Wolfenbüttel. Die Kolpingfamilie Wolfenbüttel hatte zum Josef-Schutzfest in den voll besetzten Gemeindesaal der St.-Ansgar-Kirche eingeladen. Wie in jedem Jahr gedachten die Kolpingfamilien bundesweit dem Hl. Josef als ihren Patron, den Arbeiter und den Ziehvater des berühmtesten Kindes der westlichen Zivilisation, Jesus.
Thematisch ging es an diesem Nachmittag aber auch um den „anderen Joseph“ – nämlich Joseph Müller, der von 1926 bis 1932 als Präses der Kolpingfamilie Wolfenbüttel wirkte. Im April 1944 hatte Joseph Müller bei einer Gemeindeversammlung in Großdüngen einen „Hitlerwitz“ erzählt; ein Mitglied der Pfarrei zeigte ihn an. Er wurde verhaftet und vor dem Gerichtshof in Berlin erfolgte die Verhandlung. Im Prozess wurde ihm vorgeworfen, dass er am Endsieg gezweifelt hätte. Auch hätte er zu sagen gewagt, dass der Nationalsozialismus nur eine Konjunkturerscheinung sei.
Aber als schlimmstes Verbrechen wog die Anschuldigung, dass er als guter Jugendseelsorger die Arbeit der Staatsjugend erschwert und vereitelt hätte. Hochverrat und Untergrabung der Staatsautorität wurde dem „Pfaffen“ unterstellt sowie die Entfremdung der Jugend gegenüber dem ‚Führer’. Um jene zu schützen, die den Witz erzählt und gehört hatten, schwieg Joseph Müller. Noch im gleichen Jahr erfolgte seine Hinrichtung mit dem Fallbeil in Brandenburg-Görden. Die Gestapo überwachte nicht nur die Aktivität des Pfarrers, sondern auch seine Gottesdienste und Predigten. Als Sozialverband fühlt sich die Kolpingfamilie Wolfenbüttel verpflichtet, das Vergessen nicht einziehen zu lassen.
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