Wolfenbüttel. Wenn die Eltern überfordert oder erst gar nicht dazu im Stande sind, ihre Kinder zu versorgen und zu erziehen, dann übernehmen häufig Pflegefamilien eine kurzzeitige oder auch längerfristige Verantwortung für das Kind. Derzeit gibt es im Landkreis Wolfenbüttel 110 Pflegekinder, die in 61 Pflegefamilien, bei Paaren oder bei alleinerziehenden Pflegeeltern leben. Der Pflegekinderdienst im Landkreis Wolfenbüttel ist als Teil des Jugendamtes zentrale Anlaufstelle, um Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien zu vermitteln. Es werden weiterhin Freiwillige gesucht. Dies teilt der Landkreis mit.
Im Fokus ist derzeit die familiäre Bereitschaftspflege: Hier werden Kinder untergebracht, die sehr kurzfristig aufgrund einer Krisen- oder Notsituation ihre Herkunftsfamilie verlassen müssen. "Dies ist eine besondere, auch emotionale Herausforderung für die aufnehmende Bereitschaftspflegefamilie. Mit dem Ehepaar Krüger hört die letzte Bereitschaftspflegestelle im Landkreis auf. Der Pflegekinderdienst sucht dringend geeignete Familien oder Einzelpersonen, die sich in der Bereitschaftspflege engagieren möchten", so der Landkreis.
Beispiel für engagierte Pflegeeltern
Während der vergangenen 40 Jahren haben Renate und Reinhard Krüger aus Haverlah (Samtgemeinde Baddeckenstedt) sich um 54 Pflegekinder gekümmert. In den ersten 20 Jahren haben sie vier Kinder nach Vermittlung des Landkreises adoptiert oder in Dauerpflege betreut und im eigenen Haushalt aufwachsen sehen. In den vergangenen beiden Jahrzehnten kümmerten sie sich als Bereitschaftspflegefamilie um besonders dringende Fälle – jederzeit konnte ein Anruf des Pflegekinderdienstes erfolgen. „Eine Benachrichtigung erfolgte mit einer Vorlaufzeit von einer Stunde bis zu einem Tag. Das hieß für uns, sehr spontan zu sein. Die Kinder waren wenige Tage alt oder auch fast volljährig. Sie blieben zwei Tage oder auch dreizehn Monate bei uns“, erklärte das Ehepaar. Beide stellen fest: „Wir haben es mit ganzem Herzen gemacht und möchten die Erfahrungen nicht missen.“
Bereitschaftspflegefamilien gesucht: Renate und Reinhard Krüger (3.u.4.v.l.) haben 54 Kinder als Dauer- und Bereitschaftspflegefamilie betreut. Da sie altersbedingt aufhören, möchten sie andere dazu motivieren, sich in der Bereitschaftspflege zu engagieren. Mit dabei: Ariane Kurze (1.v.l., Teamleitung Pflegekinderdienst), Sozialdezernent Bernd Retzki (2.v.l.), Frank Alpert (5.v.l.,Abteilungsleitung Jugend- und Erziehungshilfe), Anna-Lena Achilles (6.v.l., Mitarbeiterin Pflegekinderdienst). Foto: Landkreis Wolfenbüttel
Hilfreich sei die gute Zusammenarbeit und enge Abstimmung mit dem Pflegekinderdienst gewesen. Der Pflegekinderdienst ist Ansprechpartner und Berater in allen Belangen. Er steht den Pflegeeltern bei pädagogischen, rechtlichen und psychologischen Fragen zur Seite. Regelmäßig werden für Pflegeeltern Fortbildungen angeboten, eine Grundausstattung an Kleidung und Windeln wird ebenso durch den Landkreis gestellt. Zudem gibt es eine finanzielle Zuwendung für die die Übernahme der Betreuungsleistung.
„Stützen der Gesellschaft“
Während Reinhard Krüger in Vollzeit als Elektroingenieur arbeitete, blieb Renate Krüger zu Hause. Ihre Ausbildung zur Erzieherin war sehr hilfreich, aber keine Voraussetzung, um die Bereitschaftspflege zu übernehmen. „Menschen wie die Familie Krüger sind die heimlichen Stützen unserer Gesellschaft, ohne Menschen wie sie würde unsere Gesellschaft zusammenbrechen“, sagte Sozialdezernent Bernd Retzki zum Engagement der Krügers.
