[image=5e1764c5785549ede64cce57]Der theologische Vizepräsident im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Dr. Thies Gundlach, äußerte sich zum Manifest der Initiative „Ökumene jetzt“ heute in Hannover:
„Es ist gut und wichtig, dass Christenmenschen die Initiative ergreifen und Kirche gestalten wollen, das entspricht der reformatorischen Tradition. Die beiden großen Erinnerungsdaten 500 Jahre Reformation und 50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil sind glänzende Gelegenheiten, die Ökumene mit neuem Schwung zu versehen. Die Bereitschaft, die in der Initiative „Ökumene jetzt“ geäußert wird, an der „Vorbereitung und Durchführung … zur Erinnerung und Würdigung“ der beiden bedeutsamen Jubiläen mitzuwirken, ist ein Angebot, das von evangelischer Seite aufmerksam und dankbar aufgenommen wird.
Dafür spricht auch der innere Zusammenhang zwischen den beiden Daten, der mit Händen zu greifen ist: Martin Luther wollte seine Kirche reformieren und keine neue Kirche gründen. Dieses Anliegen konnte sich aus sehr unterschiedlichen, keineswegs nur rein theologischen Gründen nicht durchsetzen – so kam es zu Verwerfungen und Trennungen. Aber wie viel Schuld und Versagen im Blick auf das Handeln der Personen damals auch einzuräumen sind, 500 Jahre später ist deutlich, dass ohne die Impulse von Reformation und Gegenreformation der Weg zum Zweiten Vatikanischen Konzil ab 1962 nicht hätte gegangen werden können. Die theologischen Annäherungen zwischen dem Konzil und den reformatorischen Grundanliegen sind unübersehbar - aus Sicht der evangelischen Kirche sind sie der wichtigste Grund, warum beide Jubiläen auch gemeinsam gefeiert werden sollten.
Große Zustimmung findet auch die Überlegung der Initiative „Ökumene jetzt“, den weiteren Weg der Ökumene nicht allein in der Verantwortung von den Kirchenleitungen zu sehen, sondern daran zu erinnern, dass die Stärkung der Einheit eine Aufgabe aller Christinnen und Christen ist. Wir nehmen schon jetzt dankbar wahr, dass evangelische und katholische Christen sehr viel mehr verbindet als trennt. Doch muss auch daran erinnert werden, dass die theologischen Grundeinsichten für die Väter und Mütter der jeweiligen Konfession zentral und existentiell waren. Es ist gut, dass in ökumenischen Zusammenhängen – gleich ob in Kirchenleitungen oder an der Basis - nicht der Eindruck gefördert wird, Theologie sei gleichgültig, sondern dass über die theologischen Gründe für die unterschiedlichen Kirchenverständnisse immer wieder nachgedacht wird. Denn die Erkenntnisse der Reformatoren, etwa im Blick auf das Priestertum aller Getauften oder die Einladung zum Abendmahl an alle Getauften, sind auch heute noch so gewichtig, dass sie nicht übergangen werden sollten.
Die Reformatoren haben am Beginn des 16. Jahrhunderts ein anderes Bild von Kirche entwickelt, das sich auch heute noch an einigen zentralen Punkten von dem Bild der römisch-katholischen Geschwister unterscheidet. Aus evangelischer Sicht ist die Reformation noch nicht vollendet. Wir dürfen und sollen auf Gemeindeebene alles ökumenisch Mögliche und von beiden Seiten Gewollte nicht nur zulassen, sondern auch – ganz wie der Aufruf „Ökumene jetzt“ fordert – bestärken und durch kraftvolle gemeinsame Zeichen beleben. Aber grundsätzlich bleibt gültig: In ökumenischen Dingen so viel Tempo wie möglich, aber auch so viel Geduld wie nötig.“
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