Wolfenbüttel. Womit kann man selbst erfahrendste Wolfenbütteler noch in Erstaunen versetzen? Mit der so genannten Vierschanzen-Tournee unter Leitung von Dieter Kertscher. Das erlebten jetzt die Mitglieder der Wolfenbütteler Wirtschaftsgespräche. Dieser Freundeskreis um Benno Blumenberg besteht fast ausschließlich aus Ur-Wolfenbüttelern, doch Kertschers Einblicke in die Festungsgeschichte der Stadt waren allen unbekannt.
Der Vermessungsingenieur und Hobby-Historiker beschäftigt sich seit Jahren mit den Kasematten in der Altstadt - und eben mit den vier Schanzen, die einst der Stadt deutlich vorgelagert waren, um sie besser verteidigen zu können. Einem interessanten Bildervortrag Kertschers im Bus-Terminal des Reisebüros Schmidt schloss sich eine Rundfahrt zu den ehemaligen Schanzen an - stilecht im historischen Büssing-Bus Baujahr 1961.
Am beeindruckendsten ist zweifellos die Anlage der Weißen Schanze. Sie liegt zwischen der Uhlandstraße und dem Stormweg. Zwar befinden sich Park, Hof und Wohnhaus in Privatbesitz. Doch Kertscher ist es gelungen, die Bewohner zu bewegen, im Jahr eine Handvoll von Besuchen zuzulassen. Und nicht nur das. Die Familie von Krosigk gab den Gästen sogar eine Führung über ihr Grundstück. Blumenberg und Co spendeten im Anschluss spontan Applaus: Da oben war noch keiner von den Wolfenbütteler Wirtschaftsgesprächen je gewesen.
Dann ging es an zwei weiteren Ex-Schanzen vorbei, von denen weit weniger zu sehen ist: Unter einem Schutthügel am Wendesser Berg und in der Feldmark oberhalb des Kalten Tals. Doch obwohl sie längst im Erdreich untergegangen sind, konnte Dieter Kertscher eine ganze Fülle historischer Fakten und Anekdoten zum Besten geben.
Das Ende der unterhaltsamen Fahrt lag in Groß Stöckheim am Weg zur Schäferbrücke. Dort hatten die Busreisenden einen guten Blick auf einen Erdwall, den sie mit dem Auto Richtung Leiferde sicher schon hunderte Male überquert hatten. Heute kaum noch als künstliches Bauwerk erkennbar, durchschneidet dieser Wall doch noch das gesamte Okertal. "Das ist der ehemalige Schweden-Damm", erläuterte Kertscher - um gleich darauf zu erklären, dass dieser Name irreführend ist.
Tatsächlich sei die Stadt Wolfenbüttel mit Hilfe dieses Dammes zweimal von ihren Belagerern unter Wasser gesetzt und schließlich eingenommen worden. "Doch Schweden waren an den Baumaßnahmen so gut wie nicht beteiligt." Oberhalb des Dammes befand sich am Lechlumer Holz das vierte der Verteidigungsbollwerke auf der Tournee: Die Schwedenschanze - auch sie heute nicht mehr zu sehen.
Gleichwohl gab es viel Beifall nach der Rückkehr zum Bus-Terminal. Und Benno Blumenberg kündigte schon mal an, bei der alljährlichen Spendenaktion seines Freundeskreises in der Vorweihnachtszeit diesmal auch die Festungshistoriker um Dieter Kertscher zu berücksichtigen.
Mit Dieter Kertscher auf Vierschanzen-Tournee
| Foto: Dieter Kertscher