Deutscher Tierschutzbund: "Bundesregierung versagt beim Schutz von Zootieren"




14 deutsche Tier- und Naturschutzverbände fordern die Bundesregierung auf, die Mindeststandards für die Haltung von Wildtieren erheblich zu verbessern. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat einen Entwurf für neue Haltungsvorgaben vorgelegt, der nach Ansicht der Verbände bei vielen Arten nicht einmal ein Mindestmaß an artgerechter Haltung sicherstellt. „Wir fordern, dass die Tierhaltung in allen Zoos so verbessert wird, dass sie im Einklang mit dem Tierschutzgesetz ist. Der derzeitige Vorschlag ist dafür allerdings in weiten Teilen unzureichend“, kritisiert James Brückner vom Deutschen Tierschutzbund, der als Sachverständiger an der Erarbeitung des Entwurfs mitgewirkt hat.

Mehr als zwei Jahre lang hat eine Arbeitsgruppe im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) neue „Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren“ erarbeitet. Das so genannte Säugetiergutachten soll in Zoos und ähnlichen Einrichtungen, wie auch in Privathand, eine verhaltensgerechte Wildtierhaltung gewährleisten. Die drei Tierschutzvertreter, die an dem Gutachten unmittelbar mitgearbeitet haben sowie 14 weitere Tier- und Naturschutzverbände lehnen den jetzt vom BMELV zur Kommentierung veröffentlichten Entwurf jedoch einhellig ab.

Die Elefantenhaltung ist eines von vielen Beispielen dafür, dass das Wohl der Tiere bei diesem Entwurf nachrangig ist: Experten sind sich einig, dass ein intaktes Familiengefüge sowie ausreichend Bewegung und Beschäftigung unerlässlich für Gesundheit und Wohlergehen der intelligenten Dickhäuter ist. Der Entwurf genehmigt jedoch eine Haltung auf engstem Raum sowie tägliches Anketten. Anstatt intakte Sozialstrukturen einzufordern, lässt der BMELV-Entwurf zu, dass auch zukünftig Elefantenkühe von ihrer Mutter und männliche Tiere bereits im Kleinkindalter von ihrer Familie getrennt werden können. Viele Tierarten können weiterhin auf engstem Raum regelrecht eingepfercht werden: So dürften 20 Rhesusaffen oder 2 Leoparden auf je gerade einmal 10x10 Metern oder weniger gehalten werden. Einem Luchs, als größter europäischer Katzenart, wird gerade einmal die Hälfte davon zugestanden, so dass den Tieren kein adäquater Lebensraum zur Verfügung steht. Auch bei der Delfinhaltung wird der Entwurf den bestehenden Missständen in deutschen Delfinarien, die unter anderem in hoher Sterblichkeit und der Behandlung mit Psychopharmaka zur Verhaltenskontrolle resultieren, nicht gerecht. An der Haltung in den beiden verbliebenen Delfinarien in Deutschland wird sich mit dem Entwurf de facto nichts ändern.

„Der Vorschlag des BMELV ignoriert bei vielen Tierarten die Vorschläge von Tierschutzseite und entspricht längst nicht dem aktuellen Wissensstand. Stellungnahmen von unabhängigen Fachleuten und wissenschaftliche Veröffentlichungen blieben ebenso unberücksichtigt wie die internen Haltungsrichtlinien der europäischen und weltweiten Zooverbände EAZA und WAZA. Von Experten empfohlene Mindestgehegegrößen wurden zum Teil mehr als halbiert. Egal ob Gorillas, Wölfe, Flusspferde oder Kängurus, der deutsche Entwurf bleibt bei vielen Arten weit hinter dem zurück, was in unseren Nachbarländern Österreich oder Schweiz als Minimum vorgeschrieben ist“, so Gutachter Torsten Schmidt vom Bund gegen den Missbrauch der Tiere.

Die Verbände fordern auch, Zoos zu einer verantwortungsvollen Zucht zu verpflichten. Die vom Verband Deutscher Zoodirektoren (VDZ) propagierte Tötung „überzähliger“ Jungtiere wird durch den Entwurf nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Dies widerspricht dem geltenden Tierschutzgesetz und der Rechtsprechung deutscher Gerichte, die eine Tötung solcher Tiere ohne vernünftigen Grund eindeutig abgelehnt haben. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass das BMELV lediglich ein Gutachten zur Orientierung und keine rechtsverbindliche Verordnung verabschieden will, obwohl auch einige Bundesländer eine Verordnung favorisieren. Zudem machen viele, teils schwammige Formulierungen im Gutachten bestimmte Vorgaben in der Praxis unbrauchbar. Bei manchen Tierarten sollen Ausnahmeregeln die Zoos vor der Pflicht zu dringend notwendigen Modernisierungen entbinden. „Es fällt auf, dass besonders bei Tierarten wie Elefanten oder Menschenaffen, bei denen der Gehegeumbau kostspielig wäre, ein Bestandsschutz gelten soll. Ein Beispiel von vielen, bei dem das BMELV offenbar dem Druck der Zoovertreter nachgegeben und den Tierschutz wirtschaftlichen Interessen geopfert hat. Der Anforderung, die Tierhaltung in Zoos in Einklang mit dem Tierschutzgesetz zu bringen, wird das BMELV so nicht gerecht“, so Laura Zimprich, die für animal public an der Überarbeitung mitwirkte.

„Es geht uns nicht darum, die Zoos zu schließen, aber den Tieren müssen adäquate Haltungen zugesichert werden. Der vom BMELV vorgelegte Entwurf ist völlig unzureichend und muss deutlich nachgebessert werden. Die Tierschutzseite kann dem Entwurf in seiner derzeitigen Form daher nicht zustimmen“, so das Fazit der drei von Tierschutzseite berufenen Gutachter.


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