Wolfenbüttel. Auch die freiberuflichen Hebammen im Wolfenbütteler Land sind von der drohenden Versicherungslosigkeit betroffen. Die Nürnberger Versicherung, eine von zwei Versicherungen, die für die Haftpflicht der Hebammen aufgekommen ist, kündigte für 2015 den Ausstieg an. Für die Hebammen droht das existenzielle Aus.
Hebammenverbände und Hebammen sind alarmiert. Sollte ihnen wirklich das Versicherungsaus drohen, stehen sie vor den Scherben ihrer Existenz. Denn ohne eine gültige Haftpflichtversicherung dürfen freiberufliche Hebammen ihren Beruf nicht mehr ausführen. Rund 18.000 Hebammen, die einem Verband wie dem Deutschen Hebammenverband angehören, wären betroffen.
Nur zwei Versicherungen bieten derzeit die Haftpflichtversicherung für Hebammen an, eine davon kündigte zum Jahr 2015 ihren Rückzug an. Damit bliebe nur noch eine Versicherung übrig, die sich durch hohe Beiträge kaum eine Hebamme leisten kann. Die Entwicklung der Beitrage in den letzten Jahren stellte die Geburtshelfer ohnehin vor eine große Probe, da sich seit dem Jahr 2002 die Beitragskosten explosionsartig verzehnfacht haben. Von finanzieller Unbekümmertheit kann hier schon lange nicht mehr die Rede sein. Hohe Versicherungsbeiträge und geringe Stundenlöhnen lassen die Zahl der Hebammen in Deutschland stetig sinken. Und das Ende ist noch nicht in Sicht. Bereits für den Sommer 2014 sind weitere Erhöhungen angekündigt.
Auch in Wolfenbüttel bangen Hebammen um ihre berufliche Existenz.
So auch Liane Jüttner. Die freiberufliche Hebamme, die sich hauptsächlich auf die Geburtsvor-und Nachsorge konzentriert, ist von dem Versicherungs-Irrsinn betroffen. "Mich betrifft die Gefahr einer fehlenden Haftpflichtversicherung natürlich auch. Ohne die Versicherung darf ich meinen Beruf nicht ausführen. Die bisherigen und stetigen Erhöhungen schleichen sich einfach ein. Das passiert so kleckerweise. Rückblickend merkt man dann, dass die Erhöhungen ganz schön stark waren. Da sind wirklich Existenzen in Gefahr. Sollte die verbleibende Versicherung tatsächlich aussteigen, wäre das eine Katastrophe für alle freiberuflichen Hebammen. Noch schlimmer trifft es dabei die Kolleginnen, die in den Krankenhäusern Belegbetten haben und Geburtshilfe leisten. Aufgrund ihrer Tätigkeit brauchen sie einen viel höheren Versicherungsschutz, als beispielsweise ich. Als freiberufliche Hebamme muss man erst einmal so viel erwirtschaften, um die Kosten für die Versicherung abdecken zu können", erklärt sie unserer Online-Tageszeitung.
Auch die Wolfenbütteler Hebammen Wiebke Grefenstette und Tina Mac Neil bangen um die Zukunft als Hebamme und geben ihrer Kollegin Liane Jüttner Recht. "Wir bieten den Schwangeren die Geburtsvor-und Nachsorge und haben uns aus zeitlichen Gründen gegen die Geburtshilfe entschieden. Mit Kindern ist die Flexibilität einfach nicht gegeben. Das ist sehr schade, da wir einen wichtigen Teil der Schwangerschaft nicht miterleben. Als Geburtshelferin hätten wir aber auch deutlich höhere Beitragskosten, die sich ohnehin schon auf mehrere tausend Euro pro Jahr belaufen. Es gibt viele Hebammen, die sich ganz bewusst gegen die Arbeit als Geburtshelferin entscheiden, weil sie die hohen Versicherungskosten nicht tragen können", so Tina Mac Neil. "Natürlich machen wir uns Sorgen, wie es nun weitergeht. Dabei machen wir uns nicht so große Sorgen, ob eine Versicherer gefunden wird. Die Hebammmen-Verbände haben in den letzten Jahren gute Arbeit geleistet. Wir hoffen darauf, dass es eine Lösung geben wird und uns eine Versicherung aufnimmt. Die Frage ist nur, zu welchen Konditionen. Schon jetzt ist die Gewinnspanne sehr niedrig und ohne die Unterstützung meines Mannes wäre es für mich als freiberufliche Hebamme sehr schwer", verrät sie ehrlich.
