Region. Wenn ein Job nicht reicht: Viele Menschen in unserer Region pflegen mehr als ein Arbeitsverhältnis um monatlich über die Runden zu kommen. Wie die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) berichtet, steigt die Anzahl der regionalen Zweitjobber seit dem letzten Jahr an. Die Gewerkschaft bezieht sich dabei auf aktuelle Zahlen der Arbeitsagentur. Besonders in Braunschweig und Wolfsburg schießen die Zweitjobs in die Höhe.
Zusatz-Jobs sind besonders im regionalen Gastronomiebereich, etwa in Restaurants, Gaststätten und Hotels verbreitet. Dabei treffe der Boom bei den Nebenjobs langfristig auch die heimische Wirtschaft. „Gastronomen und Bäckermeister, die über den Fachkräftemangel klagen, aber gleichzeitig auf 450-Euro-Kräfte setzen, schneiden sich ins eigene Fleisch. Minijobber können keine Hotelfachleute ersetzen“, betont Derer. Doch Fachkräfte gewinne man nur mit ordentlichen Löhnen – „so hoch, dass die Beschäftigten keinen Zweitjob mehr brauchen“. Außerdem müssten sich die Arbeitgeber stärker um Nachwuchs kümmern. „Eine Lehre im Lebensmittelhandwerk oder im Gastgewerbe kommt für Schulabgänger nur infrage, wenn der Lohn und die Ausbildungsbedingungen stimmen“, so die Gewerkschafterin.
Die Städte und Kreise im Überblick
- In Braunschweig haben aktuell 8.700 Menschen einen Zweitjob oder Minijob.
Im Juni 2019 arbeiteten 1.200 Zweitjobber in der Gastronomie.
Innerhalb von zehn Jahren ist die Anzahl der Zweitjobber um 51 Prozent gestiegen.
- In Wolfsburg arbeiten rund 3.800 Menschen in einem Zweitjob.
Im Juni 2019 arbeiteten 500 Zweitjobber in der Gastronomie.
Innerhalb von zehn Jahren ist der Anteil an Zweitjbbern um 89 Prozent gestiegen.
- Im Landkreis Goslar haben 3.700 Beschäftigte einen Zweitjob.
Im Juni 2019 arbeiteten rund 700 Zweitjobber in der Gastronomie.
Innerhalb von zehn Jahren ist die Zahl der Zweitjobber um 51 Prozent gestiegen.
- Im Landkreis Gifhorn haben ebenfalls 3.700 Menschen ein zweites Arbeitsverhältnis.
Im Gastronomiebereich arbeiteten im Juni 2019 knapp 600 Zweitjobber.
Die Anzahl der Zweitjobber ist um 31 Prozent gestiegen.
- Im Landkreis Peine haben 3.500 Menschen einen Zweitjob.
Es arbeiteten knapp 400 Zweitjobber im Juni 2019 in der Gastronomie.
Innerhalb von zehn Jahren ist die Zahl der Zweitjobber um 44 Prozent gestiegen.
- Im Landkreis Wolfenbüttel haben 2.400 Menschen einen Zweitjob.
Im Juni 2019 arbeiteten rund 230 Zweitjobber im Gastronomiebereich.
Innerhalb von zehn Jahren ist die Anzahl der Zweitjobber um 45 Prozent gestiegen
- In Salzgitter haben rund 2.200 Menschen einen Zweitjob.
Im Gastronomiebereich arbeiteten im Juni 2019 200 Zweitjobber.
Innerhalb von zehn Jahren ist die Zahl der Zweitjobber um 36 Prozent gestiegen.
- Im Landkreis Helmstedt arbeiten rund 1.500 Menschen in einem Zweitjob.
Die Zahl der Zweitjobber ist innerhalb von zehn Jahren um 23 Prozent gestiegen.
Schieflage auf dem Arbeitsmarkt
Gewerkschafterin Katja Derer spricht von einer Schieflage auf dem Arbeitsmarkt: „Im Schatten des Booms der vergangenen Jahre sind viele sozialversicherungspflichtige Stellen entstanden, die oft kaum zum Leben reichen. Nebenjobs müssen dann die Haushaltskasse aufbessern. Aber wer auf einen Zweitjob angewiesen ist, der arbeitet meist am Limit – auf Kosten von Familie, Freunden und Freizeit“, so die Geschäftsführerin der NGG Süd-Ost- Niedersachsen-Harz.
Die NGG sieht aber auch die Politik in der Verantwortung. Die Zunahme der Zweitjobs sei auch das Ergebnis einer verfehlten Arbeitsmarktpolitik der Nullerjahre. „Mit einer Reform könnte die Bundesregierung Minijobs voll in die Sozialversicherung einbeziehen. Allerdings sollten die Arbeitgeber den größten Teil der Beiträge zahlen. Das macht reguläre Stellen attraktiver und verschafft den Minijobbern heute eine bessere Absicherung“, so Derer.