„Sie müssen nichts bezahlen“ – Andacht von Weihbischof Nikolaus Schwerdtfeger




[image=5e1764c5785549ede64cce3a]„Könnten Sie mir das auch weihnachtlich einpacken?“, frage ich die Verkäuferin nach dem Kauf einer Reisetasche. „Da müssen Sie in den ersten Stock gehen, da ist unser Geschenkeservice.“ Also gehe ich dahin. Vor mir stehen schon Leute an, und die Frau, die einpackt, macht es wirklich schön. Allerdings dauert es. Sie hat alle Zeit der Welt. Endlich komme ich an die Reihe.

„Oh, dafür können wir aber kein normales Weihnachtspapier nehmen, das reicht nicht aus.“ Ihr Blick geht prüfend über ihre verschiedenen Geschenkpapiere. „Wenn Sie einverstanden sind, packe ich es Ihnen in ein Silbersäckchen ein. Und falls es Ihnen nicht gefällt, packe ich es auch wieder aus.“ Also gut. Das Silbersäckchen ist eine große Tüte in Silberfolie. Die Dekorateurin versucht die Tasche da hinein zu bekommen. Doch auch das Silbersäckchen ist nicht groß genug. Sie schaut sich um. Festes Kinderpapier mit Teddybären-Muster ist noch da. Ich schlucke etwas. Glücklicherweise reicht auch hier das Papier nicht aus.

Dann also doch zurück zur Silberfolie. Sie schlitzt die Tüte an einer Seite auf und kann damit die Hälfte der Tasche bedecken. Eine zweite Tüte muss her. Und dann vorn noch Folie von einem dritten Silbersäckchen. Die Frau macht das alles in großer Ruhe: „Dem Dekorateur ist nichts zu schwer“, sagt sie dabei. „Es darf auch ruhig etwas zerknautscht sein. Das kommt nachher schon hin.“ Langsam verschwindet die Tasche unter der silbernen Folie. „Ich staune, wie Sie das können“, sage ich. „Ich staune auch“, antwortet sie. Schließlich macht sie mit dem Rest der Silberfolie noch eine Dekoration obendrauf: Das Geschenk ist eingepackt. „Jetzt möchte ich es doch nicht wieder auspacken“, schaut sie ganz zufrieden auf ihr Werk. „Damit kann ich mich bestimmt gut sehen lassen“, sage ich, „das wird große Freude machen!“ „Ja, das wünsche ich Ihnen auch“, erwidert sie. Und ich wundere mich im Stillen, mit wie viel Geduld und Liebe diese Frau für andere Weihnachtsgeschenke einpackt…!

Ach ja, da steht noch ein Hinweis. Wer nicht das normale Weihnachtspapier des Kaufhauses nehmen will, sondern ein schöneres, muss – so lese ich über dem Geschenkepacktisch – einen Euro für die SOS-Kinderdörfer geben. Doch zu mir hat die Dekorateurin gleich gesagt, bei der Größe der Tasche würde sie ohnehin ein anderes Papier nehmen und darum gelte dieser Hinweis nicht für mich. Als am Ende doch etwas in die Büchse fällt, sagt sie: „Sie brauchten doch nichts zu bezahlen!“ Und während ich mit meiner so schön eingepackten Reisetasche von dannen ziehe, ruft sie mir noch nach: „Fröhliche Weihnachten!“ Nur der Mann hinter mir schaut etwas missmutig.

Jetzt, wo Weihnachten da ist, kommt mir diese Frau wieder in den Sinn: Ob Gott das mit seinen Gaben auch so macht wie diese Frau – sie mit so viel Geduld und Liebe verpackt? Viele Male und auf vielerlei Weise, so habe ich in einem alten Brief gelesen, hat Gott seine Geschenke an die Menschen eingepackt. Zuletzt aber hat er alles, was er zu schenken vermag, in ein paar Windeln gewickelt. Ja, kann man sich denn mit einem solchen Geschenk an Weihnachten überhaupt sehen lassen? Ein armseliges Kind in Windeln gewickelt ist nicht gerade ein glänzender Gottesbeweis, für viele eher das Gegenteil. Aber vielleicht hat Gott darin doch seine unergründliche Liebe und seine unglaubliche Friedfertigkeit eingepackt, sich selbst sogar. Wer weiß?!

Dann sagt sein Geschenk, sagt dieses armselige Kind: So nah war Gott nie – all denen, die selbst armselig sind und Wärme brauchen und Wohlwollen; all denen, die einfach unscheinbar da sind und leicht vergessen werden. So nah war Gott nie – uns allen mit unserer Bedürftigkeit und unserem Anstehen nach Himmel. Dann sagt Gott mit seinem Geschenk, mit diesem in Windeln gewickelten Kind: Dass er uns eine große Freude machen will. Und dass wir nichts bezahlen müssen. Und dass wir nicht missmutig sein sollen.

Weihbischof Dr. Nikolaus Schwerdtfeger