Entfernung persönlicher Beigaben auf dem Friedhof - Leser ist bestürzt

Wird Menschen, die bereits einen schweren Verlust erlitten haben, auch noch die Möglichkeit der individuellen Trauer genommen? Wir baten die Stadt um eine Stellungnahme.

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Archivbild | Foto: Anke Donner

Wolfenbüttel. Ende November veröffentlichte regionalHeute.de eine Mitteilung der Stadt Wolfenbüttel, in der es um die Beseitigung von nicht erlaubten persönlichen Beigaben wie Engelsfiguren, Kerzen oder Dekorationen an bestimmten Grabarten auf dem städtischen Friedhof ging. Auch zusätzliche Pflanzen seien an manchen Grabformen nicht erlaubt und würden entfernt. Hierzu erreichte uns die Reaktion eines Lesers, der sich bestürzt zeigt.



Die Friedhofsverwaltung hatte in der Veröffentlichung darauf hingewiesen, dass ab dem 5. Januar 2026 sämtliche unzulässigen Gegenstände entfernt und entsorgt würden. Angehörige wurden gebeten, vorhandene Beigaben rechtzeitig mitzunehmen. Der Stadt gehe es um ein würdiges und gepflegtes Erscheinungsbild.

"Rechtlich höchst fragwürdig"


Bei dem Leser, dessen Name der Redaktion bekannt ist, habe diese Entscheidung dagegen tiefes Unverständnis ausgelöst - und das auf zwei Ebenen. Zunächst auf der sachlich-vertraglichen Ebene: "Zwischen mir und der Stadt besteht ein Grabpflegevertrag. Sollte ich gegen vertragliche Regelungen verstoßen, erwarte ich – wie in jedem rechtsstaatlichen Verhältnis – eine schriftliche Information sowie eine angemessene Frist, um beanstandete Gegenstände selbst zu entfernen", so der Leser. Persönliches Eigentum kommentarlos zu entsorgen, lediglich gestützt auf eine Zeitungsinformation, empfinde er nicht nur als respektlos, sondern auch als rechtlich höchst fragwürdig.

Doch weit schwerer wiege für ihn die zweite, die menschliche und emotionale Ebene. "Wir sprechen hier nicht über beliebige Grünflächen oder dekorative Ordnungsvorgaben. Wir sprechen über Gräber. Über Gedenkorte. Über Orte der Liebe, der Erinnerung und der Trauer", gibt der Leser zu bedenken. Für viele Hinterbliebene sei der Friedhof einer der wenigen Orte, an dem Trauer sichtbar sein darf. Ein Ort, an dem Nähe zu geliebten, schmerzlich vermissten Menschen gesucht werde. An dem Gefühle in kleinen Gesten, Botschaften, Pflanzen oder Symbolen Ausdruck finden dürften.

"Ein Ort der Menschlichkeit"


"Mit welcher Begründung nimmt man Menschen, die bereits einen schweren Verlust erlitten haben, auch noch diese Möglichkeit? Warum muss ein Friedhof gleichförmig, nüchtern und trostlos erscheinen?", fragt der Leser. Trauer sei nicht einheitlich. Sie sei bunt, leise oder laut, chaotisch oder still. Vor allem aber sei sie individuell – so individuell wie die Menschen, um die wir trauern. "Ein Friedhof sollte kein Ort reiner Ordnung sein, sondern ein Ort der Menschlichkeit. Ich wünsche mir sehr, dass diese Entscheidung überdacht wird – im Sinne der Hinterbliebenen, der Würde der Verstorbenen und einer Stadt, die Empathie nicht als Störfaktor betrachtet", so der Appell des Lesers.

regionalHeute.de konfrontierte die Stadt Wolfenbüttel mit den Aussagen. Hierzu teilt uns Nadine Guttzeit aus der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit mit: "Die Stadt nimmt die in dem offenen Brief geäußerten Hinweise und Empfindungen ernst und legt Wert auf einen respektvollen Umgang mit den Angehörigen sowie auf transparente Abläufe auf den städtischen Friedhöfen."

"Keine individuellen Grabpflegeverträge"


Gegenstand der Pressemitteilung seien die Gemeinschaftsgrabanlagen, die Dauerreihengrabstätten und die Urnenbaumanlagen gewesen. Die beiden ersteren würden sich rechtlich und organisatorisch grundlegend von Wahlgräbern mit individuell zugeordneten Nutzungsrechten unterscheiden. In Gemeinschaftsgrabanlagen und Dauerreihengräbern erfolge die Pflege und Gestaltung auf Grundlage der jeweils geltenden Friedhofssatzung und des festgelegten Gestaltungskonzepts durch den Friedhofsträger. Individuelle Grabpflegeverträge zwischen einzelnen Personen und der Stadt bestünden in diesen Fällen nicht.

Die Entfernung persönlicher Gegenstände erfolge daher nicht im Rahmen eines individuellen Vertragsverhältnisses, sondern auf Grundlage der allgemein geltenden Regelungen für diese Grabform. Ziel sei es, das einheitliche Erscheinungsbild der Grabgemeinschaftsanlagen zu wahren und die Gleichbehandlung aller dort Beigesetzten sicherzustellen.

Hohe emotionale Bedeutung


"Unabhängig davon ist sich die Stadt bewusst, dass persönliche Grabdekorationen für Angehörige eine hohe emotionale Bedeutung haben. Die Information über die anstehenden Maßnahmen erfolgte daher vorab über eine Pressemitteilung, um eine möglichst breite Öffentlichkeit zu erreichen. Wo es organisatorisch und rechtlich möglich ist, ist es weiterhin das Ziel der Stadt, Maßnahmen nachvollziehbar zu kommunizieren", erläutert Nadine Guttzeit.

Die Stadt weist ausdrücklich darauf hin, dass sich das Vorgehen nicht auf Gräber mit eindeutig zugeordneten Nutzungsrechten oder bestehenden individuellen Grabpflegeverträgen beziehe. In solchen Fällen würden die vertraglichen Regelungen sowie die darin vorgesehenen Informations- und Fristsetzungen gelten.