Junge Frau mit Down-Syndrom hält Regale in Schuss


Stolz auf Sirivan Demiray (Mitte) sind FBE-Jobcoach Luisa Simeone (rechts) und Anke Struck, stellvertretende Filialleiterin. Fotos: DRK
Stolz auf Sirivan Demiray (Mitte) sind FBE-Jobcoach Luisa Simeone (rechts) und Anke Struck, stellvertretende Filialleiterin. Fotos: DRK

Salzgitter-Bad. Der Fachdienst für berufliche Eingliederung des DRK Wolfenbüttel unterstützt Menschen mit einer geisitgen Behinderung auf ihrem Weg ins inklusive Arbeitsleben. Eine Erfolgsstory kommt jetzt aus Salzgitter-Bad, wo eine junge Frau mit Down-Syndrom beim Edeka-Markt arbeitet. Dies teilt das DRK Wolfenbüttel mit.


Den sogenannten Pappwagen, eine große Kiste auf Rädern, schiebt Sirivan Demiray durch „ihre“ Regalreihen – auf der Suche nach leeren Kartons, in denen sich zum Beispiel Chipstüten befunden haben. Die Kartons kommen dann in eine riesige Presse, der zusammengedrückte Pappmüll wird einmal in der Woche im Edeka-Center Salzgitter-Bad abgeholt. Hier ist Sirivan Demiray seit Dezember als Praktikantin unterwegs. Sirivan nimmt beim Fachdienst zur Beruflichen Eingliederung (FBE) des DRK-Wolfenbüttels am ambulanten Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich teil und entschied sich damit, diese Maßnahme nicht wie gewöhnlich in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung zu machen.

Anke Struck, stellvertretende Edeka-Filialleiterin erklärt: „Erst waren wir ein wenig skeptisch und haben überlegt, ob die Fläche nicht zu groß ist und es vielleicht zu viele Reize gibt“, denn Sirivan Demiray hat das Down-Syndrom, ist also in ihren kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt. Zum Beispiel muss sie sich manchmal sehr anstrengen, wenn es um Feinmotorik geht. Auch ihr Gleichgewichtssinn muss trainiert werden. Doch die 20-Jährige hat ihre Vorgesetzten und Kollegen überzeugt. Anke Struck erläutert: „Wir sind positiv überrascht. Sirivan macht die ganz normale Arbeit, keine Hilfsarbeit.“ Sie strahle eine angenehme Ruhe aus, sei konzentriert auf ihre Arbeit und spreche mittlerweile aktiv Kunden an, die augenscheinlich etwas in dem Markt suchen. „Eine Kundin ist neulich sogar noch einmal extra zu Sirivan gegangen, um sich zu bedanken.“ Der Kundenkontakt wurde extra trainiert bei einem FBE-Projekttag, bei dem sich alle Projektteilnehmer austauschen. Das Gelernte hat die junge Frau sehr schnell umgesetzt, findet ihre Chefin.

"Wir wissen, das Sirivan gut aufgehoben ist"


Sirivan Demiray wohnt mit ihrer Familie in Salzgitter-Bad. An schönen Tagen geht sie zu Fuß zur Arbeit, oder ihr Vater fährt sie schnell vorbei. Der FBE-Jobcoach Luisa Simeone war in den ersten Arbeitstagen immer an der Seite ihres Schützlings: morgens bei Arbeitsbeginn, nachmittags zum Feierabend, in der Mittagspause, während der verschiedenen Aufgaben im Edeka-Center.
„Die Begleitung am Anfang ist wichtig. Es sind neue Räume, neue Menschen. Sirivan hatte anfangs Angst, sich zu verlaufen“, verdeutlicht die FBE-Mitarbeiterin. Es ging darum, den Arbeitsalltag zu strukturieren. Das hat Sirivan Demiray gut hinbekommen. Aktuell ist sie für die beiden Regalreihen für Chips und Süßwaren zuständig, achtet hier stark auf Ordnung, räumt auch mal mit dem Chef Sektflaschen in die Regale. Als nächstes soll sie sich um die Molkereiprodukte kümmern. Das ist schon eine größere Herausforderung, weil die stärker auf Ablaufdaten achten muss. In hohen Tönen lobt Nicole Arendt (Teamleitung FBE) das große Edeka-Center mit seinen 145 Mitarbeitern und den geschätzt 50.000 Produkten im Süden Salzgitters. „Der Betrieb macht sich auch Sorgen um seine Mitarbeiter. Wir wissen, das Sirivan gut aufgehoben ist. Sie selber sagt auch, es sei familiär.“

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Sirivan Demiray (von rechts) räumt einen leeren Karton aus dem Regal. Ihr FBE-Jobcoach Luisa Simeone und Anke Struck, stellvertretende Filialleiterin, halten den Pappwagen bereit. Foto:


Spaß an selbständiger Arbeit


Der Fachdienst zur Beruflichen Eingliederung qualifiziert aktuell 17 Personen mit Unterstützungsbedarf, die auf dem 1. Arbeitsmarkt beschäftigt werden wollen. „Es ist eine gute Alternative zu den Werkstätten für behinderte Menschen“, sagt Nicole Arendt. Im Idealfall gelinge es, einen Arbeitsvertrag im Helferbereich abzuschließen oder die Teilnehmer in eine Ausbildung als Fachwerker zu bringen – zum Beispiel als Beikoch oder Helfer im Einzelhandel. Letzteres kann sich Sirivan Demiray mittlerweile gut vorstellen. Eigentlich wollte sie Friseurin werden. Arbeitserprobungen von mehreren Wochen in zwei Betrieben hatte ihr der FBE organisert. Doch sie war unterfordert: Angeschnittene Haare aufkehren und die Blätter für Dauerwellen reichen, waren ihr nicht genug. Und die Enttäuschung, nicht selber Haare schneiden und jemanden schminken dürfen, war groß. Es brauchte schon etwas Überredungskunst von der Familie und von ihrem FBE-Jobcoach Luisa Simeone, bis sich die 20-Jährige im Einzelhandel ausprobieren wollte. Jetzt ist sie aber begeistert. „Ich habe viele Kollegen, sie sind aber alle nett“, sagt Sirivan Demiray. Und vor allem mache ihr die recht selbstständige Arbeit Spaß.


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