Pflegefamilien ermöglichen Geborgenheit und Ruhe für Kinder
Der Landkreis Wolfenbüttel möchte Kinder und Jugendliche in akuten Krisensituationen vorzugsweise in Bereitschaftspflegefamilien unterbringen. „Der Landkreis möchte vermeiden, Säuglinge und Kleinkinder in Heimeinrichtungen unterzubringen. Besonders für die kleineren Kinder ist eine Unterbringung in Jugendhilfeeinrichtungen mit häufig wechselndem Personal im Schichtdienst nicht wünschenswert. Vor allem Säuglinge und Kleinkinder benötigen viel Zuneigung, Ruhe und Geborgenheit in einer Familie“, erklärt Ariane Kurze, Teamleitung des Pflegekinderdienstes im Landkreis Wolfenbüttel. Das sei allerdings nicht mehr so leicht – bei immer mehr Familien und Paaren gehen beide Partner einer Arbeit nach, die notwendige Flexibilität für die Bereitschaftspflege ist so nicht möglich.
Emotionale Herausforderungen
Auch emotional wird viel verlangt, für Kind und Bereitschaftspflegefamilie ist es stets ein neues sich aufeinander einlassen. Die Bereitschaftspflege bietet Kindern Schutz und Geborgenheit für die Zeit, bis eine Rückführung zu den Eltern erfolgt oder eine geeignete Vollzeitpflegestelle gefunden wird. In der Regel verbleibt ein Kind wenige Wochen bis einige Monate in der Bereitschaftspflegefamilie.
Die aufnehmenden Familien müssen sich durch Empathie und ein hohes Maß an Flexibilität auszeichnen. Sie integrieren das Kind in ihre eigene Familie und ihren Alltag. Bereitschaftspflegeeltern bieten den Kindern ein "Zuhause auf Zeit". Pflegekinder möchten, wie andere Kinder auch, spielen, toben, lernen und kuscheln. Sie sind unterschiedliche Persönlichkeiten mit Stärken, Vorlieben und Abneigungen. Aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen müssen sie oft wichtige soziale und emotionale Entwicklungen nachholen – das ist für alle Seiten nicht immer leicht. Sie brauchen daher jemanden, der verlässlich für sie da ist und für sie sorgt. Was sie mehr als andere Kinder benötigen ist Zuwendung, Liebe, Fürsorge, Respekt, Grenzen und ein stabiles Umfeld, um sich gut zu entwickeln und selbst Stabilität zu erreichen.
Voraussetzungen für die Aufnahme eines Pflegekindes
Wer Pflegemutter oder Pflegevater werden möchte, muss bestimmte Kriterien erfüllen. Neben der persönlichen Eignung und einem Wohnsitz im Landkreis Wolfenbüttel, sind dies auch die gesundheitliche, wirtschaftliche und Wohnsituation, sowie formale Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen.
Verheiratete, unverheiratete und gleichgeschlechtliche Paare, sowie Alleinlebende mit und ohne Kinder können sich um die Aufnahme eines Pflegekindes bewerben.
Um das Kind erfolgreich in die Pflegefamilie einbinden und integrieren zu können, sollen die Pflegeeltern nach Möglichkeit über Erfahrungen im Umgang mit Kindern sowie Geduld und Belastbarkeit verfügen.
Wer sich besonders für den Bereich der Bereitschaftspflegefamilie interessiert, muss über ein besonderes Maß an Flexibilität, Geduld und Belastbarkeit verfügen, da Bereitschaftspflegefamilien spontan und häufig nicht planbar eingesetzt werden. Zusätzlich zu der Betreuung sind viele weitere Termine, etwa Arztbesuche, Termine im Jugendamt, Umgangskontakte mit den leiblichen Eltern zu leisten.
Kontakt und Information:
Der Pflegekinderdienst vereinbart vereinbart auch unverbindliche Informationsgespräche. Der Pflegekinderdienst ist telefonisch unter der Rufnummer 05331 84 160 oder per E-Mail an pflegekinderdienst@lk-wf.de erreichbar.
Weitere Informationen gibt es unter www.lkwf.de/pflegekinder
mehr News aus Wolfenbüttel