Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann hat heute die Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität 2011 vorgestellt. „Insgesamt liegen die Zahlen der politisch motivierten Kriminalität im Jahr 2011 auf Vorjahresniveau. Die konsequente Strafverfolgung und die intensive Präventionsarbeit insbesondere der Polizeibeamtinnen und –beamten haben zu dieser Entwicklung geführt“, so Schünemann.
Im Jahr 2011 wurden in Niedersachsen insgesamt 2.957 politisch motivierte Straftaten polizeilich registriert. Im Vergleich zum Vorjahr 2010, in dem noch 2.895 Delikte zu verzeichnen waren, ergibt sich ein leichter Anstieg um 62 Delikte (ca. 2,14 %). Eine Besonderheit ist der deutliche Anstieg der politisch motivierten Gewaltdelikte, nämlich um 23,84 %, der insbesondere auf der Zunahme der linksmotivierten Gewalttaten beruht. Insgesamt sind 400 Gewaltdelikte in allen Phänomenbereichen (323 im Vorjahr) polizeilich erfasst worden.
Deutlicher Rückgang der politisch motivierten Kriminalität -Ausländer-
Im Jahr 2011 wurden im Bereich der Politisch motivierten Ausländerkriminalität insgesamt 29 Straftaten (Vorjahr 150) polizeilich registriert. Dies ist eine deutliche Abnahme um ca. 80,67 %. In der Vergangenheit wurde dieser Phänomenbereich nicht nur in Niedersachsen von Straftaten der PKK dominiert. Ein deutlicher Schwerpunkt lag im Bereich der Verstöße gegen das Vereinsgesetz, unter anderem Spendengeldsammlungen und Aufrechterhaltung der Strukturen der mit Betätigungsverbot belegten PKK. „Durch gezielte polizeiliche Maßnahmen, die in den vergangenen Jahren zur Einleitung einer Vielzahl von Strafverfahren führten, wurde offenbar Wirkung erzielt und das Straftatenaufkommen der PKK im Jahr 2011 eingedämmt“, so der Innenminister. Seit September 2011 gibt es zudem aufgrund eines Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) eine Änderung in den Zuständigkeiten bei der Verfolgung von Straftaten der PKK. Demnach sind Führungspersönlichkeiten seit 2011 wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu verfolgen, so dass der Generalbundesanwalt das Bundeskriminalamt (BKA) mit der Durchführung dieser Ermittlungen beauftragen kann.
Globale Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus weiterhin existent
Die konsequente Bekämpfung des islamistischen Extremismus und insbesondere die Verhinderung von Terroranschlägen darf trotz der aktuellen Ereignisse im Zusammenhang mit den Straftaten der NSU („Nationalsozialistischer Untergrund“) nicht vernachlässigt werden. „Die intensivierte Gefährdungslage hat nach wie vor Bestand und es muss auch in Zukunft mit Anschlägen oder Anschlagsversuchen jeglicher Intensität gegen deutsche Interessen im In- und Ausland gerechnet werden“, so Schünemann. Im Jahr 2011 wurden in Niedersachsen insgesamt 3 Strafverfahren im Themenzusammenhang „Islamismus“ eingeleitet. Dabei handelt es sich um ein Verfahren wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, eine gefährliche Körperverletzung sowie eine Beleidigung. Im vergangenen Jahr war auch festzustellen, dass die Nutzung des Internets als Propaganda, Rekrutierungs- und Meinungsbildungsforum weiter an Bedeutung gewinnt.
Anzahl der rechten Gewaltdelikte nahezu unverändert
Die Gesamtzahl der rechtsmotivierten Straftaten lag im Jahre 2011 in Niedersachsen bei 1.511 Delikte. Gegenüber dem Vorjahr, in dem 1.441 Straftaten registriert wurden, ist ein Anstieg um ca. 4,86 % zu konstatieren. Die sogenannten Propagandadelikte (hauptsächlich Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) bilden dabei mit 978 Taten weiterhin den größten Anteil (ca. 64,7 %) an den Gesamtstraftaten. Über die Hälfte dieser Delikte wurde vorrangig im öffentlichen Raum in Form von Schmier-/Sprühaktionen oder verbalen Attacken verübt.
