Wolfsburg. Wie die Stadt mitteilt, sind seit alters her Schlösser und Burgen Zeugnisse der Macht ihrer Besitzer und Schlossherren. Zugleich dienten sie, wie zum Beispiel Schloss Albrechtsberg in Dresden oder Schloss Richmond in Braunschweig, der eigenen Repräsentation. Dies gilt auch, allerdings in kleinerem Maßstab, für das Schloss Wolfsburg.
Das Schloss als früherer Stammsitz der Adelsfamilien von Bartensleben und von der Schulenburg hat eine wechselvolle Geschichte aufzuweisen. Im Jahr 1302 erstmals urkundlich erwähnt und Ende des 16. Jahrhunderts im Stil der Weserrenaissance baulich umgestaltet, ist es heute ein kulturelles Zentrum und identitätsstiftend für die Wolfsburger Bevölkerung. Darüber hinaus war das Schloss im Jahre 1945 entsprechend einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung auch Namensgeber für die Stadt. Nach mehrmaligem Besitzerwechsel erwarb die Stadt Ende März 1961 das Schloss vom Land Niedersachsen.
Bis dahin hatte das Schloss für das Land Niedersachsen die Funktion eines Flüchtlingsdurchgangslagers. Da weitere Nutzungsabsichten seitens des Landes nicht verfolgt wurden, sind im Jahre 1958 Kontakte mit der Stadtverwaltung aufgenommen worden, die zum Verkauf an die Stadt führen sollten. Eine Bestandsaufnahme der städtischen Bauverwaltung ergab einen hohen Sanierungsbedarf, um das ehrwürdige Haus für künftige, vorwiegend kulturelle Zwecke zu nutzen. Lange strittig war die Höhe des Kaufpreises für das Schloss, zu dem nicht unbedeutender Grundbesitz gehörte. Doch konnte von den Vertragsparteien schlussendlich auch hierüber Einigung erzielt werden.
Konzeption der Repräsentationsräume
Am 25. April 1961 legte die Stadtverwaltung dem Verwaltungsausschuss ein Konzept für die zukünftige Nutzung des Schlosses vor. Zu den einzuleitenden Schritten zählten unter anderem das Ausarbeiten von Vorschlägen für die Außenanlagen und eine Konzeption für die Repräsentationsräume. Die im Zuge dessen erarbeiteten Entwürfe für den Umbau der Wirtschaftsgebäude zu Künstlerateliers und die Schaffung von Wohnungen für einzelne Künstler, denen die beteiligten Ratsgremien noch 1961 zustimmten, wurden schon bald in die Tat umgesetzt: Neben dem Fotografen Heinrich Heidersberger bezog der Maler Gustav K. Beck als einer der ersten Künstler seine Künstlerwohnung im Schloss. Der Kulturausschuss empfahl darüber hinaus die Einrichtung einer Druckwerkstatt im Schloss für Gastkünstler. Im Jahre 1963 begannen Bausicherungsarbeiten am Ostflügel des Schlosses nach den Plänen des Statikers Friese aus Wolfsburg.
Um den Sachverstand eines externen Experten bei der Sanierung und den Umgestaltungsmaßnahmen zu nutzen, hatte Oberstadtdirektor Dr. Wolfgang Hesse Kontakte zu Prof. Max Hermann von Freeden, dem Direktor des Mainfränkischen Museums in Würzburg, geknüpft. Sowohl der Kulturausschuss als auch der Bauausschuss stimmten der Beauftragung von Freedens zu, beim Ausbau des Schlosses beratend tätig zu werden und auch Vorschläge zur Gestaltung des Raumes Alt-Wolfsburg zu machen. In einem Vortrag im Kulturausschuss stellte Prof. von Freeden am 17. April 1964 sein Generalkonzept für das Schloss und den Raum Alt-Wolfsburg vor und bekam die zustimmende Kenntnisnahme des Ratsausschusses.
