Wolfenbüttel. Das Weihnachts-Hochwasser 2023 wird vielen Menschen in Wolfenbüttel sicherlich emotional in Erinnerung bleiben. Zu besonders war der Zeitpunkt, zu besonders der Zusammenhalt der Menschen in einer sonst von Spaltung geprägten Welt. Dabei war das Hochwasser selbst "gar nicht dramatisch", sagt Wolfenbüttels Stadtbaurat Klaus Benscheidt und spricht von einem "relativ harmlosen Hochwasser". Dass das am Ende so war und nicht im Katastrophenfall wie 2017 endete, ist möglicherweise mit Glück verbunden.
Am Donnerstagnachmittag kam der Ausschuss für Sicherheit, Ordnung und Gesundheit des Landkreises Wolfenbüttel zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Die Kreistagsabgeordneten wollten sich hier aus erster Hand über die Hochwasserlage im Kreisgebiet und erste Erkenntnisse informieren lassen. Landrätin, Amts- und Abteilungsleiter, Kreisbrandmeister, Samtgemeindebürgermeister und Wolfenbüttels Stadtbaurat standen Rede und Antwort. Und das durchaus selbstkritisch und ehrlich. Denn trotz des letzten schweren Hochwassers im Jahr 2017 gab es deutliche Defizite in der Vorbereitung auf solch ein Ereignis. Oder wie der Kreistagsabgeordnete Björn Försterling es bezeichnete: "Hochwasser-Amnesie".
"Was wir jetzt erlebt haben, war Gefahrenabwehr."
Jedes Hochwasser stellt sich anders dar, sagt Kristina Eß, Leiterin des Umweltamtes des Landkreises Wolfenbüttel. "Die besondere Charakteristik dieses Hochwassers waren die langanhaltenden hohen Pegelstände", so Eß. Hinzu kam, dass die Talsperren zu 100 Prozent gefüllt waren und in die Notentlastung gegangen sind. Eine Situation, die sehr selten vorkomme. "Wir haben noch Glück gehabt, dass die nicht in die Entlastung gehen mussten wie prognostiziert", sagt Eß und mutmaßt: "Wenn das passiert wäre, dann hätten wir hier wahrscheinlich sogar den Katastrophenfall gehabt."
Die Wassermassen der Oker beim Hochwasser im Dezember 2023 an der Kenosha-Brücke in Wolfenbüttel. Foto: Werner Heise
Und so blieb der Landkreis Wolfenbüttel als Untere Katastrophenschutzbehörde dieses Mal nur präventiv im Alarmmodus, bildete dennoch einen Krisenstab und unterstützte die betroffenen Gemeinden im Kreisgebiet. Diesen obliegt nämlich zuallererst die Aufgabe der Gefahrenabwehr, bis sie nicht mehr Herr der Lage sind oder die Lebensgrundlage oder die Gesundheit einer Vielzahl von Menschen gefährdet ist. Und so nüchtern betrachtete es auch Wolfenbüttels Stadtbaurat Klaus Benscheidt: "Was wir jetzt erlebt haben, war Gefahrenabwehr."
Das wäre zum echten Problem geworden
Auch Glück im Unglück, dass es hier nicht schlimmer gekommen ist. Benscheidt räumt ein: Seit 2017 habe man keine Baumaßnahmen im technischen Hochwasserschutz realisiert, die die Stadt schützen sollen. Vorwürfe macht er hier ebenso den Wasserverbänden Peine und Harz-Heide, auf die man als Partner beim Hochwasserschutz gesetzt habe und von denen man sich deutlich mehr Erfolge gewünscht hätte. Bei einem höheren Hochwasser hätte man "ein echtes Problem" gehabt. Insgesamt zeichnet Wolfenbüttels Stadtbaurat ein düsteres Bild und gibt ehrlich zu, wie es um den Hochwasserschutz der Stadt bestellt ist: "Wenn ein richtig schlimmes gekommen wäre, dann ständen wir heute hier anders und würden nicht so, mit einem gewissen Stolz und einer Selbstzufriedenheit sagen, wir haben das gut im Griff gehabt, sondern wir wären in einer ganz anderen Situation."
