Wolfenbüttel. Im Verlauf des zweiten Grünen-Dialogs zum Thema "Mangelt es in Wolfenbüttel an Stadtgrün?" kam auch das Thema Schottergärten zur Sprache - verbieten könne man diese laut Stefan Brix schon rein rechtlich nicht, doch die anwesenden Experten zeigten auf, dass es mit der vermeintlichen Pflegeleichtigkeit der "Steinwüsten" nicht weit her ist.
Ulrike Krause, Fraktionsvorsitzende der Grünen und Stefan Brix, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Grünes Mitglied im Bauausschuss, diskutierten in der Lindenhalle mit dem Landschaftsarchitekten Manfred Dicks, Sebastian Glatter (Inhaber der Firma Roßberg Garten- Landschafts- und Umweltbau) und Axel Bertram als Bezirksvorsitzendem der Kleingärtner Wolfenbüttel nicht nur über den neuesten Antrag der Grünen. Denn zum Stadtgrün gehören letztlich auch Privatgärten.
Der Kleingarten als grünes Refugium
Axel Bertram, Bezirksvorsitzender der Kleingärtner Wolfenbüttel kann sich nicht beklagen. Alle Kleingartenparzellen seines Vereines seien besetzt. Dies sei auch der aktuellen Situation geschuldet. Doch über kurz oder lang stellen viele fest, dass so ein Garten auch Arbeit macht: "Es ist ja nicht so, dass ich nur irgendwelche Gemüsesorten anbaue, mein Blumenbeet muss ich sauber halten, der Rasen muss gemäht werden, da kommt es sehr schnell zu einer gewissen Resignation wo man mit Leuten sprechen muss und ihnen sagt, du musst jetzt, mal krass gesagt, da durch, denn es kommt auch der Zeitpunkt, wo du dich wieder über deinen Garten freust." Das Kleingarten-Klientel bestehe fast ausschließlich aus Bewohnern von Mehrfamilienhäusern. "Und wenn der ein oder andere sich ein Haus gekauft hat, gibt er den Kleingarten auf."
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"Schottergärten sind tote Gärten"
Stefan Brix, Ratsherr der Grünen in der Talkrunde, sieht das aber auch als Vorteil - Schließlich kann man einen Kleingarten abgeben, wenn man sich nicht mehr darum kümmern möchte. Wer es um das Eigenheim herum vermeintlich pflegeleicht haben will, greift dann schnell zu Vließplane und Kies - Ein Schottergarten entsteht. Er besticht mit sauberer Optik, verspricht pflegeleicht zu sein und macht einfach einen aufgeräumten Eindruck, ist aber eine Katastrophe für seine Umgebung - wie Ulrike Krause, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Rat der Stadt Wolfenbüttel, berichtet: "Schottergärten sind immer tote Gärten. Da gibt es kein wildes Grün, kein Unkraut, was auch wichtig ist für viele Insekten und das sogenannte Mikroklima am Boden. Das ist für die wirklichen Schottergärten, wo unter dem Kies alles abgedeckt ist, überhaupt nicht mehr gegeben. Da gibt es bessere Alternativen."
Schottergärten, Steingärten und mineralischer Mulch
Axel Bertram (Bezirksvorsitzender der Kleingärtner Wolfenbüttel), Sebastian Glatter (Inhaber der Firma Roßberg Garten- Landschafts- und Umweltbau) und Manfred Dicks (Landschaftsarchitekt). Foto: regionalHeute.de
Sebastian Glatter, Inhaber der Firma Roßberg Garten- Landschafts- und Umweltbau, stellt klar, dass viele Steine nicht gleich tote Erde bedeuten müssen. "Vlies, Kiesschüttung darauf, vielleicht noch das grüne Formgehölz, das ist biologisch nicht nutzbar. Dieser Garten ist einfach tot. Dann gibt es den Steingarten. Man sieht es ja zum Beispiel auch am mineralischen Mulch an der Schweigerstraße im Kreisverkehr, da kann man gar nicht widersprechen, da steckt genau so viel Leben drin wie in einem kleinräumigen biologischen Garten. Und ein Steingarten ist ja auch eine Gestaltungsart mit den entsprechenden Pflanzen, die in der Natur auch in den entsprechenden Bereichen entstehen würden. Wenn man das richtig macht, ist da auch eine Menge Leben drin."
