[image=5e1764c5785549ede64cce57]Der Hamburger Propst Horst Gorski hat am heutigen Montag vor der Synode in Timmendorfer Strand den Kundgebungsentwurf für das diesjährige Schwerpunktthema eingebracht. Der Entwurf der Kundgebung trägt den Titel: „Am Anfang war das Wort“ – Perspektiven für das Reformationsjubiläum 2017“.
Gorski, der als Vorsitzender des Vorbereitungsausschusses sprach, legte seiner Eingebung die biblische Passage des Fischzug des Petrus aus dem Lukasevangelium zugrunde: „Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen. Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen.“ (Lukas 5, 5.6)
Gorski machte deutlich, dass die Nachfolge Christ mit einem Wagnis beginne: „Ein Wagnis bringt die Wende: ,aber auf dein Wort...‘. Simon Petrus und die anderen Fischer vertrauen dem Wort Jesu. Das ändert alles. Den Fang, den Tag, das Leben.“ Christinnen und Christen seien zu allen Zeiten dieses Wagnis eingegangen: „Auf nichts anderes zu vertrauen als auf Jesus Christus und sein Wort“, so der Propst.
Dann zog der Vorsitzende eine Parallele zur berühmten ersten These der 95 Thesen Martin Luthers von 1517 („Da unser Herr und Meister Jesus spricht: ‚Tut Buße’ usw. (Matth. 4,17), hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll“). Martin Luther habe an seiner Kirche gelitten, denn: „Fromme Übungen formelhaft abzuleisten oder Gnade durch den Kauf von Ablassbriefen zu erlangen, erkennt Luther als Irrweg. Gottes Liebe kann nicht käuflich sein.“ Mit dem Ruf zur Buße habe Luther eine „gewaltige Befreiungsbewegung“ angestoßen, und „geborgen in Gottes Liebe wird der Mensch frei von sich selbst, frei für Gott und den Nächsten, frei zur Hoffnung für das Leben.“
Vielfach haben Menschen erfahren, dass Umkehr möglich ist, dass sich neue Freiräume eröffnen, wenn sie Gottes Wort hören und die Netze neu auswerfen. Das von Martin Luther wiederentdeckte Evangelium mache die Menschen frei, „zu glauben, zu hoffen und zu lieben“, so Gorski weiter. Der Alltag aber, so der Propst, sei die „Herausforderung für den Glauben“. Die verschiedenen reformatorischen Strömungen hätten auf „unterschiedliche Weise“ ein „entschiedenes Ethos alltäglicher Bewährung“ hervorgebracht. Die Diakonie in Unternehmen, Werken und in den Kirchengemeinden, so Gorski, lege davon ein eindrucksvolles Zeugnis ab.
Anknüpfend an die 1. Frage des Heidelberger Katechismus („Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? Dass ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben, nicht mir, sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre. Er hat mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden vollkommen bezahlt und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöst“) illustrierte der Vorsitzende die zentrale Frage des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Reformation, die da lautete: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“
Die Antwort fanden die Reformatoren damals in der Erkenntnis, dass niemand aus eigener Kraft selig werden könne. Gorski: „In der Mitte der Theologie aller Reformatoren steht das ,pro me‘ – das ,für mich‘. Die Entdeckung, dass Christus gerade ,für mich‘ gestorben und auferstanden ist, ist für die Reformatoren die Antwort auf ihre zentrale Frage: Nur weil Gott uns unser Scheitern und unsere Schuld vergibt, kann unser Leben mit Gott und mit sich selbst versöhnt werden.“
In Bezug auf die Situation des modernen Menschen konstatierte der Vorsitzende: „Die Frage nach der Versöhnung ist geblieben, auch wenn ihr Gewand anders aussieht. Heute wird sie als Suche nach dem Sinn des Lebens formuliert, als Suche nach Verwirklichung von Sehnsüchten und Lebenszielen.“ Die Erfahrung aber sei die gleiche geblieben, nämlich: „Das Leben bleibt Fragment. Das perfekte Leben gibt es nicht. Und den Sinn seines Lebens kann sich niemand selbst aus eigener Kraft geben.“ Die Botschaft von Kreuz und Auferstehung, so Gorski, werfe vor dem Horizont der Ewigkeit Licht auf die dunklen und unversöhnten Seiten des menschlichen Lebens.
Dabei sei das christliche Grundmotiv des Versöhnungshandelns Gottes im Kreuzestod Jesu „niemals selbsterklärend gewesen“, viel mehr, so Gorski, wecke es in vielen Menschen Zweifel und Fragen, denn: „Schon in der Bibel sind unterschiedliche Deutungen des Todes Christi angelegt, sie umkreisen alle das eine Geheimnis des Gnadenwillens Gottes in Jesus Christus. Die Lutherdekade und die Vorbereitung des Reformationsjubiläums 2017 verstehen wir als Chance, an diesem zentralen Thema gemeinsam weiterzuarbeiten, und laden alle Christen, gleich welcher Konfession ein, um seine Aktualisierung zu ringen.“
Heute beteiligten sich die reformatorischen Kirchen am Ringen um die Wahrheit und nähmen ihre Verantwortung für die Gestaltung dieser Welt wahr. Gorski: „In die Bemühungen um den Frieden in der Welt bringen sie die Erkenntnis ein: Die Religionen bieten Potentiale zur Versöhnung und zum Frieden. Ihre Selbstreinigung vom Geist der Gewalt ist die zwingende Konsequenz aus ihrer Geschichte.“
Angesichts der anhaltenden Faszination menschenverachtender Ideologien, von zunehmendem Fundamentalismus in den Religionen wie auch von hier und da zu beobachtender Vernunftverdrossenheit in Kultur, Bildung und Politik in heutiger Zeit bekennen sich die reformatorische Kirchen dazu, „dass es einen Weg zurück hinter die Aufklärung nicht geben kann und nicht geben darf.“
Der Gedanke des Priestertums aller Getauften, so der Vorsitzende, enthalte starke Impulse für Kommunikation, Bildung und Emanzipation. Deshalb möge die Synode EKD ihre Gliedkirchen und Kirchengemeinden an, regen die Zeit bis zum Reformationsjubiläum 2017 für eine intensive Beschäftigung mit den Kernthemen reformatorischen Glaubens zu nutzen, die da lauteten: „Was ist das Reformatorische an der Reformation? Was bedeutet die Rechtfertigung des Sünders für uns und für die nächste Generation? Wie berührt der Glaube mein Herz? Wie können wir unsere Weltverantwortung wahrnehmen?“
Die Reformation gehöre allen, so der Vorsitzende abschließend. Und so möge Synode der EKD alle Menschen in Kirchen und Gemeinden, in Gesellschaft und Politik, in Ost und West einladen, auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017 mit uns nach Wegen des Friedens und der Gerechtigkeit aus dem Geist des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung zu suchen.
Horst Gorski: „Ein herzliches Willkommen in den Kernlanden der Reformation! Wir freuen uns über alle, die kommen und mit uns fragen und hoffen, glauben und feiern!“
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