Kreis Wolfenbüttel. Die Vorbereitungen der Rückholung des Atommülls aus der Asse waren in den letzten Wochen von kontroversen Diskussionen gekennzeichnet. Die Landrätin des Landkreises Wolfenbüttel, Christiana Steinbrügge, ist Vorsitzende der Asse II Begleitgruppe (A2B), der Interessenvertretung der Region. Sie agiert in allen Fragen rund um die Rückholung des Atommülls aus der Asse als offizielle Ansprechpartnerin für das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Strahlenschutz. Christiana Steinbrügge wird am 14. Januar 2015 im Deutschen Bundestag die Obleute der Fraktionen des Umweltausschusses über den Begleitprozess der Rückholung des Atommülls informieren und sich den Fragen der Bundestagsabgeordneten stellen. Im folgenden Aufsatz äußert sich die Landrätin zur aktuellen Situation und zu den Herausforderungen der nächsten Monate, welchen wir nachfolgend ungekürzt und unkommentiert veröffentlichen:
„Wenn man sich die Medienberichte der letzten Wochen zum Thema Asse anschaut, könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Beteiligten hier an verschiedenen Enden des Stranges ziehen.
Und wahr ist, was die Medien berichten: Bei mehreren Fachthemen gibt es unterschiedliche Auffassungen zwischen den Experten des Bundesamtes und den Fachleuten, also den Physikern, Bergbauingenieuren und Geologen, die die A2B beraten. So wird zum Beispiel die Frage der trockenen Lagerung des Atommülls und der Umfang von Verfüllungsmaßnahmen im Schacht teilweise kontrovers diskutiert. Das gleiche gilt für die zeitlichen Planungen für den Schacht 5, also den Schacht, über den der Atommüll geborgen werden soll. Ferner gibt es natürlich ernste Diskussionen über die Frage, wann und auf welche Weise der Standort für das Atommüll-Zwischenlager ausgewählt werden soll.
Das sind wichtige Grundsatzfragen und die Diskussionen über diese Themen sind aus meiner Sicht deutlich noch nicht abgeschlossen. Wir sollten alle die Konzentration und die Geduld aufbringen, derer es bedarf, um bei kontroversen Themen im konstruktiven Gespräch zu verbleiben. Es bedarf der Sachlichkeit, der Offenheit und des gegenseitigen Respekts, um in den Sachfragen möglichst rasch weiter zu kommen.
Vertrauen muss mühsam erarbeitet werden, denn die fachliche und emotionale Ausgangslage ist komplex: Die Vertreter aus Ministerium, dem Bundesamt und der Asse GmbH fühlen gelegentlich ihre schwierige und engagierte Arbeit nicht ausreichend gewürdigt. Die Vertreterinnen und Vertreter der Region wiederum ärgern sich, wenn manche ihrer Fragen nicht präzise und zeitnah beantwortet, Anregungen nicht intensiv genug aufgegriffen werden und manche Arbeiten anscheinend nur schleppend vorangehen. So kommt es, dass manche Fachfragen gelegentlich emotionaler diskutiert werden als dies zielführend wäre.
Wichtig ist also, Regeln für eine möglichst konfliktarme Zusammenarbeit zu definieren. Dazu gehört unter anderem, dass Behörden die Mitarbeit im Begleitprozess nicht als lästige Zusatzarbeit empfinden und die Repräsentanten der Region die qualitativ und quantitativ anspruchsvolle Arbeit der Mitarbeiter in Ministerium, Bundesamt und Betreiber GmbH wertschätzen. Sachthemen sollten lösungsorientiert auf wissenschaftlich, technischer Grundlage diskutiert und alternative Vorschläge ernsthaft geprüft werden.
Um wieder mehr gegenseitiges Vertrauen aufzubauen, wollen sich die Beteiligten, also Vertreter des Ministeriums und Experten des Bundesamts für Strahlenschutz und Mitglieder der A2B demnächst außerhalb des normalen Sitzungsrhythmus treffen, um ohne Zeitdruck die Grundlagen der Zusammenarbeit gemeinsam zu reflektieren und gegebenenfalls anzupassen.Und wir wollen offen diskutieren, welche Veränderungen nötig sind, um Reibungsverluste zu vermeiden, Kräfte zu sparen und eine möglichst wirksame Beteiligung zu erreichen.
Ich bin optimistisch, dass uns diese zusätzlichen Arbeitstreffen voranbringen werden. Die Mitglieder der A2B haben kurz vor Weihnachten dazu bereits ein sehr konstruktives Positionspapier für die künftige Zusammenarbeit entwickelt.
Wo steht der Begleitprozess in der Sache selbst?
Wichtig ist, sich zu vergegenwärtigen, dass die organisierte Bürgerbeteiligung bereits bisher ein sehr großer Erfolg war.
Es ist mein Anliegen, dass wir nicht „das Kind mit dem Bade ausschütten.“ Der Begleitprozess ist zunächst einmal gesellschaftspolitisch ein großer Erfolg, der auch national und sogar international als Beispiel für eine bislang gelungene Bürgerbeteiligung gilt. Das sollte alle Beteiligten motivieren.
Durch diese wissenschaftlich unterstützte Bürgerbeteiligung ist es auch gelungen, die beschleunigte Rückholung des Atommülls (Lex Asse) gesetzlich zu beschließen. Durch diesen neuen gesetzlichen Rahmen können die Behörden und der Betreiber deutlich schneller planen, testen, ausschreiben und agieren als es ohne dieses Gesetz rechtlich möglich wäre.
Der Begleitprozess hat zur Transparenz beigetragen und bietet der Region die Möglichkeit, Fragen und Vorschläge in die Diskussion mit einzubringen.
Gerade in vielen Einzelfragen konnten durch das Zusammenwirken von Ministerien, Behörden und A2B Erfolge, zum Beispiel zeitlicher Natur, erreicht werden. Durch die regelmäßigen Gespräche zwischen den Experten des Bundesamtes für Strahlenschutz und den Wissenschaftlern der A2B sind gemeinsam Ideen entwickelt worden, die die Prozesse beschleunigen halfen oder dazu beitrugen, in Sachfragen schnell zu einer Lösung zu kommen. Ich denke zum Beispiel an die Anpassung des Notfallkonzepts, die Parallelisierung von Arbeiten, die Umgebungsüberwachung und die Firstspaltenverfüllung.
Ich bin davon überzeugt: Wenn alle Beteiligten die bisherigen Erfolge als Motivation nutzen und diese quasi als Kompass für ihre zukünftige Arbeit begreifen, haben wir große Chancen, den Prozess weiter zu straffen und das gemeinsame Ziel, die sichere Bergung des Atommülls aus der Asse, auch zu zügig wie möglich zu erreichen.
Und darüber hinaus könnte im Erfolgsfall unser Prozess für andere gesellschaftliche Projekte Pate stehen – quasi als Modell für ein funktionierendes Scharnier zwischen Staat und Zivilgesellschaft.
Diese Perspektiven sollten uns allen Ansporn und Motivation sein.

