Gemeinschaftlich und selbstbestimmt ins Alter

von Jan Borner


Wolfgang Wiechers vom Braunschweiger Netzwerk „Gemeinsam Wohnen", AsF-Vorsitzende Dörthe Weddige-Degenhard diskutieren mit Interessierten über die Möglichkeiten des gemeinschaftlichen Wohnens. Foto: Jan Borner
Wolfgang Wiechers vom Braunschweiger Netzwerk „Gemeinsam Wohnen", AsF-Vorsitzende Dörthe Weddige-Degenhard diskutieren mit Interessierten über die Möglichkeiten des gemeinschaftlichen Wohnens. Foto: Jan Borner | Foto: Jan Borner



Wolfenbüttel. Seit 2009 ist der Verein „Jahreszeiten e.V.“ auf der Suche nach einem geeigneten Wohnprojekt für selbstorganisiertes und gemeinschaftliches Wohnen in Wolfenbüttel, bisher allerdings ohne Erfolg. Um über die verschiedenen Möglichkeiten und die zu überwindenden Hürden bei der Realisierung von gemeinschaftlichem und selbstbestimmtem Wohnen zu diskutieren hat die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) am gestrigen Dienstagabend zu einem Informations- und Diskussionsabend in die Kommisse eingeladen. Als Referent wurde hierzu Wolfgang Wiechers vom Braunschweiger Netzwerk „Gemeinsam Wohnen" eingeladen, der seine Erfahrungen mit schon bestehenden Projekten in Braunschweig teilen konnte.

Eine neue Bewegung


"Gemeinsames Wohnen wird immer mehr zum Thema, vor allem dann, wenn bei älteren Menschen, die Kinder verstreut sind", erklärte AsF-Vorsitzende Dörthe Weddige-Degenhard, die die gestrige Diskussionsrunde moderierte. Die Idee des gemeinschaftlichen Wohnens ist es, Individualität und Gemeinschaft unter einen Hut zu bringen. Jeder soll seinen eigenen Bereich haben, also eine eigene kleine Wohnung samt Badezimmer und Küche, aber diese Bereiche sollen alle unter einem Dach sein um ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen, um schnell und unkompliziert für einander da zu sein, sich im Haushalt oder im Krankheitsfall zu helfen. Unterstützt werden sollte dieses Gemeinschaftsgefühl bestenfalls noch durch Gemeinschaftsräume, die das Beisammensein in größeren Gruppen ermöglichen.

Ein Ziel mit Hürden


Auch wenn das selbstbestimmte gemeinschaftliche Wohnen zur Zeit vor allem ältere Menschen anzieht, die sich so auf ganz neue Art und Weise einer drohenden Vereinsamung und Hilfslosigkeit entgegenstellen, ist das Konzept keineswegs auf eine einzige Generation begrenzt. Wie Wolfgang Wiechers vom Braunschweiger Netzwerk "Gemeinsam Wohnen" betont, kann gerade ein gemeinschaftliches Mehrgenerationenhaus besonders fruchtbar für alle Bewohner sein, zum Beispiel dann, wenn Rentner die Kinder von arbeitenden Eltern betreuen könnten und im Gegenzug von Jugendlichen im Haus an Computer und technische Innovationen herangeführt werden könnten. Das Hauptproblem für das gemeinsame Wohnen ist es allerdings, die richtige Immobilie dafür zu finden.

Viel Arbeit und viel Druck


Eine der wesentlichen Aufgaben des Netzwerkes "Gemeinsam Wohnen" sei es deshalb, mögliche Grundstücke und Immobilien aufzufinden und diese darauf hin zu untersuchen, ob sie für das gemeinschaftliche Wohnen, wie es sich die interessierten Gruppen vorstellen, überhaupt tauglich ist. Weil der Wohnungsraum auch in Wolfenbüttel knapp ist, sei vor allem eine Kooperation mit Wohnungsbaugesellschaften nötig, um ein gemeinschaftliches Wohnprojekt zu realisieren, so Wolfgang Wiechers. Da schien es beinahe schon symbolisch, dass kein einziger Vertreter einer Wohnungsbaugesellschaft zur gestrigen Diskussionsrunde erschienen war. Einladungen habe es allerdings gegeben, wie Dörthe Weddige-Degenhard betonte. Auch In Braunschweig sei, so Wolfgang Wiechers, aber zunächst viel Arbeit und Druck nötig gewesen, bis eine produktive Zusammenarbeit mit Wohnungsbaugesellschaften und Politikern möglich wurde. Es gehe zunächst darum, zu zeigen, dass es sich um eine große und ernstzunehmende Bewegung handle.

Ein Ansprechpartner und ein Mensch, der für die Sache brennt


Ein weiterer wichtiger Baustein, für eine produktive Zusammenarbeit zwischen Stadt und Gruppen, die sich den Traum vom gemeinschaftlichen Wohnen erfüllen wollen sei ein zentraler Ansprechpartner. Das Netzwerk "Gemeinsam Wohnen" setze sich in Braunschweig zurzeit genau dafür ein, dass es eine solche Person auf Seiten der Stadt gebe, der die Kommunikation und Koordination zwischen den Bürgern mit ihren Anliegen und den verschiedenen Ämtern übernimmt. Denn, und das war schneller Konsens in der gestrigen Diskussion, die Bürgerinnen und Bürger, die sich auf eigene Initiative für ein gemeinschaftliches Wohnprojekt zusammenschließen, sind keine Bau und Immobilien-Fachleute. Wenn es um die Wahl oder die Errichtung einer gemeinsamen und bezahlbaren Immobilie geht, sei also Unterstützung von Fachleuten und Politikern nötig. "Es muss ein Mensch dafür brennen" sagte ein Mitglied von "Jahreszeiten e.V.", "und zwar ein Politiker oder einer aus den Baugesellschaften, nur dann kann es klappen." Genau dieser Mensch, muss in Wolfenbüttel wohl noch gefunden werden.


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