigen konzentriert, entbürokratisiert und transparent gestaltet werden. So gibt es zum Beispiel über 152 familienpolitische Leistungen in unterschiedlichster Höhe und Zielrichtung mit einem Gesamtvolumen von 123 Mrd. Euro pro Jahr. Hinzu kommen ehebezogene Leistungen von 73 Mrd. Euro. Hunderte von Familienkassen sind in die Auszahlungsvorgänge eingebunden. Ein lang angekündigtes Gutachten zur Wirkungsweise dieser Leistungen ist bis heute nicht vorgelegt worden. Mit dem Betreuungsgeld wird gerade eine weitere Feder in den Strauß aufgenommen und gleichwohl wird stets die zunehmende Verschlechterung der Situation von Kindern beklagt.
Auch bei der Hilfe für Menschen, die ihren Wohnraum nicht angemessen finanzieren können, gibt es einerseits die Unterkunftskosten, die Kommunen und Bund finanzieren und andererseits das Wohngeld, welches nach anderen Kriterien bewilligt und von Bund und Ländern finanziert wird.
Diese riesigen Reformbaustellen müssen jetzt aufgearbeitet, gewichtet und von einer unabhängigen Kommission bewertet und damit Reformvorschläge unterbreitet werden. Wegen der Vielzahl der Beteiligten, der Einbindung aller staatlichen Ebenen, ist eine grundlegende und neutrale Vorbereitung rechtzeitig vor der nächsten Legislaturperiode unverzichtbar. Vorbilder sind insoweit die Kommissionen zur Vorbereitung der Arbeitsmarktreformen und zur Novellierung des Zuwanderungsrechts. So wie Deutschland durch die Arbeitsmarktreformen seine Wettbewerbsfähigkeit vehement gesteigert hat, kann auch eine solche Sozialstaatsreform Vorbild für ein europäisches Modell des Sozialstaates werden.
Aus Sicht des DStGB muss das Reformwerk einen wichtigen Beitrag leisten, dass die Eigenverantwortung und Eigenvorsorge gestärkt werden und dass es einen Vorrang für Investitionen zum Beispiel in Bildung, vor höheren Transferleistungen gibt. Auch ausländische Erfolgsmodelle, zum Beispiel in der Familienpolitik der skandinavischen Länder, sollte hier berücksichtigt und gewichtet werden.
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