Wolfenbüttel. Wer aus Wolfenbüttel kommt, dem sind die Kasematten meist nicht fremd. Freigelegt sind jedoch nur drei von ihnen. Sie befinden sich unterhalb der Seeliger Villa im gleichnamigen Park. Ursprünglich hatte es jedoch vermutlich noch viel mehr gegeben, wie Dieter Kertscher, Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Altstadt e. V. gegenüber regionalHeute.de auf einer Erkundungs-Tour berichtete.
Hoch auf dem Hügel, im Zentrum des Seeliger Parks ragt die Villa auf. An einer Seite des Gebäudes befinden sich die Eingänge zu Kasematte 1, die bei Führungen auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird und der 2006 freigelegten Kasematte 2, die in Kasematte 3 mündet. Sie gehören zur einstigen Bastion, die sich hier zu Herzogszeiten befunden hat. Die Bastion war zirka zehn Meter hoch und stand an der Stelle, an der heute die Villa steht, erklärt Kertscher. Diese habe mit der ursprünglichen Festungsanlage nichts zu tun. 1899 verrät eine Wetterfahne auf dem Dach des Gebäudes. Zu diesem Zeitpunkt war die Festungszeit schon lange vorbei, denn 1750 gingen die Herzöge zurück nach Braunschweig. Von 1800 bis 1833 wurde die Bastion auf die jetzige Höhe abgetragen.
Geheimnisse unter der Erde
"Wir sind uns sicher, dass es unter jeder Bastion Kasematten gegeben hat", erklärt Kertscher. Diese hätten einfach dazu gehört, konnten die Soldaten in ihnen schließlich Kanonen, Pulver und Kugeln lagern. Zudem seien die Bastionen in Wolfenbüttel von einem Baumeister errichtet worden, was die Vermutung nahe lege. Wissen könne das jedoch keiner. "Ich habe nicht gegraben", sagt Kertscher mit einem Augenzwinkern. Durch die Ackermann-Bande habe man jedoch die sichere Erkenntnis, dass es auch unter der Bastion am Schulwall eine solche Kasematte gegeben habe. Bis ins Jahr 1954, als die Kasematte zugeschüttet wurde, spielten die Jugendlichen in ihr. "Manche behaupten auch, dass es eine unter dem Rosenwall gibt. Bezeugen kann das aber keiner."
Hier war die Ackermann-Bande unterwegs. Unter dem Berg befindet sich die zugeschüttete Kasematte. Foto: Julia Fricke
Auch in der JVA gebe es ein Kasemattengewölbe, wie aus einem Flyer der Aktionsgemeinschaft Altstadt hervorgeht, ebenso eine südlich vom Schloss gelegen. Eine weitere könnte sich unter dem Alten Kaffeehaus befinden. "Möglicherweise gehören auch Teile der im `Alten Kaffeehaus´ überlieferten Gewölbestukturen noch zu der ehemaligen Bastion", heißt es in dem Flyer. Und ein alter Stadtplan zeigt: Es hatte einige Bastionen gegeben.
Schlammig und nass - So war Wolfenbüttel
Unter der Villa hatten die Kasematten weiterhin bestand. Diese Gänge - rundgebaut mit geraden Wänden - seien europaweit gleich, so Kertscher weiter. Die Familie Seeliger nutzte die Kasematte 1 sogar lange Zeit als Kellerraum, lagerte Wein oder Kartoffeln. Später wurde sie als Luftschutzbunker im Zweiten Weltkrieg benutzt (regionalHeute.de berichtete). Kasematte 2 hingegen war vollkommen verschüttet. Erst 2006 wurde gegraben. Unterstützung bekam die Festungsgruppe dabei von der Jägermeister Stiftung, die dem Vorhaben 25.000 Euro spendete.
Bei den Grabungen wurden auch an die 10.000 Kanonenkugeln gefunden. 1.000 davon hatten die Inschrift HJ - die Initialen des Herzogs Julius - und die Jahreszahl 1575. Nicht nur das sei eine Besonderheit gewesen, erklärt Kertscher. Auch das Material wäre außergewöhnlich. So hätten die Kugeln nicht aus Eisen oder Stein bestanden, sondern aus Eisenschlacke, die bei der Eisenherstellung in Goslar als Abfallprodukt angefallen war. Bis heute wurden die Kugeln nicht gefunden.
Kasematte 3 und der verschüttete Kanonenhof
Nachdem Kasematte 2 freigelegt wurde, war es auch möglich in Kasematte 3 zu gelangen. Diese führte bis an eine Tür, hinter der sich ein Kanonenhof befinden sollte. Dieser war jedoch mit Erdreich verschüttet und musste ebenfalls erst wieder freigelegt werden. "Von Innen waren wir ja schon bis an die Tür. Aber die Festungsgräber waren sich mit ihren Plänen so sicher, dass man auf etwas stoßen würde, wenn man anfängt zu graben", so Kertscher. Rund um den Hof sei die Erde damals weg gewesen. Der Berg hinauf zur Villa sei erst für die Familie Seeliger errichtet worden.
Der Kanonenhof war lange zeit verschüttet. Von links kam man in den Hof. Nach rechts wurde geschossen. Der Berg war damals noch nicht da. Foto: Julia Fricke
Auf dem Hof selbst konnte noch eine 300 Jahre alte Kanone gefunden werden. Sie hatte die Zeit überdauert. Dahinter befand sich ein gemauertes Löschbecken, denn wer mit Kanonen schießt, braucht auch Wasser.
Wie viele Geheimnisse es unter der Stadt Wolfenbüttel noch gibt, werden die Jahre zeigen.
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