"Es ist Zeit, die erforderlichen Schritte zu gehen"

von Thorsten Raedlein


| Foto: Werner Heise



Wolfenbüttel. Die aktuell nach einem Vorstoß aus Salzgitter wieder in Fahrt gekommenen Regionsdebatte griff Wolfenbüttels Bürgermeister Thomas Pink im Rahmen des heutigen Pressegespräches der Stadt auf, um seine Standpunkte zu verdeutlichen. 

Bereits seit längerer Zeit werde regelmäßig über eine Neuordnung und Neustrukturierung der „Region Braunschweig“, die ja auch Wolfenbüttel einschließt, in ausführlicher, aber nicht unbedingt sachbezogener Weise diskutiert. Unstrukturierte Debatten, die zudem von den politisch Verantwortlichen auf der Landesebene wortlos zur Kenntnis genommen würden, nützten dabei jedoch keiner der betroffenen Städte und Gemeinden.

"Meines Erachtens fehlen inhaltliche oder organisatorische Zielvorgaben, stattdessen werden oftmals viel zu klein strukturierte Ergebnisse verfolgt und darüber letztlich die einmal von Dr. Gerd Hoffmann zu Recht geforderte wirtschaftliche, politische und auch landsmannschaftliche Stärkung der Braunschweiger Region mehr und mehr aus den Augen verloren."

Pink erinnerte  an die wesentlichen Grundsätze der Hoffmannschen Überlegungen aus dem Jahr 2007. Braunschweigs Oberbürgermeister forderte den Wegfall der in der Regel schwach strukturierten Landkreise und die Zusammenfassung der regionalen Aufgaben in einer verfassten, selbstverwalteten Region. Weiterhin den Verzicht auf Privilegien, insbesondere durch die Stadt Braunschweig und dabei Stärkung der Mittelstädte und der leistungsfähigen gemeindlichen Ebene. Zudem forderte er die Schaffung eines Wirtschaftsraumes mit klar definierten Aufgabenzuweisungen an die jeweilige         kommunale Ebene.

Seit 2007 sei bis heute jedoch wenig geschehen. Das Land, das ganz offensichtlich im Jahre 2008 von diesem Vorschlag auf dem falschen Fuß erwischt wurde, legte unter anderem den so genannten Zukunftsvertrag auf, der vom Erfinder dieses Werkes, dem damaligen Innenminister Schünemann als Erfolg gefeiert wurde. Tatsache sei aber, dass die Lösung des Gesamtproblems in der Region, nämlich die Frage, was aus den strukturell deutlich unterentwickelten Teilregionen des ländlichen Raumes, insbesondere in den Landkreisen Wolfenbüttel, Helmstedt und Goslar werden soll, nur zeitlich und damit fahrlässig verschoben wurde. "Es mag ja auf den ersten Blick attraktiv sein, eines hohen Anteils der Haushaltsdefizite entbunden zu werden, um dann jedoch vor dem Problem zu stehen, wie mit den immer noch üppigen Fehlbedarfen umgegangen werden soll, ohne die Lebensqualität der Gemeinde aufs Spiel zu setzen", kritisiert Pink. Ein Schnell- und Fehlschuss, wie auch schon die überhastete Abschaffung der Bezirksregierungen vor zehn Jahren ebenfalls eindrucksvoll gezeigt habe. Er könne es „seiner“ Landesregierung da nicht ersparen, kritisch zu äußern, dass von dortiger Seite einige kommunale Baustellen hinterlassen wurden.

Statt die Initiative von Oberbürgermeister Dr. Hoffmann einer objektiven inhaltlichen Prüfung zu unterziehen, sei die sogenannte große Regionslösung sowohl durch die damalige Landesregierung, als auch durch die kommunalen Protagonisten, die sich auch jetzt wieder einer jeglichen zukunftsfähigen Weiterentwicklung in den Weg stellen, in Bausch und Bogen abgelehnt. Daher müsse man im Grunde denjenigen danken, die die Fusions- und Regionsdebatte nun erneut anschieben – allerdings auch nur dann, wenn es tatsächlich objektiv betrachtet genau um dieses Thema gehe und nicht darum, durch die Hintertür Personaldebatten zu führen.

"Eines möchte ich gleich klarstellen: Sorgen bei der nun entfachten erneuten Diskussion, muss sich weder die politischen Vertreter, noch die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt machen. Wolfenbüttel steht in der Region glänzend da und hat in den vergangenen Jahren meist einvernehmlich mit allen kommunalen Entscheidungsträgern eine Infrastruktur geschaffen, die sich sehen lassen kann. Hervorragende Betreuungseinrichtungen, ein ganzheitliches Schul- und Bildungssystem, Kultur- und Sporteinrichtungen, um die uns vergleichbare Kommunen beneiden. Ein Klinikum in städtischer Trägerschaft, welches durch nachhaltige Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen zukunftsfähig entwickelt wurde und das alles bei stabilen wirtschaftlichen  Entwicklungen.  Nicht unerwähnt bleiben darf die aktive Unterstützung der Entwicklung unserer Hochschule Ostfalia und damit die Schaffung und Stärkung eines der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren unserer Stadt", so der Rathauschef zu den Auswirkungen auf Wolfenbüttel.

