Rollende Arztpraxis: Bessere medizinische Versorgung auf dem Land

von Thorsten Raedlein




Landkreis. Der demografische Wandel stellt die medizinische Versorgung in ländlichen Gebieten vor neue Herausforderungen: Immer mehr älteren Menschen stehen immer weniger niedergelassene Ärzte gegenüber. In Niedersachsen, insbesondere im Landkreis Wolfenbüttel, ist dieser Ärztemangel besonders stark zu spüren. Daher beteiligt sich Wolfenbüttel als einer von insgesamt drei niedersächsischen Modelllandkreisen an der Initiative „Zukunftsregion Gesundheit“ des Niedersächsischen Sozial- und Gesundheitsministeriums. Ein Projekt der ersten Stunde für Wolfenbüttel ist die „Rollende Arztpraxis“.

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Winnigstedts Bürgermeister Kurt Alpers als erster Patient in der Rollenden Arztpraxis. Foto:



Ab heute fahren Ärzte, die typische hausärztliche Leistungen erbringen, in einem medizintechnisch ausgestatteten Fahrzeug über die Dörfer. Dort betreuen sie Patienten, die selber keine Praxis aufsuchen können. Das Pilotprojekt ist zunächst bis Ende 2014 angesetzt. Vorbild sind ähnliche Projekte in der Schweiz.

„Die ‚rollende Arztpraxis’ ist ein hervorragender Beleg dafür, wie durch kooperative und konstruktive Zusammenarbeit neue Wege in der lokalen und regionalen Gesundheitsversorgung erprobt werden können. Hier kommt die Arztpraxis zu den Patientinnen und Patienten. Der nächste Schritt muss die Optimierung der Erreichbarkeit der ärztlichen Praxis sein. Ich bin überzeugt davon, dass Hausärztinnen und Hausärzte sowie Patientinnen und Patienten hiervon profitieren werden. Der ‚rollenden Arztpraxis’ wünsche ich einen guten Start“, sagte Jörg Röhmann, Staatssekretär Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Gesundheit, Familie und Integration zum „Startschuss“ in Winnigstedt. Der Einsatzradius der „Rollenden Arztpraxis“ ist bereits festgelegt: Im gesamten Landkreis Wolfenbüttel können Hausärzte die „Rollende Arztpraxis“ mit zeitintensiven Haus- und Heimbesuchen beauftragen, um sich so zeitlich zu entlasten.

Technisch ist die „Rollende Arztpraxis“ mit der beauftragenden Hausarztpraxis vernetzt. So stehen der mobile Arzt und der Hausarzt im direkten Austausch. Für solche beauftragten Hausbesuche sind zunächst sechs Stunden pro Woche eingeplant. Die mobile Praxis fährt zudem an festen Wochentagen zunächst sechs Dörfer im Kreisgebiet an, wo im Ort oder in der unmittelbaren Umgebung kein Hausarzt niedergelassen ist. Dies ist in den Gemeinden Dahlum, Roklum, Cramme, Flöthe, Winnigstedt und Hedeper der Fall. Bis zum heutigen Betriebsstart waren einige Arbeitsschritte nötig: Das Innenleben des Volkswagen Crafter, der die Arztpraxis beherbergt, wurde den medizinischen Anforderungen entsprechend umgestaltet.

Dabei darf der Kleintransporter nicht mehr als 3,5 Tonnen wiegen, damit ihn Ärzte mit einem Führerschein der Klasse B fahren können. Die komfortable Einrichtung ermöglicht eine umfassende medizinische Behandlung, unter anderem sind ein tragbares EKG-Gerät, ein Blutdruckmessgerät sowie ein Akutlabor vorhanden. Ein Ziel der „Rollenden Arztpraxis“ ist es, die Ärzte in den Dörfern zeitlich spürbar zu entlasten, so dass auch Nachwuchskräfte eher bereit sind, sich auf dem Land niederzulassen. Laut der aktuellen ärztlichen Bedarfsplanung könnten sich in Niedersachsen derzeit 360 zusätzliche Hausärzte in ländlichen Regionen niederlassen. Allerdings entscheidet sich ein Großteil der Ärzte für die Städte.

Auch für die Gemeinden wären mehr niedergelassene Ärzte auf dem Land von Vorteil: Eine gute ärztliche Versorgung trägt zu einer hohen Lebensqualität bei, die für Bürger bei der Entscheidung aufs Land zu ziehen von Bedeutung ist, meinen die Initiatoren des Projektes. Die Rollende Arztpraxis ist ein Erfolgsbeispiel für die Kooperation zwischen verschieden Bereichen. Die Projektpartner haben die inhaltliche und rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen und kümmern sich um die medizinische Ausstattung des von Volkswagen Nutzfahrzeuge gestellten Fahrzeugs. Die TU Braunschweig begleitet und evaluiert das Projekt wissenschaftlich. Das Pilotprojekt ist bis Ende 2014 angesetzt. Bis dahin soll geprüft werden, ob die „Rollende Arztpraxis“ von den Patienten angenommen wird und somit als langfristige Maßnahme gegen den Ärztemangel in Frage kommt.


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