Angst vor hohen Beiträgen
Alle drei Wolfenbütteler Hebammen sind sich einig. Sicher wird man eine Lösung finden und es wird eine Versicherung geben, die die Hebammen versichert. Angst haben die Frauen nur vor horrenden Beitragserhöhungen, die sie irgendwann vielleicht nicht mehr abfangen können. Viele Alternativen haben sie dabei nicht. Entweder sie zahlen die hohen Beiträge, oder sie geben ihren Beruf auf. Aber wer soll dann unseren Kindern auf diese Welt helfen? "Hebamme zu sein ist kein Beruf, sondern eine Berufung", so Liane Jüttner und hofft, genau wie ihre Kolleginnen auf eine Lösung, die allen freiberuflichen Hebammen gerecht wird.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer zeigt sich vielleicht schon am Horizont: Am Dienstag fand ein zweistündiges Gespräch mit dem Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe statt. "Das Gespräch ist positiv verlaufen. Natürlich konnte noch keine endgültige Zusagen getroffen werden. In einer Arbeitsgruppe sollen jetzt gemeinsam mit den Hebammenverbänden Lösungen gesucht werden", so die Pressesprecherin des Deutschen Hebammenverband, Nina Martin auf Nachfrage unserer Online-Tageszeitung.
Martina Klenk, Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes e.V. (DHV) kommentiert das gestrige Gespräch des Bundesgesundheitsministers mit den Hebammenverbänden:
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Martina Klenk, Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes e.V. ( Foto: DHV)
„Das Gespräch mit dem Bundesgesundheitsminister gibt uns Anlass zur Hoffnung, dass das strukturelle Problem der Haftpflichtversicherung bei den Hebammen endlich politisch angegangen wird. Ab dem Sommer 2014 soll es eine kurzfristige Lösung geben, um die Kosten für die Haftpflicht für alle betroffenen Hebammen auszugleichen. Eine langfristigere und strukturelle Lösung will der Minister zusammen mit den Hebammenverbänden erarbeiten. Unser Eindruck ist: Wir werden sehr ernst genommen mit unserem Anliegen. Herr Gröhe hat nicht nur die Haftpflichtproblematik, sondern auch die Versorgungssituation mit Hebammenleistungen im Blick.“
In den vergangenen Tagen hatte sich die Haftpflichtproblematik bei den Hebammen zugespitzt. Durch den Ausstieg der Nürnberger Versicherung aus den Versicherungskonsortien der Hebammenverbände stehen freiberufliche Hebammen in Deutschland ab Sommer 2015 ohne Haftpflichtversicherung da, sollte sich keine Lösung finden. Dies kommt einem Berufsverbot gleich.
In den kommenden Wochen wird der Abschlussbericht der interministeriellen Arbeitsgruppe „Versorgung mit Hebammenhilfe“ erwartet, die schon in der vergangenen Legislatur tagte. Dieser wird Grundlage der strukturellen Lösung von Problematiken im Hebammenwesen wie der Versorgungslage und der Haftpflichtproblematik werden. Die Hebammenverbände fordern zur Lösung der Haftpflichtproblematik weiterhin eine Haftungsobergrenze für Hebammen.
Petitionen sollen die Hebammen-Existenzen retten.
Auf der Internetseite "Chance.org" wurde eine Petition gestartet, um die bedrohten Existenzen zu retten. Bereits 168.891 Unterschriften sind dort bisher eingegangen. "Es ist Wahnsinn, was zurzeit im Internet los ist und wie viele Menschen sich für die Hebammen einsetzten", schließt Liane Jüttner ab.
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