Wolfenbüttel. In einem offenen Brief, den regionalHeute.de an dieser Stelle ungekürzt und unkommentiert veröffentlicht, äußert Wolfenbüttels Erinnerer Jürgen Kumlehn seinen Ärger über akustisch unverständliche Trauerreden in der St. Martinskapelle.
Ist dies vorstellbar?: Sie besuchen einen Trauergottesdienst oder eine Trauerfeier in einer Friedhofskapelle. Pfarrer oder Trauerredner bereiten sich auf Abschiedsfeiern gut vor. In den Trauerreden drücken sie das Leid der Angehörigen aus und würdigen den Lebensweg des Verstorbenen. Doch Sie als Mitglied der Trauergemeinde erfassen Sie davon nur sehr wenig oder vielleicht auch gar nichts. Der Grund ist die Bauweise der Kapelle mit einer zwar perfekt installierten Übertragungsanlage, aber mit störenden Schallwirkungen. Die verhindern, dass Sie die Aussagen gut verstehen. Ihre Trauer wird auf diese Weise nicht wirklich ernst genommen. Was denken die Redner, wenn sie wissen, dass ihre ausgesprochenen Erinnerungen an den Verstorbenen, für deren Formulierung sie sehr viel Zeit investiert haben, sich in Schall und Unverständnis auflösen?
Was, Sie glauben nicht, dass es das gibt? Doch, es existiert! Schon seit Jahren! Besucher von Trauerveranstaltungen in der St. Martinskapelle auf dem Wolfenbütteler Friedhof an der Lindener Straße erfahren es bei jeder Trauerfeier. Aus kirchlichen Kreisen erfährt man, dass Beschwerden darüber beim Friedhofsamt nicht angenommen werden. Dort erhalte man die Antwort, die Beschallungsanlage sei von Fachleuten überprüft und als technisch in Ordnung befunden worden. Als aktueller Teilnehmer und viel zu vieler vergangener Trauerveranstal-tungen fällt mir diese dringliche Frage ein: Haben die Leiter des städtischen Friedhofes bisher an keiner Trauerveranstaltung teilgenommen oder, kann ja sein, haben sie so exzellente Ohren, dass ausschließlich Trauergemeinden nur Bruchstücke der der doch sehr bedeutsamen Abschiedsreden empfangen können?
Mein Rat an die Friedhofsleitung und die kommunalen Gremien: Es gibt den Beruf des Aku-stikers! Diese Profession wird nicht nur bei Konzerthallen oder anderen Veranstaltungsräumen tätig. Bestimmt, wenn man sie ruft, kommen sie auch in die Wolfenbütteler Friedhofskapelle.
PS. Und wenn man gerade dabei ist, hier endlich eine Veränderung vorzunehmen, kann man auch gleich das gotteslästernde Relief über dem Eingang der Kapelle beseitigen: Jesus umringt von Soldaten des Ersten Weltkrieges. Ich halte es für sehr verletzend, für Jesus wohl gesagt. Schon damals zur Zeit der Errichtung der Kapelle 1917 wünschten sich viele Menschen in Europa ein Endes des Krieges, der nicht nur in Deutschland auch im Namen der Kirchen trotz Millionen toter Soldaten fortgeführt wurde. Heute wissen wir von der Schuld der Kirchen und ihrer Gemeinsamkeit mit dem Militär. Deshalb sollte die Darstellung der angeblichen göttlichen Unterstützung des Mordens nicht mehr an einer christlichen Kapelle den Krieg vergöttlichen, sondern eher in einem Friedensmuseum vor derartigen Haltungen warnen. In Braunschweig wird genau diese Problematik in der Friedenskirche dokumentiert. Der Weg dahin lohnt sich.
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