die Farbgebung der Repräsentationsräume sehr reserviert
Als „gute Stube“ der Stadt sollten Räume im Erdgeschoss des Schloss-Ostflügels für repräsentative Zwecke hergerichtet werden. Es handelte sich um den großen Gartensaal, das sich im Süden anschließende Kaminzimmer – die ehemalige Hofstube –, und die im Norden sich anschließende Gerichtslaube. Diese Räume bildeten, was ihre bauliche Gestaltung anging, eine räumliche Einheit. Nach den Vorschlägen von Prof. von Freeden sollte die gewölbte Decke im Gartensaal gestuckt werden, damit das alte Kreuzgewölbe wieder sichtbar wurde. Die Wände sollten nach Möglichkeit rau geputzt, die Säulen sparsam und zurückhaltend farbig behandelt werden. Überhaupt schlug der Kunsthistoriker von Freeden vor, die Farbgebung der Repräsentationsräume sehr reserviert auszuführen. Die früheren starken Farben der Renaissance würden dem heutigen zeitgenössischen Geschmack nicht mehr entsprechen. Der Fußboden sollte in allen drei Räumen aus Naturstein bestehen.
Für das Kaminzimmer hatte die Stadtverwaltung bereits einen aus dem 17. Jahrhundert stammenden Gobelin erworben. Die Sitzgruppen sollten aus hochwertigen modernen Möbeln bestehen. Der vorhandene Kamin musste aus Naturstein erneuert werden, weil ihn Mauerwerkssetzungen zerstört hatten. In der Gerichtslaube wurde in der Mitte ein großer runder Tisch positioniert. An den Wänden wurden moderne Sitzbänke aufgestellt, ergänzt um eingebaute Bänke in den Fensternischen. Nach Vorschlag von Prof. von Freeden sollten die Repräsentationsräume dem Publikum zugänglich gemacht werden. Der Gartensaal war stets begehbar, während Kaminzimmer und Gerichtslaube durch eine Kordel gesperrt werden sollten. Der Einblick für Besucher sollte jedoch erhalten bleiben. Als Archivalie des Monats dient ein auszugsweiser Bericht des Hochbauamtes über den Ausbau des Schlosses und die Gestaltung des Raumes Alt-Wolfsburg vom 18. Februar 1965 (HA 7751, Bd. 1). Darin wird ausführlich auf die Nutzungszwecke des Schlosses und die erforderlichen Baumaßnahmen eingegangen.
Die eingeleiteten Bauarbeiten zogen sich in die Länge und so wurde angestrebt, wenigstens einen Teil des Schlosses kurzfristig nutzbar zu machen. Mit Beginn des Jahres 1966 wurden die Rohbau- und Ausbauarbeiten für die Repräsentationsräume im Ostflügel des Schlosses in Angriff genommen. Neben einer neuen Elektro-Installation waren ein neuer Wandputz, neue Natursteinwände und ein neuer Natursteinfußboden zu schaffen. Im Kellergeschoss wurde eine Garderobe eingebaut und eine WC-Anlage hergerichtet. Sämtliche vorhandenen Fenster wurden sukzessive erneuert. Ende des Jahres 1966 waren die Bauarbeiten im Ostflügel abgeschlossen, anschließend erfolgte die Einrichtung und Ausstattung.
Offizielle Einweihung
Nunmehr war der Zeitpunkt gekommen, die städtischen Empfangsräume offiziell in Gebrauch zu nehmen. Zu einer Einweihungsfeier am 29. Juni 1967 waren rund 170 Personen geladen. In ihren Reden gingen Oberbürgermeister Hugo Bork, Oberstadtdirektor Günter Balk und Stadtbaurat Dr. Rüdiger Recknagel auf die Geschichte des Schlosses ein und erläuterten die bisherigen Baumaßnahmen. Ein Streichquartett des Braunschweiger Staatsorchesters umrahmte die Feier mit festlicher Musik. Anschließend erhielt die Wolfsburger Bevölkerung an mehreren Tagen im Juli und August die Gelegenheit, die neuen Räume zu besichtigen. Davon wurde reger Gebrauch gemacht, denn meistens nahmen über 100 Personen an diesen Führungen teil. Ein wichtiger Teil der Ausbaupläne des Schlosses war damit abgeschlossen.
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