Schünemann: „Deutschland ist von Piratenangriffen am stärksten betroffen“


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„Deutschland ist von Piratenangriffen am stärksten betroffen. Im ersten Halbjahr 2011 waren 33 Schiffe deutscher Reedereien Opfer eines Piratenangriffes“, sagte Innenminister Uwe Schünemann auf der Fachtagung “Piraterie und ihre Bekämpfung” heute in Berlin. Diese Entwicklung sei dem aktuellen Pirateriebericht der “Bundespolizei See” zu entnehmen.

Die Piraterievorfälle haben danach im ersten Halbjahr 2011 weltweit einen neuen Höchststand erreicht. Im Vergleich zum Vorjahr wird von einer Zunahme um 35 Prozent ausgegangen. Im internationalen Vergleich ist fest zu stellen, dass Schiffe deutscher Reedereien damit überproportional stark von der Piratenplage betroffen sind.

„Deutschland ist die zweitgrößte Außenhandelsnation, verfügt über die drittgrößte Handelsflotte der Welt und wickelt rund 90 Prozent des internationalen Handels über Schiffe ab. Deutschland ist damit wie kaum eine andere Nation auf freie und sichere Seewege angewiesen. Diese Sicherheit wird allerdings durch Seepiraterie bedroht“, so der Innenminister. Zu beklagen sind nicht nur wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe, sondern auch oft monatelange Geiselnahmen. Immer häufiger kommen Seeleute durch Piratenangriffe ums Leben.

Niedersachsen ist nach Hamburg der zweitgrößte maritime Standort Deutschlands. So sind allein in Niedersachsen 160 Reedereien ansässig, die über 1.250 Handelsschiffe verfügen. Niedersächsische Reeder oder aus Niedersachsen stammende Seeleute waren schon mehrfach Opfer von Piratenangriffen. In zahlreichen Fällen hat das Landeskriminalamt Niedersachsen auch vor Ort Ermittlungen durchgeführt. Erst im April dieses Jahres wurde mit der „Susan K“ wieder ein Schiff eines niedersächsischen Reeders von somalischen Piraten entführt.

Angesichts dieser besonderen Betroffenheit Niedersachsens und der sich insgesamt zuspitzenden Piratenplage hatte der Niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann zu einer Fachtagung nach Berlin eingeladen. Vor rund 200 Teilnehmern stellten Vertreter der Deutschen Marine, der Bundespolizei, der deutschen Reeder und der privaten Sicherheitswirtschaft Maßnahmen zur Bekämpfung der Seepiraterie vor und diskutieren mit dem Publikum über weitere Möglichkeiten zur Sicherung der Handelswege und über deren rechtliche Rahmenbedingungen. Mit Flottillenadmiral Hijmans, der erst kürzlich aus einem Einsatz am Horn von Afrika zurückkehrte, referierte in Berlin auch ein Vertreter der niederländischen Marine.

„Die Niederländer haben bereits erfolgreich ein deutsches Handelsschiff aus den Händen der Seeräuber befreit. Und damit es erst gar nicht dazu kommt, dass Seeleute den Piraten in die Hände fallen, lassen unsere Nachbarn hoheitliche Schutzteams an Bord ihrer Handelsschiffe mitfahren. Daran sollte sich Deutschland ein Beispiel nehmen“, so der Minister. Im Rahmen der EU-Operation ATALANTA setzt auch die Deutsche Marine vor Somalia Schutzteams ein – bisher aber nur auf Schiffen des Welternährungsprogramms. Das müsse ausgeweitet werden, betonte Schünemann. „Gerade Deutschland steht hier besonders in der Pflicht, sind doch die Schiffe deutscher Reeder im internationalen Vergleich die häufigsten Opfer von Piratenangriffen“.

Zudem gibt es Anzeichen dafür, dass Teile der an die Piraten gezahlten Lösegelder als `Schutzgelder` an islamistische Gruppierungen fließen. So kontrollieren islamistische Extremisten der Miliz Al-Shabaab Küstenregionen Somalias und damit die Heimathäfen der Piraten. Diese islamistischen Kämpfer stehen teilweise in Verbindung mit Al Qaida. „Je lukrativer und professioneller die Seepiraterie am Horn von Afrika wird, desto höher wird das Risiko, dass islamistische Terrornetzwerke daraus Nutzen ziehen. Es wäre sicherheitspolitisch fatal, wenn am Horn von Afrika eine `Achse des Bösen` zwischen Seepiraten und islamistischen Terroristen entstehen würde“, sagte Schünemann.

Der niedersächsische Innenminister forderte auf der Tagung ein abgestimmtes Gesamtkonzept zur Bekämpfung dieser besonders aggressiven Form des organisierten Verbrechens: „Hier kann nur ein ganzheitlicher Ansatz zielführend sein, der eine wirkungsvolle Eigensicherung der Schiffe mit hoheitlichen Maßnahmen durch Deutsche Marine und Bundespolizei mit abgestimmten Einsätzen von zertifizierten privaten Sicherheitsdiensten verbindet.“


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