Berlin. 2023 hat die deutsche Polizei 346.877 Rauschgiftdelikte erfasst. Dies entspricht einer Zunahme von 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie das BKA am Mittwochmorgen mitteilte. Eine Steigerung gab es sowohl bei den Handelsdelikten (+6,0 Prozent) als auch den konsumnahen Delikten (+1,0 Prozent).
Seit 2017 steigt die Anzahl drogenbedingter Todesfälle stetig an. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 2.227 drogenbedingte Todesfälle polizeilich registriert. Dies entspricht einem Anstieg von rund 11,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr, als noch 1.990 Fälle verzeichnet wurden. Unter den Drogentoten waren 1.844 Männer (82,8 Prozent) und 383 Frauen (17,2 Prozent). Das Durchschnittsalter lag bei 41 Jahren.
Immer häufiger griffen Konsumenten auf mehrere Substanzen gleichzeitig zurück, erklärte das BKA. Entsprechend sei die Anzahl an Mischintoxikationen gestiegen. So sind im vergangenen Jahr 1.479 Personen an den Folgen eines Mischkonsums gestorben, 34 Prozent mehr als noch 2022.
Besonders stark ist der Anstieg bei den erfassten Kokaindelikten: Diese sind 2023 um 27,4 Prozent gestiegen und liegen somit auf einem neuen Höchststand. Auch die Sicherstellungsmengen bei Kokain werden immer größer. Im Vergleich zu den letzten beiden Jahren hat sich die Sicherstellungsmenge in Deutschland nochmals verdoppelt auf rund 43 Tonnen. Zum Vergleich: 2022 stellte die Polizei rund 20 Tonnen sicher, 2021 rund 23 Tonnen. Die Tätergruppierungen zeigten eine zunehmende Bereitschaft zur Zahlung hoher Bestechungsgelder oder Anwendung massiver Gewalt sowohl gegen konkurrierende Banden als auch gegen eigene Gruppenmitglieder, so die Behörde.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sieht auch Erfolge. "Unsere Ermittlungsbehörden stellen Rekordmengen an Kokain sicher, 2023 mit 43 Tonnen mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Der hohe Ermittlungsdruck wirkt", erklärte sie am Mittwoch. "Dieses harte Vorgehen gegen die Drogenkartelle setzen wir fort, in intensiver internationaler Zusammenarbeit in Europa und mit südamerikanischen Staaten. Denn zugleich sehen wir: Die Kokain-Schwemme nach Europa zerstört Menschen - und sorgt für Milliardengewinne der Kartelle."
Cannabis blieb 2023 mit einem Anteil von rund zwei Dritteln an allen erfassten Rauschgiftdelikten die Drogenart mit der weitaus höchsten Anzahl an Handels- und konsumnahen Delikten. Die Polizei stellte insgesamt etwa 20,9 Tonnen Marihuana und 3,7 Tonnen Haschisch sicher. Neben der Einfuhr aus dem Ausland wurde Cannabis auch illegal in Deutschland angebaut: 2023 wurden insgesamt 450 Cannabis-Plantagen mit Anbaukapazitäten ab 20 Pflanzen sichergestellt, davon 146 Großplantagen (100-999 Pflanzen) und 37 Profiplantagen (ab 1.000 Pflanzen).
Auch die synthetischen Drogen spielten weiterhin eine bedeutende Rolle, so das BKA. Große Produktionskapazitäten in den Niederlanden würden eine hohe Verfügbarkeit von Amphetamin und Ecstasy gewährleisten. Dies spiegele sich auch in den Sicherstellungsmengen wider. 2023 wurden fast 2.000 Kilogramm Amphetamin, mehr als 1,1 Millionen Tabletten Ecstasy sowie über 450 Kilogramm Metamphetamin sichergestellt. Die Anzahl der sichergestellten Rauschgiftlabore in Deutschland ist im Jahr 2023 auf 14 gestiegen, nach neun im Vorjahr. Darunter befanden sich erstmals ein Neue-Psychoaktive-Stoffe-Labor zur Herstellung von synthetischen Cannabinoiden in nicht geringer Menge sowie zwei Großlabore zur Herstellung von Amphetamin.
Der Handel von Betäubungsmitteln über das Internet ist nach Einschätzung der Ermittler mittlerweile fest etabliert. Vom Ende des Jahres 2022 bis Mitte Juni 2023 habe sich sowohl die weltweiten als auch die deutschen Angebotszahlen auf ein Rekordniveau erhöht. Die Abschaltung verschiedener Marktplätze, etwa durch sogenannte Exit Scams oder durch Maßnahmen der Sicherheitsbehörden, habe allerdings dazu geführt, dass die Anzahl bis Ende 2023 wieder auf ein stabiles Niveau gesunken sei, so das BKA.
Der Handel von Rauschgift erfolgt nach Einschätzung der Behörde zunehmend über Messenger-Dienste. Dabei würden häufig offen zugängliche Chat-Gruppen zum Bewerben von Betäubungsmitteln genutzt. Die tatsächlichen Verkaufsgespräche findet den Schilderungen der Behörde zufolge dann zumeist in privaten Chats statt. Zudem hat sich der Handel von Rauschgift auf Social-Media-Plattformen etabliert. Diese Plattformen würden überwiegend von jungen Erwachsenen und Jugendlichen genutzt werden. Ohne aktiv nach Rauschgift zu suchen, gerieten diese Personengruppen frühzeitig und umfassend an professionell präsentierte Rauschgiftangebote, warnte das BKA. Die Anbahnung der Drogengeschäfte laufe dabei über zahlreiche offene Accounts und werde den Kunden somit sehr leicht gemacht.
BKA-Vizepräsidentin Martina Link erklärte, die europäischen Nordseehäfen seien zu den "wichtigsten Einfallstoren für die Einfuhr von Rauschgift nach Europa" geworden. "Die zunehmende Gewalteskalation vor allem in den Niederlanden und Belgien führt uns vor Augen, welche vielfältige Gefahren dabei für Staat und Gesellschaft ausgehen", sagte sie am Mittwoch. "Eine effektive Bekämpfung der international organisierten Rauschgiftkriminalität erfordert einen ganzheitlichen Ansatz: Staatliche Institutionen, Strafverfolgungsbehörden und die Privatwirtschaft müssen an einem Strang ziehen."
Besonders wichtig sei dabei die Intensivierung der Zusammenarbeit mit den lateinamerikanischen Staaten und die Verbesserung der Hafensicherheit in Europa. "Das Bundeskriminalamt unterstützt und initiiert Maßnahmen zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität an allen Punkten der Logistikkette", so Link. "Dabei kooperiert das BKA mit den Sicherheitsbehörden im nationalen und europäischen Rahmen."
Die Bundesinnenministerin erklärte, man habe Kampf gegen die internationalen Drogenkartelle deshalb stärker forciert. "Wie stark wir handeln, zeigen allein über 1.700 vollstreckte Haftbefehle in den `Encro-Chat`-Verfahren gegen die organisierte Kriminalität", so Faeser. "Die entschlüsselte Kommunikation der Kriminellen hat uns tiefe Einblicke in die Strukturen gegeben. Es geht weiter darum, die Hintermänner zu finden, Finanzströme aufzudecken und die kriminellen Netzwerke zu zerschlagen." Zugleich müsse man die Häfen sicherer machen, damit sie keine "Einfallstore für tonnenweise Kokain" mehr sein könnten. "Dazu gehören engmaschige Kontrollen, hohe Wachsamkeit und effektive Korruptionsprävention in den Häfen."
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