Architekturpreis: Behutsame Eingriffe statt radikaler Gesten

Der Wolfsburg Award for urban vision würdigt studentische Arbeiten.

Preisträgerin Leah Marie Backsmann (Mitte) umrahmt vom Juryvorsitzenden Manuel Scholl (links daneben) und Stadtbaurat Kai-Uwe Hirscheide (rechts daneben) sowie den Jurymitgliedern Hans-Georg Bachmann (rechts) und Kai Kronschnabel (links).
Preisträgerin Leah Marie Backsmann (Mitte) umrahmt vom Juryvorsitzenden Manuel Scholl (links daneben) und Stadtbaurat Kai-Uwe Hirscheide (rechts daneben) sowie den Jurymitgliedern Hans-Georg Bachmann (rechts) und Kai Kronschnabel (links). | Foto: Stadt Wolfsburg/Lars Landmann

Wolfsburg. Ihren studentischen Ideenpreis für Arbeiten, die sich mit der Stadt aus Sicht der Architektur, Landschafts- beziehungsweise der Stadtplanung oder Denkmalpflege beschäftigen, hat die Stadt Wolfsburg jetzt bereits zum 14. Mal verliehen. Dotiert ist er mit insgesamt 5.000 Euro. Am 19. November fand die offizielle Preisverleihung mit Wolfsburgs Erstem Stadtrat und Stadtbaurat Kai-Uwe Hirschheide und dem Juryvorsitzenden Manuel Scholl (agps Architecture, Zürich) im Alvar-Aalto-Kulturhaus statt.



Gewonnen hat in diesem Jahr eine Arbeit der leisen Töne. Leah Marie Backsmann aus Schwarmstedt hat sich in ihrer Arbeit mit der Frage beschäftigt, wie der Kindergarten der Heilig-Geist Kirche unter modernen Anforderungen und Bewahrung der Architektur von Alvar Aalto wieder seiner ursprünglichen Nutzung zugeführt werden könnte. Dies teilte die Stadt mit.

Die Innenarchitektur-Studentin hat den einzigen realisierten Kindergarten des finnischen Architekten Alvar Aalto sowie das gesamte denkmalgeschützte Heilig-Geist-Ensemble intensiv analysiert und nach Möglichkeiten gesucht, mit minimalen Eingriffen den nötigen Raum für einen modernen Kindertagesstätten-Betrieb zu schaffen. Erreicht wird dieses durch einen geschickt eingepassten Anbau und wenige herausgenommene Wände. Markierungen im Innern sollen die Veränderungen auch für kommende Generationen lesbar machen. Gerade dieser bewusste Minimalismus und die Fragestellung, wie das identitätsstiftende baukulturelle Erbe in die Zukunft gebracht werden kann, hat das Preisgericht überzeugt.

Kita Obstgarten: Ein kleiner Neubau zwischen Kindergarten und Pastorat verbindet die beiden Gebäudeteile und soll mehr Raum schaffen. Markierungen im Innern sollen sichtbar machen, wo in den Bestand eingegriffen wurde.
Kita Obstgarten: Ein kleiner Neubau zwischen Kindergarten und Pastorat verbindet die beiden Gebäudeteile und soll mehr Raum schaffen. Markierungen im Innern sollen sichtbar machen, wo in den Bestand eingegriffen wurde. Foto: Leah Marie Backsmann


Damit konnte sich die Arbeit mit dem Titel KiTa Obstgarten, entstanden an der Hochschule Hannover, Fakultät Design und Medien bei Professorin Martina Wiedleroither, unter den insgesamt 33 Einreichungen durchsetzen. „Der Entwurf beschäftigt sich aus allen Blickwinkeln mit dem Vorhandenen und ordnet diesem die eigene Gestaltung bewusst unter. Gerade in dieser eher leisen Reflektion und der Frage nach dem wirklich Notwendigen liegt die Stärke und das Zukunftsweisende der Arbeit“, erläutert der Juryvorsitzende Manuel Scholl die Entscheidung der Jury.

