In Syrien aus den Augen verloren - In Wolfenbüttel wiedergetroffen

von Jan Borner


Ein Wiedersehen nach 45 Jahren: Atef Al Khateeb, Abd Elqader Dasouki und Bahaa El Deen Dasouki, Foto: Jan Borner | Foto: Jan Borner



Wolfenbüttel. Es ist eine Geschichte, die ein bisschen so klingt, als wäre sie für das Drehbuch eines neuen Spielfilms geschrieben worden. Nachdem zwei Schulfreunde aus Damaskus sich im Kindesalter aus den Augen verloren hatten, treffen sie sich jetzt, fast 45 Jahre später, nach der Flucht vor dem Krieg in einer Flüchtlingsunterkunft wieder. In der Gemeinschaftsunterkunft an der Langen Straße haben zwei alte Schulfreunde nach über vier Jahrzehnten wieder zusammengefunden.

Atef Al Khateeb und Bahaa El Deen Dasouki gingen in Damaskus gemeinsam zur Schule. Es war eine Schule für palästinensische Kinder, weil beide Familien noch vor ihrer Geburt von Palästina nach Syrien ausgewandert waren. Atef und Bahaa gingen zwar nicht in dieselbe Klasse, aber weil sie in derselben Straße wohnten, hatten sie damals viel zusammen unternommen. Auch ihre Geschwister waren miteinander befreundet, was letztlich auch dazu führen sollte, dass sie sich fast 45 Jahre später in Wolfenbüttel wiedererkannten. Als Bahaa elf Jahre alt war, so erzählt er im Gespräch mit regionalHeute.de, hat er die Schule verlassen, um zu arbeiten. Bereits mit fünfzehn sei er dann für einige Jahre wegen der Arbeit nach Libyen gezogen. Atef hingegen blieb in Damaskus. Er lernte weiter und ging schließlich auf die Universität, um zu studieren. Die beiden Schulfreunde haben sich so aus den Augen verloren.

Flucht nach Deutschland


Bahaa ist mit seinem Bruder Abd Elqader Dasouki im Sommer letzten Jahres aus Syrien geflohen. Im August kamen sie in Deutschland an. Seine Frau und seine fünf Töchter seien noch in Syrien, erklärte Bahaa. Um ihnen die gefährliche Flucht zu ersparen, wollte er alleine den Weg auf sich nehmen, um sich in Deutschland um die Papiere zu bemühen und seine Familie sicher nachholen zu können. Nur wenige Monate später, im November vergangenen Jahres, kam auch Atef in Deutschland an. Über Wien, Frankfurt und Gießen, kam er schließlich nach Braunschweig. Im Januar, so berichtet er, zog er schließlich in Wolfenbüttel in der Gemeinschaftsunterkunft an der Langen Straße ein, genau da, wo auch Bahaa und sein Bruder Abd Elqader untergekommen waren.

"Ja, da ist er"


Es sei wirklich unglaublich gewesen, erklärte Atef, als er plötzlich hörte, wie jemand seinen Namen rief. Abd Elqader war schon lange mit Atefs jüngerem Bruder befreundet. Als er Atef dann in der Unterkunft gesehen hatte, erkannte er ihn wieder – und das, so Atef scherzend, obwohl seine Haare mittlerweile grau geworden waren. Atef erklärte, dass er nicht sofort erkannt habe, wer ihn da gerufen hatte, als Abd Elqader ihm dann aber seinen Nachnamen verraten hatte, da erinnerte er sich an seinen alten Freund Bahaa. "Ich habe sofort gefragt, ob er ein Bruder von Bahaa ist", erzählte Atef und Abd Elqader habe neben sich gezeigt und gesagt: "Ja, da ist er".

Schöner Moment in traurigen Umständen


Es habe einen Moment gedauert, bis er das Gesicht seines alten Schulfreundes wiedererkannt hat, erklärte Atef. Aber dann machte es Klick. "Das war schön und irgendwie unglaublich", so Atef über den Moment als die beiden sich wiedertrafen. Natürlich hätten sie sich gefreut, berichtet er, aber es blieb das traurige und düstere Gefühl über die Umstände ihres Wiedersehens. Auch wenn es eine schöne Erfahrung war, so bleiben doch die ganzen Probleme des Krieges und der Flucht von denen sie, ihre Familien und Freunde betroffen sind. Und das Bewusstsein dieser Probleme mache die Freude über das Wiedersehen innerlich kaputt, so Atef.

Atef plant bald nach Frankfurt zu ziehen, wo er Freunde hat, die sich bereits nach einem Zimmer oder einer Wohnung für ihn umschauen würden, erklärte er. Bahaa hingegen möchte gerne nach Salzgitter ziehen, wo bereits seine Cousine wohnt. Allzu lange werden beide also nicht mehr zusammen in Wolfenbüttel bleiben. Aber vielleicht schaffen sie es ja dieses mal, den Kontakt zu halten.


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