Wolfenbüttel. Die Vielfalt und Anzahl von SmartHome-Geräten in deutschen Haushalten wächst kontinuierlich. Dabei nehmen all diese als praktische Helfer installierten Geräte digitale Daten auf, speichern und verarbeiten sie. Diese dienen in der Regel der Funktion und Überwachung der Geräte durch ihre Nutzenden. Im Rahmen des SmartHome-Forensics-Projekts stellen sich Wissenschaftler der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften gemeinsam mit dem Innovation-Hub der Polizei Niedersachsen die Frage, ob diese Daten im Falle eines Verbrechens polizeiliche Ermittlungsarbeiten unterstützen könnten. Das Land Niedersachsen und die EU fördern dieses zweijährige Vorhaben mit knapp 400.000 Euro.
Die Ansätze der Forschenden seien vielfältig, heißt es in einer Pressemitteilung der Ostfalia Wolfenbüttel. Daten aus einem WLAN-Router könnten Auskunft darüber geben, wer zum Zeitpunkt eines Verbrechens eingeloggt und damit vor Ort gewesen ist. Aber auch die Auswertung von Bewegungsmeldern könnte Hinweise darauf geben, wie viele Personen gleichzeitig anwesend waren oder neuartige Strom- und Wasserzähler verraten, welche Aktivitäten in einem fraglichen Zeitraum stattgefunden haben. Oskar Neda, Dezernatsleiter des Innovation Hubs Niedersachsen, verspricht sich davon wertvolle Ergänzungen für die spätere Polizeiarbeit: „Denken Sie beispielsweise an ein Kapitalverbrechen: Wenn wir aus digitalen Daten der Haushaltsgeräte Hinweise bekommen, wie viele Personen zur fraglichen Zeit am Ort des Verbrechens waren, kann das die Ermittlungen in die entscheidende Richtung lenken.“
Informationen zum Tathergang
Darüber hinaus können aber auch Informationen zum Tathergang erschlossen werden, berichtet Prof. Dr. Felix Büsching, Projektleiter von Seiten der Ostfalia und Lehrender an der Fakultät für Elektrotechnik: „Wenn der Stromverbrauch plötzlich nachts ansteigt, ist das zumindest ein Hinweis auf irgendeine Aktivität zum betreffenden Zeitraum". Prof. Dr. Thorsten Uelzen, ebenfalls Dozent an der Ostfalia Hochschule und Mitwirkender des SmartHome-Forensics-Projekts, ergänzt: „Allein durch die Betätigung von Lichtschaltern oder das Auslösen von Bewegungssensoren in SmartHome-Umgebungen könnte ein Tathergang in einem Haus zeitlich perfekt rekonstruiert werden.“ Er gibt aber auch zu bedenken: „Die Frage der Manipulation dieser Daten darf nicht außer Acht geraten.“
Schutz der Privatsphäre ist ein hohes Gut
Dabei würden auch der Datenschutz und rechtliche Aspekte eine wesentliche Rolle spielen. „Der Schutz der Privatsphäre ist ein hohes Gut, weshalb sich die Forschungsergebnisse für den Ermittlungsalltag, ebenso wie die Auswertung der Daten, an den bereits vorhandenen Regelungen orientieren. So ist die Auswertung der SmartHome-Geräte stets durch die Staatsanwaltschaft zu beauftragen beziehungsweise richterlich anzuordnen“, erläutert Kathleen Arnhold, Vizepräsidentin der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen.
Teilnehmende und Verantwortliche des SmartHome-Forensics-Projekts im Austausch. Foto: Ostfalia / Gina Lux
Felix Büsching betont außerdem: "Ziel des Projekts ist nicht, dass in den Haushalten zusätzliche Überwachungsgeräte installiert werden, sondern dass im Fall der Fälle auf ohnehin vorhandene Daten zurückgegriffen werden kann, wenn es der Aufklärung eines Verbrechens dient.“ Diese Daten sind bei den Nutzenden oder in Online-Diensten vorhanden, da diese dem bei der Installation der smarten Geräte bereits ex- oder implizit zugestimmt haben. Es ist auch Projektbestandteil, Anfälligkeiten für Manipulationen oder Spionage eines smarten Haushaltsgeräts durch andere, möglicherweise böswillige Akteure, zu erkennen und Möglichkeiten zum Melden oder Schließen der entdeckten Lücken zu etablieren.
Welche Geräte speichern welche Daten
Zunächst beschäftigen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Rahmen des Projekts aber damit, herauszufinden, welche smarten Haushaltsgeräte Daten speichern, die später interessante Zusatzinformationen liefern können – und wie diese Geräte an einem Tatort ausfindig gemacht werden. Dazu wird jeweils eine Handlungsempfehlung an die Ermittlungsbeauftragten gestellt, ob es als effizienter erachtet wird, die jeweiligen Geräte vom Tatort mitzunehmen oder vor Ort auszuwerten, damit möglichst wenig Daten, beispielsweise durch einen zwischenzeitlichen Stromverlust, verloren gehen.
Ein guter Anfang
Im Rahmen des Projekts werden aber auch konkrete Szenarien, die sich an der tatsächlichen Ermittlungsarbeit von Polizei, Kriminaltechnik und Forensik orientieren, entwickelt. Forschende und Studierende werden bei der Polizei hospitieren, um einen besseren Einblick in den Alltag, die Bedürfnisse und Problemstellungen der realen Ermittlungstechnik zu erhalten sowie die Szenarien und Lösungen innerhalb des Projekts möglichst praxisnah und praxistauglich gestalten zu können.
Dabei ergibt sich eine Vielzahl von Auswertungsmöglichkeiten, die betrachtet und in Zusammenhang gestellt werden müssen. „Das ist natürlich eine Mammutaufgabe, die wir in zwei Jahren Projektlaufzeit sicher nicht vollumfänglich lösen können", so Büsching weiter, „aber wir können anhand von Beispielen aufzeigen, wo die Reise hingehen kann."
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