Wolfenbüttel. Bürgermeister Thomas Pink kam zum Jahresgespräch bei den "Wolfenbütteler Wirtschaftsgesprächen" (WW), einem Freundeskreis von Selbständigen und Geschäftsführern um den Gründer Benno Blumenberg. Pink berichtete von einem gut bestellten Haus, wobei ihm vor allem der Stolz auf die völlig reibungslose Betreuung der rund 1.000 Flüchtlinge anzumerken war, die seit Monaten in der Lessingstadt leben.
"Schon im Frühjahr 2015 haben wir im Rathaus ein ausgefeiltes Konzept der sozialpädagogischen Betreuung dieser Menschen erarbeitet", sagte er. Seitdem laufe die Flüchtlingsarbeit geräuschlos und effektiv: "Wir haben Integrationskurse und Sprachklassen, ab Sommer wollen wir in den Gesellschaften der Stadt Beschäftigungsmöglichkeiten anbieten."
Dies alles sei vor dem Hintergrund der "katastrophalen Zuarbeit von Bund und Land" keine Selbstverständlichkeit. Den Verfahrensablauf könne niemand verstehen, berichtete der Verwaltungsexperte. "Die Zusammenarbeit mit den staatlichen Stellen ist nach wie vor das reine Chaos." Es gebe auf allen übergeordneten Ebenen Sachbearbeiter, die Entscheidungen träfen, ohne je einen Kontakt zu Flüchtlingen oder betroffenen Kommunen gehabt zu haben.
Im Rathaus rechne man damit, dass 50 bis 60 Prozent der 1.000 Flüchtlinge länger in der Stadt bleiben werden. "Damit aber das Jugendgästehaus mittelfristig wieder zur Verfügung steht, errichten wir für sie am Schützenplatz modulare Wohnungen - aber nicht nur für sie, denn wir wollen Ghettobildung vermeiden."
Überhaupt komme der Wohnraumentwicklung steigende Bedeutung zu. Innerhalb eines Jahres habe Wolfenbüttel im Frühjahr 2016 fast 800 Einwohner mehr gehabt. "Wir sind eine der wenigen Kommunen in der Region, die wachsen", sagte Pink. Verantwortlich dafür sei einmal die Attraktivität der Stadt für Auswärtige, andererseits der ungebrochene Trend zu Single-Wohnungen. "Bis 2020 hat die Stadt einen Bedarf von 275 Wohneinheiten - jährlich."
Nicht nur für die Unterbringung der Studenten gebe es darum seit Kurzem ein Leerstandskataster für die Innenstadt. Auch das Baulückenkataster werde schrittweise ausgeschöpft. WW-Mitglied Martin Roßa wollte vom Bürgermeister wissen, wie es mit der ehemaligen Steeneck&Bähr-Immobilie weitergehe. "Ich weiß, dass mittlerweile alle Anspruchsberechtigten dieses Erbe ausgeschlagen haben", sagte Roßa. Darum gehe das Häuser-Ensemble nun in die erste Runde der Zwangsversteigerung: "Wird sich die Stadt daran beteiligen?"
"Dazu gebe ich im Moment keinen Kommentar ab", sagte Pink. Fest stehe, dass sich die fraglichen Fachwerkhäuser im Sanierungsgebiet befinden. "Wer immer es kauft, kann mit unserer Unterstützung rechnen, Mittel stehen zur Verfügung." Im Rathaus gebe es allerdings keine Pläne, bei der Versteigerung selbst aktiv zu werden - schon gar nicht beim ersten, hochpreisigen Termin. "Gleichwohl verfolgen wir den Verlauf des Verfahrens sehr genau."
WW-Mitglied Carsten Richter kritisierte, dass sich der Umbau der Reichsstraße um sechs Wochen verzögern wird. "Wir Geschäftsleute vom Kornmarkt haben uns kaum von der ewigen Umbauphase dort erholt, und jetzt das." Der Bürgermeister bedauerte die Entwicklung, doch liege sie nicht in der Hand der Stadt. "Das hat keine internen Gründe, vielmehr sind sämtliche Baufirmen ausgebucht."
Dankbar zeigte sich Pink für einen Hinweis von Henning Wein. Der Architekt berichtete, die kürzlich prämierten Pläne für den Umbau des Schlossplatzes habe es schon mal gegeben - in den 1980er-Jahren. "Wir kann es sein, dass diese seitdem ungenutzt in einer Rathaus-Schublade liegen?", fragte Wein. "Wir werden nachsehen", versprach der Bürgermeister. Allerdings habe es in mehr als 30 Jahren manchen Personalwechsel gegeben. "Da kann schon mal was in Vergessenheit geraten."
Auch die Kritik von Dieter Richter griff Pink positiv auf. Der Bäckermeister meinte unter dem Applaus seiner WW-Kollegen, "die Parkplätze auf dem Schlossplatz sind das größe Gut, das Wolfenbüttel hat - gerade für Auswärtige. Wie kann man auf die Idee kommen, diese Regelung durch die Umgestaltung zu kippen?" Der Bürgermeister regte an, solche Bedenken in den Prozess einzuführen. "Wir haben den Wettbewerb, die Bürgerbeteiligung und schließlich den Ratsbeschluss. Bringen Sie sich ein, auch der Kontakt zur Politik könnte helfen. Wer seine Bedenken nicht vorträgt, kann nicht erwarten, dass sie berücksichtigt werden."
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