Tausende Tote im Mittelmeer: VW Mitarbeiter reichen die Hand


Volkswagen erinnert mit einer Aktion im Stammwerk Wolfsburg an das anhaltende Massensterben auf den Fluchtrouten im Mittelmeer. Als Zeichen der Solidarität hängen seit heute Rettungswesten gut sichtbar an mehreren Stellen im Werk Wolfsburg. Als Initiatoren hinter der Aktion stehen die VW-Vertrauensleute, der Betriebsrat und die Flüchtlingshilfe des Unternehmens. Foto: Volkswagen AG
Volkswagen erinnert mit einer Aktion im Stammwerk Wolfsburg an das anhaltende Massensterben auf den Fluchtrouten im Mittelmeer. Als Zeichen der Solidarität hängen seit heute Rettungswesten gut sichtbar an mehreren Stellen im Werk Wolfsburg. Als Initiatoren hinter der Aktion stehen die VW-Vertrauensleute, der Betriebsrat und die Flüchtlingshilfe des Unternehmens. Foto: Volkswagen AG

Wolfsburg - Die Belegschaftsvertretung bei Volkswagen erinnert mit einer Aktion im Stammwerk Wolfsburg an das anhaltende Massensterben auf den Fluchtrouten im Mittelmeer. Als Zeichen der Solidarität hängen seit Dienstag orangefarbene Rettungswesten gut sichtbar an mehreren Stellen im Werk Wolfsburg. Über die Aktion berichtet der Volkswagen Betriebsrat Wolfsburg in einer Pressemitteilung.


Befestigungsorte sind die Fassade des VW-Kraftwerkes am Mittellandkanal, das auch als Wahrzeichen von Stadt und Unternehmen gilt, sowie die VW-Markenlogos an den großen Werkstoren Ost, Nord, West und Sandkamp. Als Initiatoren hinter der Aktion stehen die VW-Vertrauensleute, der Betriebsrat und die Flüchtlingshilfe des Unternehmens. Viele Kirchengemeinden in Niedersachsen erinnern bereits mit Rettungswesten an ihren Kirchtürmen an das Schicksal der Flüchtenden im Mittelmeer. Die Aktion bei VW nimmt Bezug darauf und will ebenso wie die Kirchen auf die wichtige Arbeit des internationalen Aktionsbündnisses „Seebrücke“ hinweisen.

"Es muss mehr geschehen"


„Das Mittelmeer ist ein Massengrab. Diese humanitäre Katastrophe vor den Toren der VW-Heimat Europa verdient mehr Aufmerksamkeit“, sagt Wolfgang Kuznik, Leiter der Vertrauensleute im Werk Wolfsburg. „In der Belegschaft ist das Schicksal dieser Menschen auf der Flucht regelmäßig Thema. Oft mit dem Tenor: Das ist ein Skandal – und was können wir konkret dagegen tun? Mit der Rettungswesten-Aktion wollen wir jetzt ein erstes Zeichen setzen: Es muss mehr geschehen. Das Leid im Mittelmeer geht uns alle etwas an und wir müssen eine Haltung dazu haben.“

Die Arbeitnehmervertreter engagieren sich bereits seit längerem für Themen der Flucht. So hat die Volkswagen Belegschaftsstiftung seit 2015 mit dem Projekt Step by Step zahlreiche junge Geflüchtete unterstützt. Die Stiftung erleichterte den Jugendlichen im Alter von 10 bis 17 Jahren ein gutes Ankommen in der Wolfsburger Bildungs- und Schullandschaft. Inzwischen ist das Nachfolgeprojekt Step by Step 2.0 angelaufen. Es legt seinen Schwerpunkt auch auf die Qualifikation für einen Start auf dem Arbeitsmarkt. Für diese Projekte hat die Belegschaftsstiftung seit 2015 bereits mehr als vier Millionen Euro bereitgestellt. Angela Kaspar, Vorstandsvorsitzende der Belegschaftsstiftung, sagt: „Integration ist kein Selbstläufer. Aber mit vereinten Kräften und starkem ehrenamtlichen Engagement gelingt sie verlässlich und ist besonders wichtig, gerade für die oft unbegleiteten Kinder und Jugendlichen.“

Gastarbeiterhistorie verbindet


Volkswagens Gesamt- und Konzernbetriebsratsvorsitzender Bernd Osterloh sagt:
„Die Situation der Flüchtenden im Mittelmeer macht mich auch persönlich sehr betroffen. Diese Katastrophe geschieht nicht irgendwo in weiter Ferne, sondern an der Grenze zu dem Kontinent, auf dem drei Viertel unserer weltweiten Belegschaft zu Hause sind. Die Not dieser Menschen muss uns zu denken geben, nicht nur in der Vorweihnachtszeit. Ich denke, es ist unsere Pflicht, im Freundeskreis, bei Verwandten und intern im Betrieb, aber eben nach Möglichkeit auch öffentlich für dieses Thema zu sensibilisieren.“

Osterloh verwies auch darauf, dass Italien ein Schwerpunkt der Fluchtrouten ist. Im VW-Stammwerk hat ein großer Teil der Belegschaft aufgrund der Gastarbeiterhistorie familiäre Wurzeln in Italien. Osterloh weiter: „Die Rettungs- westen-Aktion der Kirchen ist einfach klasse. Sie rückt das Thema in den Fokus der Öffentlichkeit, deutlich sichtbar für viele Menschen. Das wollen wir mit unseren Möglichkeiten hier im Werk Wolfsburg unterstützen.“

Tausende Menschen ließen ihr Leben


Ariane Kilian, Leiterin Volkswagen Konzern Flüchtlingshilfe, sagt:
„Niemand von uns hat das Bild des kleinen Jungen Alan vergessen, der 2015 auf der Flucht im Mittelmeer ertrank und an einem türkischen Strand tot geborgen wurde. Doch wir verdrängen, wie viele Tausend Menschen seither auf der gefährlichen Route ihr Leben gelassen haben. Volkswagen unterstützt die Arbeit der Retter am Mittelmeer, unter anderem durch die Bereitstellung von Fahrzeugen für Hilfsorganisationen. Durch das Volkswagen Engagement für Geflüchtete, mit dem wir seit 2015 Begegnung, Bildung und Berufsintegration fördern, lernen wir Überlebende kennen und können ihren Weg in eine lebenswerte Zukunft ein Stück begleiten. Stolz können wir auch auf die vielen Volkswagen Beschäftigten sein, die sich ehrenamt-lich für Geflüchtete engagieren.“

In diesem Jahrbereits 1041 Tote im Mittelmeer


Die orangefarbenen Westen an den Toren und am Kraftwerk sollen auch über den Jahreswechsel hängen bleiben. Vertrauensleute und Betriebsrat rufen dazu auf, dass sich auch weitere Betriebe, Organisationen und Einrichtungen an der Aktion beteiligen. Die IG Metall in Wolfsburg macht als bundesweit größte Geschäftsstelle bereits mit: An der Fassade des Gewerkschaftshauses an der Siegfried-Ehlers-Straße ist seit Dienstag eine Weste befestigt.

Laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen bleibt der Weg übers Mittelmeer die tödlichste Seeroute der Welt, auch wenn die absoluten Zahlen der Flüchtenden zuletzt zurückgingen. Im Jahr 2016 ertranken mehr als 5000 Menschen im Mittelmeer. 2017 waren es mehr als 3100 Geflüchtete. Und in 2018 waren mehr als 2300 Tote und Vermisste zu beklagen. 2019 starben mit Stand Anfang Dezember bereits 1041 Menschen bei ihrer Flucht über das Mittelmeer.


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