Kreis Wolfenbüttel. In Schandelah, Ortsteil Wohld, bestand ab Mai 1944 bis zum 10. April 1945 ein Außenlager des KZ Neuengamme. Über 800 Gefangene aus verschiedenen Ländern mussten hier unter unmenschlichen Bedingungen Ölschiefer abbauen. Aufgrund extrem schlechter Arbeitsbedingungen, Unterernährung, Misshandlungen und Erschießungen durch das Wachpersonal starben zirka 200 Häftlinge, 97 von ihnen sind seit Juli 1954 auf dem Friedhof von Scheppau begraben.
Am Buß- und Bettag 1982 fand am ehemaligen Lager die erste Gedenkfeier statt, organisiert von der Grünen Bürgerliste Wolfenbüttel/Cremlingen. 1985 wurde auf dem Lagergelände ein Gedenkplatz errichtet, auf dem seitdem jährlich, um den 1. Mai, Gedenkfeiern stattfinden.
Inzwischen liegen zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte des KZ Schandelah vor. Ungeklärt war bisher die Geschichte der Friedhöfe, auf denen die Verstorbenen ihre letzte Ruhe fanden. Bekannt war bisher, dass es am Rande des Lagers einen Friedhof gab, auf dem die Leichen zunächst in Einzelgräbern, später aufgrund von Holzmangel in Massengräbern bestattet bzw. verscharrt wurden. Kurz vor Auflösung des KZ musste dieser Friedhof auf Befehl eingeebnet werden, die Nachwelt sollte ihn nicht finden. Erließ sich aber nicht verheimlichen, denn bereits im September 1945 wurde der Schandelaher Bürgermeister aufgefordert, den Friedhof „ordnungsgemäß“ herzurichten.
Auf Veranlassung der englischen Militärregierung fanden vom 1.-3. und 6.-10. Mai 1946 Exhumierungen statt. Insgesamt wurden 113 sterbliche Überreste ausgegraben und auf einem neuen Begräbnisplatz bestattet. Aber auch auf diesem Friedhof fanden die Umgekommenen nicht ihre Ruhe. Da dieser Friedhof nur schwer zu erreichen war und zusätzlich noch in einem feuchten Gebiet lag, fand im Juli 1954 eine erneute Exhumierung statt und sie kamen auf den Friedhof in Scheppau.
Bis 2004 war der Standort des Lagerfriedhofes (1944-1946) in der Öffentlichkeit nicht bekannt. Der damalige Revierförster, Rainer Städing, hatte die Grabstelle mit einer Hecke und einem Zaun umgeben. Nach seiner Versetzung geriet alles wieder in Vergessenheit. Ende 2013 wurde zum ersten Mal über diesen Friedhof berichtet. Er sollte Teil der Gedenkstätte werden. Im Frühjahr 2014 ist zwischen der Gemeinde Cremlingen und den Landesforsten vereinbart worden, wie der ursprüngliche Lagerfriedhof in das Gesamtkonzept der Gedenkstätte eingebettet werden kann.
Wo aber war der zweite Friedhof, der von 1946-1954? Der Zufall spielte hier eine wichtige Rolle. Der ehemalige Reporter, Bernhard Kiekenap, hatte 1948 über den Friedhof berichtet, konnte sich bei einer Ortsbegehung aber nicht mehr an den genauer Standort erinnern. Den Bericht über diese Begehung las zufällig Andrea Vespermann, deren Tante, Ludwiga Günther (89 Jahre), seit ihrer Geburt in Scheppau lebt. Bei dem Interview im Juni 2014 war auch der Scheppauer Dieter Rehder anwesend, der sich noch an zahlreiche Einzelheiten erinnern konnte.
Am 14. August 2014 fand eine Ortsbegehung statt. Dieter Rehder fand die Stucken der von ihm 1956 auf den Hügeln der ausgehobenen Gräber gepflanzten Pappeln. Anhand der noch zahlreich vorhandenen Stucken konnte der 742 qm große zweite Friedhof räumlich eingegrenzt werden. Gemeinsam mit den Landesforsten steht nun die Überlegung an, wie dieser Bereich für Besucher sichtbar gemacht werden kann. Damit konnte eine weitere Lücke in der Erforschung des KZ Schandelah geschlossen werden.
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