Wolfsburg. Die Verhandlungskommissionen von IG Metall und Sitech Sitztechnik haben ein Tarifergebnis erzielt. Der Tarifabschluss ist einerseits als Reaktion auf die Herausforderungen der Corona-Pandemie zu werten. Andererseits konnte die IG Metall verbesserte Arbeitsbedingungen durchsetzen. Unter den neuen Tarifvertrag fallen rund 2.300 Beschäftigte bei der Sitech Sitztechnik GmbH an den Standorten Wolfsburg und Emden. Dies teilt IG Metall in einer Presseitteilung mit.
„Mit dem Abschluss übernehmen wir Verantwortung und zeigen zugleich, dass wir die Zukunft positiv gestalten können. Das bedeutet: Die IG Metall ist handlungsfähig – gerade auch in schwierigen Zeiten“, so die Einschätzung und Bewertung von IG Metall-Verhandlungsführer Thilo Reusch: „Im Arbeitsleben gewinnt Zeit immer mehr an Bedeutung. Hier konnten wir Fortschritte durchsetzen, die in der aktuellen Situation helfen und zudem dauerhaft wirken. So werden die tariflichen Freistellungszeiten für Kindererziehung und Pflege verbessert. Darüber hinaus starten wir ein neues Sabbatical-Modell 'Meine Auszeit'. Beschäftigte können eine Auszeit nehmen, ohne vorher Zeit angespart zu haben. Des Weiteren reagiert die IG Metall auf Anforderungen, die sich unmittelbar aus der Corona-Krise ergeben. Hierzu wurde mit dem Unternehmen eine Regelung getroffen, die bei Kita- oder Schulschließung nach dem Infektionsschutzgesetz eine Aufzahlung auf den staatlichen Entschädigungsanspruch für Eltern vorsieht. Und schließlich wird beim »Mobilen Arbeiten« unter bestimmten Voraussetzungen die Ruhezeit von 11 auf 9 Stunden verkürzt. Somit zeigt das Tarifergebnis trotz der Verschiebung der Entgeltrunde auf das kommende Jahr zukunftsweisende Neuerungen auf. Bei der Laufzeit der Entgelttabelle konnten wir sogar einen Monat aufholen; sie endet am 31. Dezember 2020 jetzt erstmals zeitgleich mit der Metall- und Elektroindustrie und Volkswagen. Damit gewinnen wir an Durchsetzungsstärke.“
Das sind die Vereinbarungen
Im Detail vereinbaren die Tarifvertragsparteien, dass die Entgelttabellen weiter bis zum 31. Dezember 2020 gelten. Außerdem solle die "Zahlung" eines Leistungsbeurteilungsbonus zukünftig nicht mehr von einer individuellen Leistungsbewertung abhängig gemacht werden. Mitarbeitergespräche sollen aber weiterhin stattfinden. Geplanter Beginn der Neuregelung sei der 1. Januar 2021.
Im Sinne eines Sabbaticals könnten sich Beschäftigte für maximal sechs Monate freistellen lassen. In dieser Zeit würden sie 75 Prozent ihres Bruttoentgelts bekommen. Die während der Freistellung entstandenen Minusstunden seien bei Wiederaufnahme der Arbeit mit 25 Prozent des monatlichen Bruttoentgelts zurückzuzahlen. So gebe es bei einer sechsmonatigen Freistellung anschließend 18 Monate volle Arbeitszeit mit Rückzahlungsverpflichtung. Der Vorteil: Beschäftigte könnten somit eine Auszeit nehmen, ohne vorher Zeit angespart zu haben. Start der Pilotphase solle der 1. Januar 2021 sein. Zudem gebe es einen tariflichen Freistellungsanspruch für die Betreuung von Kindern bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres (bisher 10. Lebensjahr). Zudem seien jetzt fünf Freistellungen pro Kind und zu pflegendem Angehörigen möglich. Bisher wären es zwei gewesen. Für Eltern, die von staatlich angeordneten Schließungen außerhalb der Ferien betroffen und nicht in Kurzarbeit seien, sehe der Gesetzgeber eine Entschädigung von 67 Prozent des Nettoeinkommens und maximal 2.016 Euro für Kinder vor Vollendung des 12. Lebensjahres vor. Für diesen Fall wäre eine Aufzahlung mit dem Arbeitgeber auf 85 Prozent des Verdienstausfalls vereinbart worden. Voraussetzung sei, dass zunächst die betrieblich vorhandenen Freistellungsmöglichkeiten genutzt werden.
Bei mobilem Arbeiten könnten die Ruhezeiten von 11 auf 9 Stunden verkürzt werden. Dies gelte aber nur, wenn jede so verkürzte Ruhezeit an anderer Stelle innerhalb von sechs Monaten entsprechend verlängert werde und die Beschäftigten bei Ende und Beginn der Arbeitszeit mitbestimmen könnten. Der Entgelttarifvertrag könne erstmals parallel zu denen der Metall- und Elektroindustrie und Volkswagen am 31. Dezember 2020 gekündigt werden.
IG Metall im Rücken
„Der Tarifvertrag passt in unsere Zeit“, erklärt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Sitech, Wissam Harb: „Gerade in dieser Pandemie-Zeit haben unsere Kolleginnen und Kollegen deutlich gespürt, dass es gut ist, die IG Metall im Rücken zu haben. Wir haben einen Abschluss mit erkennbarer Handschrift hinbekommen. Denn: Unsere bisherigen Erfahrungen haben sehr deutlich gezeigt, dass die Wandelungsoption 'Zeit statt Geld' enorm beliebt ist. Das erzielte Tarifergebnis kann deshalb als zukunftsweisend bezeichnet werden und regelt zugleich bereits einige bisher offene Fragen. Mittlerweile sind wir nicht mehr im Kurzarbeit-Modus und blicken nach vorn: Wir werden in den kommenden Tarifrunden weitere Verbesserungen durchsetzen. Denn aufgeschoben ist nicht aufgehoben.“
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