Bei den gegen Angehörige der linken Szene gerichteten Straftaten ist gegenüber dem Vorjahr eine deutliche Zunahme um 35,14 % festzustellen. Im Jahr 2011 waren 101 Delikte zu verzeichnen, im Jahr 2010 noch 74.
Die Anzahl der rechtsmotivierten Gewaltdelikte liegt mit 87 Fällen etwa auf dem Niveau des Vorjahres (85 Taten). Darunter befanden sich 74 Körperverletzungsdelikte (Anteil von ca. 85 % an Gewaltdelikten). Bei nahezu jeder zweiten Gewalttat stand der Täter unter Alkoholeinfluss. Die Gewaltdelikte wurden vorwiegend mit einer fremdenfeindlichen Motivation (37 Taten) oder im Rahmen von Auseinandersetzungen mit Angehörigen der linken Szene (27 Taten) begangen.
Die Ermittlungen im Zusammenhang mit den Straftaten der terroristischen Gruppierung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) haben bisher keine Anzeichen auf rechtsterroristische Strukturen in Niedersachsen ergeben. Die Täter wurden von Rechtsextremisten in mehreren Bundesländern unterstützt, darunter auch von mindestens einem in Niedersachsen ansässigen Rechtsextremisten. Die Ermittlungen zeigen, dass ohne dieses Netzwerk an Unterstützern das jahrelange Leben im Untergrund und die Begehung schwerster Straftaten so vermutlich nicht möglich gewesen wären. Zur Feststellung möglicher Bezüge zwischen niedersächsischen Rechtsextremisten und der NSU, zur Überprüfung sämtlicher Maßnahmen der niedersächsischen Sicherheitsbehörden sowie der Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsbehörden wurden durch den Minister für Inneres und Sport Arbeitsgruppen bei Polizei und Verfassungsschutz eingerichtet.
Linke Gewaltdelikte erreichen neuen Höchststand
Im Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität -Links- wurden für das Jahr 2011 in Niedersachsen 1.123 Straftaten registriert. Dies entspricht im Vergleich zum Vorjahr (1.096 Delikte) einem leichten Anstieg um ca. 2,46 % und stellt zurückblickend auf die vergangenen Jahre einen neuen Höchststand dar. Im Zusammenhang mit dem Castortransport und den Protesten am Zwischenlager Gorleben kam es im Jahr 2011 zu insgesamt 431 Straftaten. Es wurden Delikte wie Körperverletzung, Gefährlicher Eingriff in den Straßen- und Schienenverkehr, Widerstand, Sachbeschädigung, Landfriedensbruch sowie Verstoß gegen das Versammlungsgesetz verübt. Im Jahr 2010 waren noch 376 Taten zu verzeichnen.
„Die linksmotivierten Gewaltdelikte haben ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen und stellen im Langzeitvergleich ebenfalls einen neuen Höchststand dar“, so Innenminister Schünemann. Die Zahl der Gewaltdelikte nahm deutlich um ca. 31,42 % zu. Dies entspricht einer Steigerung von 226 Taten im Jahr 2010 auf 297 Taten im Jahr 2011. Diese starke Zunahme ist vor allem auf die Gewaltausübung bei Protesten gegen den Castor-Transport im Wendland zurückzuführen. In diesem Zusammenhang waren 2011 mit 177 Gewaltdelikten gegenüber 2010 mit 124 Gewaltdelikten deutlich mehr verübt worden. Damit wurden über die Hälfte (59,6 %) der linksmotivierten Gewaltdelikte anlässlich des Castor-Transports begangen. Es kam zu Straftaten wie Sachbeschädigungen an Gleisen („Schottern“), Gewalt gegen Polizeikräfte oder auch der Einsatz von Wurfgeschossen wie mit Schrauben durchsetzte Golfbälle.
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