Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hat in seiner Rede beim Johannisempfang der EKD am heutigen Donnerstag das Thema „Christliche Verantwortung für ein Europa der Toleranz“ entfaltet.
Anlässlich des Themenjahres „Reformation und Toleranz“ in der Lutherdekade skizzierte der Ratsvorsitzende den historischen Weg von einer „Duldungs-Toleranz“ im Blick auf religiöse Minderheiten hin zu einer „Respekt-Toleranz“. Die „Respekt-Toleranz“ ziele auf die wechselseitige Achtung unterschiedlicher Lebens- und Glaubensüberzeugungen, kämpfe nicht gegen Pluralisierung, sondern stelle sich vielmehr der Aufgabe, in „versöhnter Verschiedenheit“ in und mit Pluralität zu leben, sagte Schneider.
Die Gefahr des Fundamentalismus hingegen nehme zu, so Schneider, „je weniger sich Menschen angstfrei in ihrem Glauben oder anderen Überzeugungen aufgehoben und beheimatet wissen.“ In diesem Zusammenhang bemerkte der Ratsvorsitzende, dass auch die Forderung nach einem „staatlich verordneten Laizismus und nach Ausgrenzung der Religionen aus dem öffentlichen Raum“ einer Respekt-Toleranz in weltanschaulich pluralen Gesellschaften nicht förderlich sei. Schneider: „;Leben mit dem bleibend Anderen‘“ können wir gerade nicht lernen, wenn wir die Suche nach Glaubenswahrheit und Glaubensgewissheit in die Hinterhöfe und in private Zirkel verbannen.“
Respekt-Toleranz zu lernen und zu üben, so der Ratsvorsitzende, bleibe deshalb für alle weltanschaulichen und religiösen Gruppen ein Dauerthema – auch für evangelische Theologie und Kirche. Hier gelte, so Schneider: „Auch die beste Exegese vermag nicht eindeutig zu sagen, wo Gottes ewiges Wort und wo zeitlich bedingtes Menschenwort uns anspricht. In diesem Bewusstsein können wir in respektvoller Toleranz auch mit verschiedenen ethischen Optionen in Christus verbunden bleiben.“
Im Zusammenhang der Rede nahm der Ratsvorsitzende auch zur Diskussion um die am 19. Juni veröffentlichte EKD-Orientierungshilfe "Zwischen Autonomie und Angewiesenheit -Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken" Stellung. Schneider: „Die Orientierungshilfe legt den Akzent auf die „biblischen Werte Vertrauen, Verlässlichkeit, Verbindlichkeit, Fürsorge und Gemeinschaftsgerechtigkeit. Die rechtlichen Formen familiären Zusammenlebens haben diese Werte zu schützen und zu fördern. Dabei bleibt die traditionelle lebenslange Ehe und Familie das Leitbild unserer Kirche, aber nicht mehr die einzige Form, die auf den Segen Gottes hoffen kann. Wir haben daher bewusst eine Ausweitung und einen Wechsel der Perspektive vorgenommen, aber keinen Kurswechsel. Wir freuen uns über die rege Diskussion, die die Veröffentlichung dieses Textes in allen Bereichen der Öffentlichkeit ausgelöst hat, denn das Thema ist ein wichtiges und sollte breit diskutiert werden.“
Besorgt äußerte sich Schneider im Blick auf die Situation der Flüchtlinge in Europa. Ihre Lage sei „verheerend“ und entspreche „nur wenig den rechtsstaatlichen und menschenfreundlichen Prinzipien und Standards, auf die wir in Europa Wert legen und mit Recht stolz sind“, so der Ratsvorsitzende und weiter: „Es widerspricht unseres Erachtens einer Respekt-Toleranz, dass in Deutschland Flüchtlinge davon abgehalten werden, Sprachkurse zu besuchen, eine Berufsausbildung zu machen oder eine Arbeit anzunehmen. Es beschwert uns, dass viele der gut integrierten Flüchtlinge nur ,geduldet‘ bleiben und kein Aufenthaltsrecht erhalten. ,Kettenduldungen‘ sind kaum zu überschätzende Belastungen für die betroffenen Menschen!“
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