Allgemein wird in dieser Sitzung deutlich, dass vieles mit Glück zu tun hatte und man nach dem Katastrophenfall-Hochwasser in 2017 hätte deutlich besser vorbereitet sein können. So ging es auch um fehlendes Material. Im gesamten Landkreis waren zu wenig Sandsäcke bevorratet. Nachschub musste erst einmal von weit her organisiert werden. Das war aufgrund der Feiertage problematisch, berichtete Olaf Glaeske in seiner Funktion als Abteilungsleiter Bevölkerungsschutz beim Landkreis Wolfenbüttel. Weitere Kritik gab es aus der Gemeinde Schladen-Werla, wie beispielsweise an der Kommunikation, fehlenden Daten und Informationen, einem nicht fertig gestellten Rückhaltebecken in Gielde oder der späten Bildung des präventiven Krisenstabes beim Landkreis Wolfenbüttel. Dieser kam das erste Mal am ersten Weihnachtsfeiertag, also dem 25. Dezember zusammen.
In Dorstadt drohte ein Deich zu brechen
Doch bei all den Defiziten wurde bei der Ausschusssitzung am Donnerstagnachmittag ebenso deutlich, dass es durchaus effektive Vorbereitungen auf ein Hochwasserszenario gab und gibt. So habe der Bau einer Schutzmauer und Deichanlage die Ortschaft Dorstadt vor Schlimmerem bewahrt, berichtete Samtgemeindebürgermeister Marc Lohmann. Zwar war der Deich durchnässt und ein Bruch wurde befürchtet, doch auch hier war am Ende scheinbar Glück im Spiel.
Der Ausschuss für Sicherheit, Ordnung und Gesundheit des Landkreises Wolfenbüttel kam außerordentlich für eine Sitzung zur Hochwasserthematik zusammen. Foto: Werner Heise
Der Landkreis Wolfenbüttel hat seit 2022 ein eigenes Hochwasserwarnsystem in Betrieb. Sechs neue eigene Pegel an Nebengewässern und 13 weitere vorhandene füttern das System mit Informationen, dessen Berechnungen und Meldungen dann den Organen der Gefahrenabwehr zur Verfügung gestellt werden. Auch Goslar hat sich diesem Hochwasserwarnsystem angeschlossen, sodass auch diese Daten dem Landkreis Wolfenbüttel für eigene Erkenntnisse zur Verfügung stehen. In der Stadt Wolfenbüttel hat zudem ein eigener Hochwasseralarmplan, eine Zusammenstellung von Dokumenten, mit Berechnungen und Handlungsmaßnahmen geholfen, strategisch vorzugehen. Zudem wurde der stadteigene Krisenstab durch einen Wasserwissenschaftler verstärkt.
Vorbereitung durch Dokumentation
Die Stadt Wolfenbüttel, so berichtete Klaus Benscheidt den Abgeordneten, hat während des Hochwassers auch auf eine Dokumentation der Schadenslage gesetzt. Mit einer Drohne wurden Luftbilder des Ausmaßes gefertigt und am Boden habe man die Verwallungen sowie die Wasserspiegel vermessen. Die Daten sollen helfen, den Hochwasseralarmplan und das Hochwasserschutzkonzept zu aktualisieren.
Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser. Der Landkreis Wolfenbüttel will in den nächsten Wochen nun gemeinsam mit den betroffenen Gemeinden die erlangten Erkenntnisse auswerten. Daraus sollen Maßnahmen abgeleitet werden, um für das nächste Mal besser vorbereitet zu sein. Ein großer Punkt wird hier offenbar auch die abgestimmte Vorhaltung von Material und Gerätschaften sein, sodass am Ende nicht jeder sein eigenes Süppchen kochen muss. Einen ersten Bericht zu den Erkenntnissen soll es auf der übernächsten Sitzung des Ausschusses für Sicherheit, Ordnung und Gesundheit geben.
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