“Die Aufgabe der christlichen Mission heute ist es, sich mit der Situation religiöser Indifferenz auseinander zu setzen.“ Darauf wies jetzt Wolfgang Tiefensee, Professor für katholische Theologie an der Universität Erfurt, auf einem Symposium des Gemeindekollegs der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) in Neudietendorf unter dem Titel „MissionArt“ hin. Die Kirchen stünden historisch gesehen erstmals vor der Aufgabe, ihren Glauben gegenüber Menschen zu vertreten, die religiös nicht ansprechbar seien.
Mit religiös indifferent seien Menschen gemeint, die „nicht einmal mehr wissen, was mit der Gottesfrage gemeint sei“ sagte Tiefensee vor den rund 80 Teilnehmern. Ein tragfähiges Verständnis von Mission erfordere daher „eine Ökumene der dritten Art“. In der Ökumene erster Art hätten sich die Konfessionen einer Religion einander angenähert, die Ökumene der zweiten Art habe sich auf die Verständigung der Religionen bezogen. In Zukunft müsse man „zu einer Ökumene der dritten Art zwischen Religiösen und Areligiösen kommen“.
Aus Sicht der Praktischen Theologie stellte Professor Jan Hermelink, Göttingen, erste Ideen für das Miteinander von religiös Interessierten und nicht Interessierten vor. So könne ein gemeinsames Thema in der „Stärkung des Einzelnen wie auch der Gesellschaft insgesamt“ liegen. Mission sei zudem als handwerkliche Kunst zu begreifen, die sich weniger durch Argumentation oder Suggestion als vielmehr durch „ Zeigen, Darstellung und Inszenierung“ auszeichne. Daher sei Mission auch nicht „jedermanns Sache“, „denn missionarisches Handeln erfordert Talent, Freiraum und Inspiration“, so Hermelink. In der weltweiten Dimension schließlich sei die Kunst der Mission im Modell eines Konzils vorstellbar, in dem sich die Teilnehmer bei grundlegender Anerkennung zugleich unterschiedlich beschreiben könnten.
Beide Hauptreferenten des Symposiums waren sich darin einig, dass religiöse Indifferenz nur aus Sicht der Religion zu erkennen sei. „Niemand, der nicht danach gefragt werde, ob er Reiter sei, werde sich als Nicht-Reiter offenbaren“, so Tiefensee. Dies gelte in gleicher Weise für die Religion. Die Konsequenzen der religiösen Indifferenz reichten bis in die Praxis hinein, sodass sich Familien, in denen Gläubige und Nicht-Gläubige zusammenwohnen, fragen müssen, „wie abends am Bett der Kinder gebetet werde“, führte Tiefensee aus.
Der zu Beginn der Tagung neu eingeführte Leiter des Gemeindekollegs, Pfarrer Prof. Dr. Reiner Knieling, verglich die Mission mit der Kunst, insofern sie ebenso „unaufdringlich, inspirierend und offen“ sein müsse und dadurch „Erfahrungen sowohl verdichtet als auch öffnet“.
Das Symposium „MissionArt“ fand aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums des Gemeindekollegs der VELKD am 7. und 8. September statt. Das Gemeindekolleg war 1986 gegründet und in Celle angesiedelt worden. Vor vier Jahren zog die Einrichtung in das Zinzendorfhaus in Neudientendorf bei Erfurt um. Seine Arbeit richtet sich nach der 1983 von der VELKD formulierten missionarischen Doppelstrategie von „Öffnen“ und „Verdichten“. Das Kolleg entwickelt und vermittelt bundesweit Projekte für die Gemeindearbeit und vernetzt Veränderungsprozesse. Zu den Projekten, die teilweise auch von Kirchen in Brasilien, Finnland und Namibia übernommen wurden, gehören u. a.: „Sterbende begleiten lernen“, „Spiritualität im Alltag – sieben Schritte als Chance, GOTTESDIENST und LEBEN zu verbinden“, „Kirchen erzählen vom Glauben“ und „GET – Gemeinde-Entwicklungs-Training“. Die Angebote richten sich an haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirche.
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