An dieser bedeutenden und herausragenden Position der Stadt Wolfenbüttel innerhalb der Braunschweiger Region komme kein politischer Akteur und keine Strukturdiskussion vorbei. Dies bietet auch die einmalige Chance, die fällige Aufwertung der Stadt Wolfenbüttel zu einer großen selbständigen Stadt nun umzusetzen, nehme Wolfenbüttel doch de facto schon etliche entsprechende Aufgaben wahr und muss daher Vergleiche mit Städten wie Goslar, Cuxhaven und Lingen nun wirklich nicht fürchten. Eine starke Stadt Wolfenbüttel in einem vergrößerten Landkreis sei die eine Seite der Medaille. Eine starke große selbständige Stadt Wolfenbüttel in einer verfassten starken Region Braunschweig sei aus städtischer Sicht jedoch viel erstrebenswerter, weil zukunftsorientierter  und nachhaltiger.

Nur die politische Diskussion nehme gerade Richtungen auf, die sich auch inhaltlich zum Teil leider völlig falsch entwickelten. Objektiv betrachtet und aus rein kommunalverfassungsrechtlicher Sicht kann ein aus seiner Überzeugung viel zu kurz gesprungener Zusammenschluss des Landkreises Wolfenbüttel mit der Stadt Salzgitter und dem Landkreis Peine oder Goslar nur die Aufgabe der „Kreisfreiheit“ für Salzgitter und den Verzicht auf den Status „Stadt“ bedeuten. "Der Rechtsstatus der Stadt Wolfenbüttel, wie ein Ratsmitglied aus Wolfenbüttel düster skizziert, ist in keiner Weise von diesem Schritt der Fusion auf Kreisebene berührt. Dennoch - mittelbar müssen wir in der Tat das auslöffeln, was andere Köche dort zusammen brauen. Und das wollen wir alle nicht", so Pink.

Deshalb sei nach wie vor das Land Niedersachsen in der Pflicht, durch Rechtssetzung für zukunftsfähige Strukturen im Land zu sorgen. Sicher seien hierzu umfängliche wissenschaftliche, juristische, landsmannschaftliche und verwaltungstechnische Überlegungen unter intensiver Einbindung der betroffenen Kommunen und Bürgerinnen und Bürger zwingend notwendig. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die aber keiner der Landesregierung abnimmt oder abnehmen könne.

Es gebe aber innerhalb dieser Landesregierung ein nicht zu übersehendes Problem, nämlich eine dünne, um nicht zu sagen, die dünnste Parlamentsmehrheit überhaupt. Und gerade Kommunalreformen seien dann häufig der Spaltpilz einer auf so dünnem Eis operierenden Administration, wenn sie auf dem Altar der parteipolitischen und ideologischen Diskussionen geopfert würden. Das wisse man in Hannover und ziehe sich deshalb auf pflaumenweiche Formulierungen im Koalitionsvertrag zurück, wie zum Beispiel „Freiwilligkeit ist der Königsweg für kommunale Fusionen!“

"Um jedoch bei diesem so wichtigen Thema für unsere Region nicht noch mehr Zeit unnötig verstreichen zu lassen und auch einen breiten (partei-)politischen Konsens in den Entscheidungsphasen zu erreichen, schlage ich in dieser jetzt aus dem Ruder laufenden Diskussion folgendes vor: Einsetzung eines parteipolitisch unabhängigen Beauftragten (Staats- und Verfassungsrechtler, Wissenschaftler der Verwaltungshochschule Speyer oder ähnliche) durch die Landesregierung, der unter Zugrundelegung anerkannter und objektiver Gesichtspunkte die derzeitige Struktur der kommunalen Ebene in der Braunschweiger Region analysiert. Dabei sind die immer noch geltenden Leitsätze kommunaler Strukturen aus den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts kritisch zu hinterfragen und zu zukunftsfähigen Leitbildern für eine moderne Kommunalstruktur im südlichen Niedersachsen zu entwickeln", sagt Pink. Strukturelle und organisatorische Veränderungen, die einer nachhaltigen Gesamtlösung zuwider laufen könnten, müssten zumindest zum jetzigen Zeitpunkt unterbleiben. Eine enge Einbindung der kommunalen Strukturen und der kommunalen Politik aller Ebenen bei allen Maßnahmen sowie umfassende Information der Bürgerinnen und Bürger sei ebenfalls unerlässlich. "Ich kann daher abschließend nur an die Landesregierung appellieren: Wir haben nicht viel Zeit, die Strukturen unserer Heimatregion nachhaltig und Erfolg versprechend zu entwickeln. Wir werden schon jetzt von anderen Regionen in Niedersachsen abgehängt. Es ist Zeit, nun die erforderlichen Schritte zu gehen."


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