[image=5e1764b5785549ede64ccad5]Ziel des ersten InterKulturBarometer ist es, verlässliche Zahlen über die kulturellen und künstlerischen Prozesse einer durch Migration beeinflussten Gesellschaft sowie die kulturelle Partizipation und Identität der Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte zu erhalten.
Die Ergebnisse wurden auf dem Symposium „InterKulturBarometer Deutschland – Kulturelle Teilhabe, künstlerische Interessen, kulturpolitische Perspektiven“ des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur und des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim auf der Domäne Marienburg erstmals öffentlich präsentiert und diskutiert. Die Erkenntnisse werden in das Kulturentwicklungskonzept Niedersachsen (KEK) einfließen.
„Kulturelle Partizipation ist ein wichtiger Schlüsselfaktor für die gesellschaftliche Integration, der bislang unterschätzt wurde“, betont die niedersächsische Kulturministerin Professor Dr. Johanna Wanka ein wichtiges Ergebnis der Untersuchung und sagt weiter: „Es hat sich gezeigt, dass Migrationserfahrungen und die aktuelle Lebenssituation dann als sehr positiv empfunden werden, wenn eine tatsächliche Teilnahme am kulturellen Geschehen der Region stattfindet.“
Insbesondere die migrantische Bevölkerung vertritt einen eher breiten Kulturbegriff, der das menschliche Miteinander und das Alltagsleben mit einbezieht. Insgesamt haben die Bevölkerungsgruppen mit und ohne Migrationshintergrund ein nahezu identisches Bild vom aktuellen Kulturleben in Deutschland. Speziell die junge migrantische Bevölkerung ist in ihrer Freizeit anteilig stärker künstlerisch-kreativ tätig. Insgesamt wird jedoch das migrantische Publikum noch nicht ausreichend vom öffentlich geförderten Kulturleben erreicht.
Mit dem Herkunftsland werden vor allem emotional besetzte gesellschaftliche Themenfelder wie die Bedeutung der Familie, kulinarische Traditionen oder die Kulturgeschichte verbunden. Die positive Bewertung der Kulturgeschichte des Herkunftslandes zieht sich bis in die dritte Migrantengeneration, während die anderen Themenfelder tendenziell verblassen. Daraus lässt sich schließen, dass eine positive Beziehung zur Kulturgeschichte eines Landes wichtig für die emotionale Verbundenheit mit diesem ist. Die Vertrautheit mit der Kulturgeschichte von Aufnahme- und Herkunftsland sowie das Gefühl, an dieser teilzuhaben, können den Integrationsprozess nachhaltig positiv beeinflussen. Kultureinrichtungen sollten daher gezielt vor allem die kulturinteressierte dritte Generation ansprechen.
Um migrantische Zielgruppen stärker in die bestehende kulturelle Infrastruktur einzubinden, ist eine intensivere Ansprache des sozialen Umfeldes eine wichtige Voraussetzung. Dabei gilt es auch zu berücksichtigen, dass die Multiplikatoren innerhalb des sozialen Umfeldes in Abhängigkeit vom Herkunftsland unterschiedlich gewichtet sind. Während die deutschstämmige Bevölkerung die Nichtteilhabe am Kulturleben auf ihr persönliches Desinteresse zurückführt, geben migrantische Zielgruppen fehlende Freizeitpartner und Begleitpersonen aus dem Umfeld als Ursache an.
Die Befragten sprechen sich mit und ohne Migrationshintergrund für mehr Kulturbesuche sowie die vermehrte Einbindung von Künstlern und Kunst aus den Migrantenherkunftsländern aus. Speziell die migrantische Bevölkerung betont die Notwendigkeit von mehr Kultur- und Vermittlungsangeboten in der Sprache der Herkunftsländer. Vor allem Migranten der ersten Generation sowie Bevölkerungsgruppen mit russischem und türkischem Migrationshintergrund teilen diese Ansicht.
Hingegen zeigt die deutschstämmige Bevölkerung vergleichsweise wenig Interesse an Kunst und Kultur aus typischen Migrantenherkunftsländern, hier vor allem aus dem islamisch geprägten Kulturraum. 16 Prozent der deutschstämmigen Bevölkerung haben schon einmal einen Migrantenkulturverein besucht, 12 Prozent tun dies in regelmäßigeren Abständen. Es handelt sich hier vor allem um junge, gebildete Kulturinteressierte aus größeren Städten. Gerade für das Flächenland Niedersachsen gilt es, den unterschiedlich ausgeprägten Anteil der Ausländer zu berücksichtigen. In Hannover lag er 2010 bei 14,1 Prozent, in der Region Hannover bei 9,9 Prozent und in Aurich dagegen bei nur 2,8 Prozent. Das Flächenland Niedersachen hat also mit ganz unterschiedlichen Gegebenheiten im Bereich der Integration zu tun.
Für Niedersachsen lassen sich folgende Ergebnisse des InterKulturBarometer herausstellen:
• Die Niedersächsischen Migranten sind etwas unzufriedener mit ihrer Lebenssituation als der Bundesdurchschnitt, was mit fehlenden Infrastrukturen im ländlichen Raum zusammenhängen könnte. 23 Prozent der Befragten bemängeln die schwierige Erreichbarkeit von Kulturzentren.
• Die Schule spielt in Niedersachsen eine wichtige Rolle als Impulsgeber für den ersten Kulturbesuch bei den Migranten in Niedersachsen. So wird die migrantische Bevölkerung in unserem Bundesland anteilig stärker über die Kitas erreicht als bundesweit.
• Speziell die dritte Migrantengeneration in Niedersachen profitiert von schulisch-kulturellen Bildungsangeboten des Landes. Auch werden diese Angebote besser beurteilt als im Bundesdurchschnitt. Hier greift besonders das Musikalisierungsprogramm, denn in der dritten Migrantengeneration in Niedersachsen hat ein überproportionaler Anteil schon einmal musiziert.
Kulturministerin Wanka betont, dass die Erkenntnisse des InterKulturBarometer auch für das Kulturentwicklungskonzept Niedersachsen (KEK) von großem Wert sind. „Wenn migrantische Zielgruppen also verstärkt über ihr persönliches Umfeld erreicht werden können, müssen wir darüber nachdenken, wie wir dies in Niedersachsen umsetzen können, wie beispielsweise die Kultureinrichtungen Berührungspunkte zwischen ihren Angeboten und dem konkreten Alltagsleben der migrantischen Bevölkerungsgruppen schaffen können.“
Das InterKulturBarometer ist eine wissenschaftliche Studie des Bundes und der Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, die erstmals die kulturelle Identität und Teilhabe von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund untersucht. Ziel ist dabei, ein empirisch fundiertes Bild über die kulturellen und künstlerischen Prozesse in der heutigen Gesellschaft zu gewinnen. Bei der vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderten gemeinsamen Untersuchung wurden in ganz Deutschland seit August letzten Jahres 2.800 Menschen ab einem Alter von 14 Jahren befragt. Die vom Zentrum für Kulturforschung aus Bonn erarbeitete Studie beinhaltet einen Schwerpunkt mit 550 Befragten in Niedersachsen.
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