Eingereichte Arbeiten mit Augenmerk auf Nachhaltigkeit


Auffällig im diesjährigen Wettbewerbsverfahren ist, dass sich unter den eingereichten Arbeiten nicht ein einziger traditioneller Neubauentwurf befand. Vielmehr stand das Weiterdenken des Vorhandenen sowie der nachhaltige Umgang mit Ressourcen und Flächen noch stärker als in den Vorjahren im Fokus. „Das vermeintlich Visionäre, die große entwerferische Geste scheint nicht mehr zeitgemäß. Dennoch mangelt es den Arbeiten keineswegs an Vision: Das Leitbild einer ökologisch und sozial gerechten Zukunft bildet die selbstverständliche Grundlage vieler Entwürfe“, fasst Stadtbaurat Kai-Uwe Hirschheide die Ergebnisse zusammen.

Neben dem ersten Preis wurden vier weitere Arbeiten mit Anerkennungen ausgezeichnet. Die erste Anerkennung ging an die Arbeit Druckpunkte von Leonie-Sophie Butterweck, Bastian ten Haaf und Valentin Wischhöfer, die die zahlreichen Aufgaben des Freiraums von ökologischen Maßnahmen über Aufenthalts- und Bewegungsangeboten bis hin zum Parken überlagernd, statt nebeneinander anordnet. Konkret haben sich die Studierenden der Landschaftsarchitektur mit dem Areal südlich des Schulzentrums in Fallersleben beschäftigt. Ein besonderer Clou der Arbeit ist die Anordnung der Stellplätze, die nur dann zum Parken freigegeben werden, wenn sie benötigt werden und so einen Großteil der Zeit anders genutzt werden können. Entstanden ist die Arbeit an der Universität Kassel bei Professor Ariane Röntz.

Die zweite Anerkennung geht an die Technische Universität Braunschweig, an das Institut für die Geschichte und Theorie der Architektur und Stadt von Professorin Tatjana Schneider. Die Arbeit Kollektiv Wohnen. Miteinander wachsen von Jonathan Schmitz untersucht anhand einer Großwohnanlage in Westhagen wie durch kleine bauliche Maßnahmen ein besseres soziales Miteinander geschaffen werden kann und zeigt darüber hinaus auf, wie sich die Rahmenbedingungen für das Planen und Bauen ändern müssten, damit nachhaltiges und sozialgerechtes Bauen im Bestand einfacher wird.

Die gleichwertigen übrigen zwei Anerkennung gingen ebenfalls an Studierende am Institut für die Geschichte und Theorie der Architektur und Stadt für Arbeiten zur selben Großwohnanlage in Westhagen. Die Arbeit Fassade der Vielfalt von Mia Gutschalk und Carolina Groß schlägt für die Transformation der Anlage die Erweiterung durch eine neue, vorgestellte Fassade vor. Durch verschiedene vorgefertigte Elemente sollen die Bewohnenden den neu entstanden Raum ihren individuellen Bedürfnissen anpassen können. Unter dem Titel Erweiterung statt Abriss hat Aref Sazgar aufgezeigt, dass dort wo heute in der Großwohnanlage monotone Erschließungsbereiche den Bestand prägen, durch gut gesetzte Durchbrüche und Erweiterungen architektonisch qualitätvolle Raumerlebnisse geschaffen werden können.

Wettbewerbsdokumentation veröffentlicht


Insgesamt hat das Preisgericht sieben Arbeiten nominiert, sie alle sind bis einschließlich zum 16. Dezember im Schaufenster des Alvar-Alto-Kulturhaus am Marktplatz in Wolfsburg zu sehen. Darüber hinaus sind die Arbeiten in einer Wettbewerbsdokumentation veröffentlicht, die auf den Internetseiten der Stadt Wolfsburg unter wolfsburg.de/wolfsburgaward zum Download bereitsteht. Die gedruckte Version ist kostenfrei erhältlich über das Forum Architektur der Stadt Wolfsburg über die E-Mail-Adresse forum.architektur@stadt.wolfsburg.de.


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