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"Eine durchdachte Bepflanzung ist auf lange Sicht besser"
Die vermeintliche Pflegeleichtigkeit des Schottergartens sei laut Glatter ohnehin nur von kurzer Dauer: "Jeder hat einen Nachbarn, und der Nachbar hat garantiert einen Baum. Und wenn auf den Kies Laub fällt, ist es vorbei. Die Natur ist immer stärker, da ist immer Staub, Dreck, Laub, und dann ist man beim Unkraut zupfen. Der Schottergarten ist nur für die ersten zwei bis drei Jahre pflegeleicht. Eine durchdachte Bepflanzung ist auf lange Sicht besser", erklärt Glatter. Landschaftsarchitekt Manfred Dicks pflichtet bei: "Die Kritik an Schottergärten geht aber noch weiter: Dadrunter findet gar nichts mehr statt. Das Bodenleben ist ja auch zerstört. Man hat am Ende dann einen toten Boden."
Schottergärten einfach verbieten?
Soll man sie verbieten? Stefan Brix sieht dazu rechtlich derzeit keine Möglichkeit, vor allem nicht bei bereits bestehenden Schottergärten. Bei Neubaugebieten könne man es allerdings in die Bauordnung aufnehmen. "Man muss da einfach eine Grenze ziehen. Wenn man den Boden versiegelt und vom restlichen Leben abtrennt, das sollte man klar verbieten." Brix hofft, dass das Land Niedersachsen tätig wird: "Am Ende ist ein schöner, grüner Garten das, was man eigentlich haben will, und diese Schottergärten sehe ich auch als Zeiterscheinung. Andere Bundesländer haben das bereits in ihren Bauordnungen verboten." Auch das Argument, dass es doch jedermanns eigene Sache sei, was er mit seinem Garten macht, lehnt Brix ab: "Es ist das Klima der Stadt, was damit beeinflusst wird. Es ist nicht nur meine Sache."
Landschaftsarchitekt Dicks nennt Beispielhaft das Baugebiet über dem Okertal: "Man ist erschrocken, wie wenig Grün da überhaupt ist. Und dieses fehlende Grün wird ersetzt durch Steinflächen, die sehr viel Wärme speichern. Natürlich wird sich das Mikroklima dadurch ändern." Er appelliert an die Hausbesitzer: "Ich habe Verantwortung für den Grund und Boden, auf dem ich baue, und von daher finde ich, dass es sich verbietet, diesen Boden zu zerstören und das zu seiner Steinwüste verkommen zu lassen."
Gartenscouts gegen fixe Ideen
Die Beteiligten sind sich schnell einig, dass es den Schottergarten-Architekten vor allem auch an der Aufklärung über ebenso pflegeleichte, aber deutliche lebendigere Alternativen mangele. Ulrike Krause hat einen Vorschlag: "Vielleicht könnte man auch mal so einen ehrenamtlichen Gartenscout ins Leben rufen, der erstmal berät, auf die Leute aktiv zugeht, die ein Haus bauen und quasi schon anfangen mit dem Schotter und ihnen sagen 'haben sie sich das wirklich überlegt?'. Ich glaube, dass die Leute auch tatsächlich im Grunde genommen das Grün lieben und es die Arbeit ist, die im eigenen Garten gescheut wird." Sebastian Glatter findet die Idee sehr interessant: "Man muss auch sehen, da ist ein Neubaugebiet, das Klientel sind junge Familien, beide noch arbeitstätig, die Zeit für den Garten fehlt einfach - aber wenn man das zeigt, wie schnell sowas auch einfach geht?" Neben dem Spielbereich für das Kind könne man vieles auch einfach wachsen lassen. "Das muss dann aber auch der Nachbar akzeptieren - Und daran hapert es meistens: an der Aufklärung."
Im Video: Grünen-Dialog - Mangelt es in Wolfenbüttel an Stadtgrün?
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